Unterguggenberger, Michael (1884–1936), Politiker und Funktionär

Unterguggenberger Michael, Politiker und Funktionär. Geb. Hopfgarten (Hopfgarten im Brixental, Tirol), 15. 8. 1884; gest. Wörgl (Tirol), 19. 12. 1936. Sohn des aus einer Lesachtaler Bauernfamilie stammenden Arbeiters Josef U. und der Emerentia U., geb. Hauser, der Tochter eines verarmten Sensenschmieds, Vater des Ökonomen und Fachschriftstellers Silvio U. (geb. 1935); ab 1908 in 1. Ehe verheiratet mit Maria U., geb. Ender (gest. 1917), ab 1922 in 2. Ehe mit der Geschäftsfrau Rosa U., geb. Schnaiter (gest. 1961). – U. wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf und musste bereits mit zwölf Jahren durch seine Arbeit in einem Sägewerk zum Unterhalt der Familie beitragen. Auch die spätere Lehre bei einem Mechanikermeister war nur unter großen Entbehrungen möglich. Die anschließende Zeit der Wanderschaft führte ihn nach Siebenbürgen, Galizien und ins niederschles. Liegnitz, wo er dem Metallarbeiterverband beitrat und sich zum ersten Mal aktiv gewerkschaftl. betätigte. Nach seiner Rückkehr nach Tirol bewarb er sich erfolgreich bei den Staatsbahnen, wurde Mitgl. der Eisenbahnergewerkschaft sowie der SDAP und bildete sich durch die Lektüre polit. und wirtschaftl. Schriften im Selbststud. weiter. Prägend für seine spätere Tätigkeit als Gmd.politiker wurde dabei die Auseinandersetzung mit den Reformkonzepten Silvio Gesells. Während des 1. Weltkriegs war U. als Lokomotivführer im Einsatz, vom eigentl. Kriegsdienst jedoch befreit. Ab 1918 gehörte er als Fraktionsführer seiner Partei und Vizebgm. dem Wörgler Gmd.rat an und engagierte sich für den Ausbau der Infrastruktur des rasch wachsenden Ind.orts. Im Dezember 1931 übernahm er aufgrund eines Losentscheids das Amt des Bgm. Zu diesem Zeitpunkt stand er der ideolog. Ausrichtung seiner Partei und deren seiner Überzeugung nach untaugl. Rezepten zur Bewältigung der Wirtschaftskrise bereits distanziert und skept. gegenüber. Deren Auswirkungen hatten das Tiroler Unterland bes. hart getroffen und U. überzeugte den Gmd.rat von einem Nothilfeprogramm, das durch die Ausgabe von sog. Schwundgeld die lokale Wirtschaft ankurbeln sollte. Das Experiment war erfolgreich und stieß international auf großes Interesse („Wunder von Wörgl“), musste aber im Jänner 1933 nach Intervention der Nationalbank eingestellt werden. U. blieb von der Richtigkeit seiner Vorgangsweise überzeugt – zahlreiche Einladungen zu Vorträgen sowie Anfragen aus dem In- und Ausland schienen ihm Recht zu geben. Das Verbot der SDAP und die Auflösung der Gewerkschaften nach den Februarkämpfen 1934 bedeuteten allerdings das Ende der polit. Karriere U.s, der nach einer langen Krankheit verstarb. In den „Pisan Cantos“ (1948, Canto LXXIV) setzte ihm Ezra Pound ein literar. Denkmal. Das 2003 gegr. Unterguggenberger Inst. Wörgl widmet sich der Dokumentation, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zum Wörgler Freigeld-Experiment sowie generell dem Thema Komplementärwährungen.

L.: S. Unterguggenberger, in: Wörgl. Ein Heimatbuch, ed. J. Zangerl, 1998, S. 261ff. (m. B.); W. Broer, Schwundgeld. Bgm. M. U. und das Wörgler Währungsexperiment 1932/33, 2007 (m. B.); G. Ottacher, Der Welt ein Zeichen geben. Das Freigeldexperiment von Wörgl/Tirol 1932/33, 2007, bes. S. 19ff. (m. B.); Website des Unterguggenberger Inst. Wörgl (Zugriff 22. 10. 2015).
(G. Hormayr)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 114f.
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