Ungethüm, August Friedrich (1834–1909), Tischler und Unternehmer

Ungethüm August Friedrich, Tischler und Unternehmer. Geb. Eibenstock, Kg.reich Sachsen (D), 4. 11. 1834; gest. Wien, 30. 9. 1909; evang. AB. Vater von August U. und Max U. (beide s. u.), Prof. Friedrich U. (geb. Wien, 9. 7. 1873; evang. AB), des Architekten und Stadtbaumeisters Hans (Johann) U. (geb. Wien, 27. 2. 1876; evang. AB) und der Fabrikantengattin Valerie U., ab 1901 verheiratete Ortlieb (geb. Wien, 11. 6. 1877; evang. AB). – U. erlernte die Tischlerei in Sachsen und übersiedelte ca. 1860 nach Wien, wo er sich zuerst in der gewerbl. Zeichenschule von →Bernhard Hieronymus Ludwig, mit dem er i. d. F. auch freundschaftl. verbunden war, fortbildete und dann in dessen Kunsttischlerei arbeitete. 1868 erhielt er das Gewerberecht und machte sich in Wien 5 mit einem Tischlereibetrieb selbstständig. 1872 bzw. 1883 erwarb er zusätzl. Lager, 1888 übersiedelte er und begründete einen neuen Standort in Wien 5. Diese Niederlassung bestand aus einem Betriebsgebäude, in dem die Werkstätten, das Lager, U.s Wohnung sowie Ausst.räume untergebracht waren. Die Fa. spezialisierte sich auf Brautausstattungen, Plafond- und Wanddekorationen sowie komplette Wohnungseinrichtungen und Hotelausstattungen, erzeugt aus Hölzern aus Übersee, in allen Preislagen. Diese exportierte sie nach Dtld., Russland, Italien, Ägypten und Südamerika. Die Fa. nahm an der Kunstgewerbereform der Wr. Moderne um 1900 teil und führte Entwürfe u. a. von →Josef Maria Olbrich (z. B. die Einrichtung für die Villa Friedmann), →Koloman Moser und dem Architekten und Möbeldesigner Otto Wytrlik aus. Später gehörten auch Büromöbel zu ihrem Programm. Die Anfertigung der Weichholzmöbel und Sitzmöbelgestelle wurde an Spezialfirmen vergeben. 1894 erhielt U. das Bürgerrecht. Er zählte bald zu den bedeutendsten Kunsttischlern Wiens und nahm mit seinen Erzeugnissen an zahlreichen in- und ausländ. Ausst. teil: z. B. 3. Wr. Möbel-Ind.-Ausst., 1883, Jubiläums-Gewerbe-Ausst. Wien, 1888, Weltausst. Antwerpen, 1894, Paris, 1900 (Silbermedaille). U. war Mitgl. des Wr. Kunstgewerbever. und wurde 1883 Vorstandsmitgl. der Wr. Tischlergenossenschaft. Sein Sohn, der Kunsttischler August U. (geb. Weissenbach bei Mödling, NÖ, 16. 2. 1865; gest. Wien, 10. 8. 1911; röm.-kath.), ledig, war der unehel. Sohn von Anna Steinmüller (geb. ca. 1840; gest. Weissenbach bei Mödling, 11. 10. 1869; röm.-kath.) und wurde 1884 legitimiert. Er besuchte nach der Realschule 1880–85 bzw. 1904–05 die Wr. Kunstgewerbeschule, 1900–02 stud. er an der ABK in der Meisterschule Otto Wagner (1901 Pein-Preis). Anschließend arbeitete er als Zeichner und Designer bei seinem Vater. Nach dessen Tod führten August U. und sein Halbbruder, der Möbeltischler Max U. (geb. Wien, 23. 8. 1874; gest. 20. 2. 1947; evang. AB), die Fa. weiter. Max U. lernte 1895–97 bei seinem Vater, erwarb 1908 das Gewerberecht und wurde 1909 Geschäftsleiter der Fa. Nach dem plötzl. Ableben seines Halbruders wurde aufgrund eines fehlenden Testaments und der darauffolgenden Kaduzität des Nachlasses ein Kurator für die Leitung der Fa. bestimmt, dessen Name erst 1913 aus dem Handelsregister gestrichen wurde; i. d. F. führten die Geschwister den Betrieb kollektiv, ab 1915 firmierte Max U. als alleiniger Inhaber. In den 1930er-Jahren erfolgte aufgrund der wirtschaftl. Lage ein eingeschränkter Betrieb. Privat galt sein Interesse dem Alpinismus. Nach seinem Tod wurden Tle. des Unternehmens von der Fa. Kabele übernommen.

L. (tw. Familienartikel): Der Humorist 8, 1888, Nr. 21, Beibl. S. 3, 9, 1889, Nr. 16, S. 8; Prominentenalmanach 1, ed. O. Friedmann, 1930, S. 279 (m. B.; zu Max U.); M. Pozzetto, Die Schule O. Wagners 1894–1912, 1980, S. 250; V. J. Behal, Möbel des Jugendstils, 1981, s. Reg.; R. G. Winter, Kunstmöbelerzeugung in Wien zwischen 1870 und 1914, betriebswirtschaftl. DA Wien, 1997, S. 165ff.; D. Pichler, Bürgertum und Protestantismus. Die Geschichte der Familie Ludwig …, 2003, S. 38, 174; B. Decristoforo, Portois & Fix – Ein Wr. Ausstattungsunternehmen der Moderne, phil. DA Wien, 2009, S. 102, 150; Website Voglhofer. Meierhof zu Schloss Schwertberg (Zugriff 27. 10. 2015); ABK, Pfarre St. Florian, Univ. für angewandte Kunst (alle zu August U.), WStLA, alle Wien; Mitt. Eva B. Ottillinger, Wien.
(Ch. Gruber)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 107f.
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