Urban, Ludwig d. J. (1876–1946), Großindustrieller und Politiker

Urban Ludwig d. J., Großindustrieller und Politiker. Geb. Wien, 16. 5. 1876; gest. ebd., 13. 3. 1946; röm.-kath. Enkel von →Anton (I.) U., ältester Sohn von →Ludwig U. d. Ä., Halbbruder von Bruno U. (geb. 22. 12. 1897; gest. Wien, 1. 8. 1959); verheiratet mit Gertrude U. (gest. 1960). – U. stud. nach dem Abschluss der Realschule 1893–95 an der Maschinenbauschule der TH in Wien, absolv. eine Werkstättenpraxis bei Brevillier & U. und bildete sich durch Stud.reisen weiter. Danach wurde er geschäftsführender Verw.R. der Schrauben- und Schmiedewarenfabriks-AG Brevillier & Cie. und A. Urban & Söhne, Wien, i. d. F. Vizepräs. und Präs. U. übernahm den Familienanteil des Unternehmens (Miteigentümer waren Heinrich Trenck v. Tonder und Alexander v. Bernd) und förderte den Ausbau der Betriebe in Wien-Floridsdorf und Neunkirchen. Außerdem war er Verw.R. der Ersten galiz. Schrauben-, Nieten- und Muttern-Fabriks-AG in Auschwitz, der Nö. Escompte Ges. in Wien, der Vereinigten Maschinenfabriken AG in Smichow, der Ung. Allg. Maschinenfabriks-AG in Budapest, der Skodawerke in Pilsen, der Metallzentrale AG in Wien, der Lokaleisenbahn Willendorf–Neunkirchen u. a. Zur Armee einberufen, leitete U. ab 1917 kriegswirtschaftl. Referate im Kriegsmin. Er war 1906 Mitbegründer des Wr. Industriellenverbands, bis 1921 dessen Vors. und danach Ehrenpräs. Als Präs. des Hauptverbands der Ind. Österr. vertrat er v. a. mittelbetriebl. weiterverarbeitende Unternehmen. Dieser Verband stand der Christl.sozialen Partei nahe und förderte die paramilitär. Verbände der Heimwehren. Mit der Eingliederung der Zeus Bleistiftfabrik AG in Gösting bei Graz in den Metallwarenkonzern 1924 wurde ein neuer Produktionszweig mit 200 Mitarb. eröffnet, der ab 1965 mit der Marke Jolly reüssierte. U. wurde dort Vors. des Verw.R. Privat widmete er sich der Pferdezucht u. a. in Tribuswinkel und ließ das dortige Schloss zu seinem Wohnsitz ausbauen. Im Ständestaat war U. eine einflussreiche Persönlichkeit: ab 1936 Mitgl. des Staatsrats, des Bundesrats sowie Präs. des neu gegr. Bunds der österr. Industriellen. In dieser Funktion wurde er 1937 im Rahmen einer Reise nach Dtld. auch von →Adolf Hitler empfangen. 1938 im Industriellenbund von einem kommissar. Leiter abgelöst, erloschen seine polit. Funktionen; er blieb jedoch Aufsichtsrats-Vors. der Schraubenfabrik. Im Rahmen der dt. Kriegswirtschaft musste der Konzern Güter unter Einsatz von Zwangsarbeitern erzeugen. 1945 konnte U. am Wiederaufbau des von Kriegsschäden schwer betroffenen Konzerns noch mitwirken. Nach seinem Tod übernahm sein Halbbruder Bruno U. den Vorstandsvorsitz des Unternehmens. 1945 beschlagnahmte die sowjet. Besatzungsmacht Schloss Tribuswinkel. 1949 schenkte es U.s Witwe der Gmd. Wien zur Einrichtung eines Erholungsheims. U. war Großoff. des Ordine della Corona dʼItalia.

W.: Ständ. Aufbau und Wirtschaft, in: Ständestaat Österr. im neuen Wirtschaftseuropa, (1935).
L.: NFP, 17. 7., 24. 9. 1937; Compass. Finanzielles Jb. für Österr.-Ungarn 49, 3, 1915, S. 474; Compass. Finanzielles Jb. 61, Österr., 1928, S. 856f., 73, Personenverzeichnis, 1940, S. 1351; M. Klang, Die geistige Elite Österr., 1936; Die Ind. Offizielles Organ des Bundes österr. Industrieller 43, 1938, Nr. 11, S. 5; R. Granichstaedten-Czerva u. a., Altösterr. Unternehmer, 1969, S. 125ff.; G. Enderle-Burcel, Mandatare im Ständestaat, 1991, S. 251f.; R. Sandgruber, Ökonomie und Politik. Österr. Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, 1995, S. 352; R. Reschny, Brevillier & U. – eine betriebsgeschichtl. Fallstud., wirtschaftswiss. DA Wien, 1996, S. 4f., 31f., 44, 66f.; G. Senft, Im Vorfeld der Katastrophe. Die Wirtschaftspolitik des Ständestaates. Österr. 1934–38, 2002, S. 194f., 201, 205, 214; St. Babler u. a., Schloss Tribuswinkel, 3. Aufl. 2004, S. 37, 64, 68f. (m. B.); 100 Jahre Haus der Ind. 1911–2011, ed. V. Sorger, 2. Aufl. 2011, S. 126, 130, 134; R. Sandgruber, Traumzeit für Millionäre, 2013, S. 476; AdR, TU, beide Wien.
(J. Mentschl)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 129f.
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