Velenovský, Josef (1858–1949), Botaniker und Philosoph

Velenovský Josef, Botaniker und Philosoph. Geb. Čekanitz, Böhmen (Blatná-Čekanice, CZ), 22. 4. 1858; gest. Mnichowitz, Tschechoslowakei (Mnichovice, CZ), 7. 5. 1949. Sohn des Häuslers František V. und der Marie V., geb. Stařík, Onkel des akadem. Malers und Musikers Josef V. (1887–1967). – Nach Besuch des Gymn. in Pisek stud. V. 1878–83 Botanik und Phil. an der phil. Fak. der (tschech.) Univ. Prag, u. a. bei →Ladislav Čelakovský und Moritz Willkomm; 1884 Dr. phil. Bereits während des Stud. arbeitete er als Ass. im Nationalmus. (Národní muz.), wo er sich mit Phytopaläontol. befasste und die Flora der böhm. Kreide untersuchte. 1883 wurde er Ass. von Čelakovský am botan. Inst. der Univ.; 1885 Habil. für Botanik. 1892 ao., 1898 o. Prof. für systemat. Botanik, gründete V. das Inst. für Botanik und leitete den Botan. Garten. 1927 trat er i. d. R. Ab den späten 1880er-Jahren konzentrierte sich V. auf die Flora der Balkanhalbinsel. 1887–97 unternahm er mehrere Stud.reisen nach Bulgarien, eine davon gem. mit →Hermenegild Škorpil, der zu dem Kreis von Sammlern gehörte, die für V.s Herbar, das sich heute im Národní muz. in Prag befindet, Pflanzen zur Verfügung stellten. In seinem Hauptwerk „Flora Bulgarica“ (2 Bde., 1891–98) stellte V. fast 3.000 Pflanzen vor, ca. 160 davon beschrieb er neu. Später konzentrierte er sich auf bryolog. Forschungen in Böhmen und sammelte Moose, v. a. in der Umgebung von Prag. Die Ergebnisse dieser insbes. morpholog. Untersuchungen und die Beschreibung der Ausbreitung der verschiedenen Moosarten fasste er in den Arbeiten „Mechy české“ (in: Rozpravy České akad. císaře Františka Josefa pro vědy, slovesnost a umění 6, 1897) und „Játrovky české“ (ebd. 10–12, 1901–03) zusammen. Ab Beginn des 20. Jh. befasste er sich zudem intensiv mit Mykol. Diesbezügl. sind sein fünfbändiges Werk „České houby“ (1920–22) und die auf Latein. verf. „Monographia Discomycetum Bohemiae“ (2 Bde., 1934) erwähnenswert. Aus dem Bereich der Pflanzenmorphol. veröff. V. 1905–10 das dreibändige Werk „Srovnávací morfologie rostlin“, das auch in dt. Sprache als mehrbändige „Vergleichende Morphologie der Pflanzen“ (1905–10) erschien. Obwohl die dort dargestellten Entwicklungsformen der Pflanzenorgane inzwischen überholt sind, wird das Werk bis heute wegen seiner vielfältigen und vergleichenden Beobachtungen geschätzt. V. war ab 1886 ao., ab 1906 o. Mitgl. der kgl. böhm. Ges. der Wiss. in Prag sowie ab 1890 ao. und 1903–18 o. Mitgl. der Böhm. K. Franz Joseph-Akad. der Wiss., Literatur und Kunst und Ehrenmitgl. der Bulgar. Akad. der Wiss. Seine botan. Verdienste wurden mit der bulgar. Medaille für Wiss. und Kunst gewürdigt. Einige Pflanzentaxa tragen seinen Namen. Neben der Botanik interessierte sich V. für Phil. Durch das Stud. paranormaler Erscheinungen geriet er unter den Einfluss des Spiritualismus und Okkultismus. Er glaubte an Seelenwanderung und an die Möglichkeit der Kommunikation mit den Seelen Verstorbener. Seine Überlegungen veröff. er in seinem Buch „Přírodní filosofie“ (2 Bde., 1921–22). Als Grundpfeiler seiner Naturphil. verstand er Materie, Geist und Äther. Den Darwinismus akzeptierte V. nur mit Vorbehalten; gegenüber der Evolutionstheorie stellte er etwa 20 neue Prinzipien auf, wie das Prinzip organ. Harmonie, wobei es um die gegenseitige Unterstützung von Lebewesen ging. Der bekennende Antisemit V. vertrat in gesellschaftl. und polit. Hinsicht konservative Positionen, etwa lehnte er sowohl Kommunismus als auch Frauenemanzipation entschieden ab.

Weitere W. (s. auch Pavličíková): Beitrr. zur Kenntnis der bulgar. Flora, 1886; Flora cretacea Bohemiae, 4 Bde., 1926–31; Literární studie, 1932; Poslední moudrost čili Nauka o kosmickém duchovnu, 1935 (dt.: Die letzte Weisheit oder die Lehre vom geistigen Kosmos, 1937).
L.: V. Maiwald, Geschichte der Botanik in Böhmen, 1904, s. Reg.; J. Král, Československá filosofie, 1937, S. 70; K. Cejp, in: Svobodné noviny 95, 1948, S. 3 (m. B.); A. Pilát, in: Lidové noviny 109, 1949, S. 3; K. Cejp, in: Česká mykologie 12, 1958, S. 129ff.; M. Franc, in: Semináře a stud. Výzkumného centra pro dějiny vědy z let 2002–03, 2003, S. 105ff.; ders., in: Slovanství a věda v 19. a 20. století, 2005, S. 41ff.; H. Pavličíková, J. V., 2008 (m. B. u. W.); J. Janko, in: Práce z dějin Akad. věd 1, 2009, S. 83ff.; P. Křivka, in: Phytologia balcanica 16, 2010, S. 313ff. (m. B.).
(M. Makariusová)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 221f.
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