Vančura (Wančura), Josef (1870–1930), Jurist

Vančura (Wančura) Josef, Jurist. Geb. Lischau, Böhmen (Lišov, CZ), 21. 2. 1870; gest. Mariánské Lázně, Tschechoslowakei (CZ), 26. 5. 1930; röm.-kath. Sohn des Beamten Jozef V. und dessen Frau Alžběta V., geb. Pousta; verheiratet mit Rosa V., geb. Bezděková (geb. 1875). – V. besuchte das Gymn. in Budweis und stud. Rechtswiss. an der tschech. Univ. Prag; 1893 Dr. iur. I. d. F. absolv. er ein Rechtspraktikum, ehe er 1894 Konz. und 1899 Sekr. des Landes-Ausschusses wurde. 1898 habil. er sich mit der Schrift „Usucapio pro herede“ für röm. Recht, 1905 erfolgte die Ernennung zum ao. Prof., 1909 zum o. Prof. für dieses Fach an der tschech. Univ. 1910/11 sowie 1924/25 fungierte er als Dekan der jurid. Fak., 1926/27 als Rektor. V. arbeitete eng mit Leopold Heyrovský zusammen und wurde nach dessen Pensionierung (1922) Ordinarius für röm. Recht. Er war der einzige Prof. für dieses Fach in einer – hinsichtl. der Studentenzahlen – Blütezeit der jurid. Fak. Dies nahm ihn sehr in Anspruch, was zur Verschlechterung seines Gesundheitszustands führte. V. beantragte deshalb Ende des Wintersemesters 1928/29 die vorzeitige Pensionierung. Dank seiner Erfahrungen vermochte er in seinen anschaul. Vorlesungen die dogmat. Auslegung mit prakt. Beispielen aus dem jurid. Alltag zu illustrieren. V. veröff. ein neues Lehrbuch des röm. Rechts („Úvod do studia soukromého práva římského“, 2 Bde., 1923), das sich durch Klarheit und Verständlichkeit auszeichnete. Von dem Vorgängerwerk Heyrovskýs unterschied es sich in seiner Darlegung des röm. Prozessrechts, v. a. aber durch eine in mancher Hinsicht originelle systemat. Stoffaufbereitung. Er revidierte dabei auch die von Heyrovský geschaffene tschech. Rechtsterminol. V.s wiss. Tätigkeit kann in drei Themenbereiche untergliedert werden: Ersterer behandelte – etwa in seiner Habil.schrift – Fragen des ältesten röm. Rechts, insbes. der Wurzeln der röm. rechtl. Grundinst. Die umfangreichste Abh. V.s stellt seine 1908 hrsg. Stud. zum Agrarrecht der röm. Republik („Agrární právo římské republiky“) dar. Darin erklärt er schrittweise die mit der antiken röm. Landwirtschaft zusammenhängenden Rechtsinst. aus privat- sowie öff.-rechtl. Hinsicht, wobei er sich insbes. auf Pfandrecht, Precarium, Pacht sowie Besitzschutz konzentriert. Das Werk beinhaltet auch eine Übersicht über Grundsteuern, Maße und Grenzen. Eine weitere Abh. zu diesem Thema stellt der Artikel „Leges agrariae“ für „Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft“ (Bd. 12/1, 1924) dar. Weitere Beitrr. auf diesem Gebiet sind der Aufsatz „K historii římských kondicí“ (in: Sborník věd právních a státních 12, 1912), in dem er die Hypothese aufstellt, dass die alte legisactio per condictionem auch auf Fälle ungerechtfertigter Bereicherung anzuwenden war (ursprüngl. handelte es sich also um Klagen von Provinzialen gegen deren unehrl. Verwalter), sowie die Abh. „Nové nauky o nexum“ (ebd. 5, 1905). Ein weiteres Forschungsfeld V.s war das klass. Recht, man vgl. seine Analyse von Labeons Lehre über synallagmat. Verträge, die er in seinem Rektoratsvortrag „O nepojmenovaných kontraktech“ (in: Karlova univ. v Praze v roce 1925–26, 1926) darlegte, sowie die Abh. „Praelegát dle práva římského“, 1902. Das dritte Segment seiner wiss. Tätigkeit umfasst papyrolog. Stud. V. interessierten dabei insbes. Analogien zu den zeitgenöss. Rechtsinst. In diesen Bereich fallen die Arbeiten „Exekuční listiny dle práva papyrů“ (1915), „O knihách pozemkových v římském Egyptě“ (in: Sborník věd právních a státních 13, 1913) sowie „Papyri znějící majiteli a na řád“ (ebd. 4, 1903–04). In Letzterer versucht er Goldsmiths Theorie, dass verschiedene Formen von Wertpapieren (Inhaber- und Orderpapiere) bereits in der Antike bekannt waren, zu widerlegen. V. war Mitgl. zahlreicher wiss. Vereinigungen und Ges. (Česká akad. věd a umění, Královská česká společnost nauk) sowie öff. Gremien (ab 1902 Mitgl. des Kuratoriums und Verwaltungs-Ausschusses des Technolog. Ind.-Mus. der HGK in Prag, Geschäftsführer des Verwaltungsausschusses der Hlávka-Studentenwohnheime und Kurator der Jonák-Stiftung).

Weitere W.: Pandekty, 1914, 4. Aufl. 1922; Kritické poznámky k nauce o evikci při římském trhu, in: Sborník věd právních a státních 22, 1922; mehrere Lemmata im Ottův slovník naučný 19–27, 1902–08.
L.: Antol. české právní vědy, ed. P. Skřejpková – L. Soukup, 1993; Antol. československé právní vědy v meziválečném období (1918–38), ed. P. Skřejpková, 2009, S. 185ff.; Český biografický slovník XX. století 3, 1999; A. Šlechtová – J. Levora, Členové České akad. věd a umění 1890–1952, 2. Aufl. 2004; Národní archiv, Praha, Státní oblastní archiv v Třeboni, Třeboň, Státní oblastní archiv v Plzni, Plzeň, alle CZ.
(P. Skřejpková)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 174f.
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