Vetsera, Maria Alexandrine (Mary) Freiin von (1871–1889), Private

Vetsera Maria Alexandrine (Mary) Freiin von, Private. Geb. Wien, 19. 3. 1871; gest. Mayerling (NÖ), 30. 1. 1889 (begraben: Heiligenkreuz, NÖ); röm.-kath. Tochter von →Albin Frh. v. V. und →Helene Freifrau v. V., Schwester von Ladislaus (Lazi) Frh. v. V. (geb. Paris, F, Jänner 1865; gest. Wien, 18. 12. 1881) und Franz Albin (Feri) V. (geb. 29. 11. 1872; gest. 22. 10. 1915; begraben: Payerbach), Cousine des Dirigenten und Dir. der Wr. Staatsoper Clemens Krauss (geb. Wien, 31. 3. 1893; gest. Mexiko-Stadt/Ciudad de México, MEX, 16. 5. 1954). – Als Kind wohlhabender Eltern, deren Familienvermögen dem mütterl. Erbe entsprang, hatte V. väterlicherseits slaw. und dt. Wurzeln, mütterlicherseits italien., griech. und engl. Die Kindheit verbrachte sie bei ihrer ehrgeizig in die hochadelige Ges. strebenden Mutter, während der Vater zumeist im Ausland tätig war. Ihre für höhere Töchter übl. Bildung erhielt V. zuerst bei Hauslehrern. Engl. war die Umgangssprache der Eltern. Ab 1882 besuchte V. für etwa eineinhalb Jahre die Klosterschule der Salesianerinnen in Wien 3, ein Erziehungsinst. für adelige Mädchen mit gutem Ruf. Danach genoss sie keine regelmäßige Schulbildung mehr, vielmehr wurde sie von Privatlehrern in den schönen Künsten (Zeichnen, Malen, Klavierspiel, Gesang), in gesellschaftl. Umgangsformen und der Führung eines Haushalts unterwiesen. Nach dem Tod ihres Vaters wurde der Bruder der Mutter, Alexander Baltazzi, zum Vormund aller vier Kinder bestellt. V. wurde bald zu einem fixen Bestandteil des Wr. obersten Ges.lebens, wie ab 1884 regelmäßige Erwähnungen in Z. wie dem „Wiener Salonblatt“ belegen. Im Februar 1886 wurde sie offiziell durch einen großen Ball im Hause V. in die Aristokratie eingeführt. Es ist nicht gesichert, wann genau V. und Kronprinz →Rudolf sich kennenlernten, aber wahrscheinl. (laut einer verschlüsselten Kal.notiz V.s) dürfte dies im April 1888 während eines Pferderennens in der Wr. Freudenau gewesen sein. V. begeisterte sich bereits davor für den Kronprinzen, las Z.artikel über ihn und sammelte Photos. Nachdem V. gem. mit Mutter und Schwester den Sommer 1888 mit Reisen durch England, Frankreich und Dtld. verbracht hatte, sandte sie im September desselben Jahres einen nicht mehr erhaltenen Brief an Rudolf mit dem Vorschlag zu einem persönl. Treffen, das im November 1888 in der Wr. Hofburg stattfand und wie die zahlreichen weiteren von V.s Freundin und Nichte der Kn. Marie Louise Gfn. Larisch v. Moennich arrangiert wurde. Das letzte fand in Rudolfs Jagdschloss in Mayerling statt, wo die beiden aus dem Leben schieden. V.s Abschiedsbrief an ihre Mutter zufolge fühle sie sich glücklicher im Tod als im Leben. Es kann heute als gesichert gelten, dass Kronprinz Rudolf in den Morgenstunden des 30. Jänner 1889 zuerst V. und danach sich selbst erschoss. V. wurde am Morgen des übernächsten Tags auf dem Ortsfriedhof in Heiligenkreuz im Wienerwald bestattet. Ihre Totenruhe wurde bis in die 1990er-Jahre mehrmals gestört. Nach einer Umbettung in eine neue, auf Veranlassung ihrer Mutter gebaute Gruft im Mai 1889 wurde ihr Sarg im Frühjahr 1945 von Soldaten der Roten Armee aufgebrochen; 1959 erfolgte eine weitere Umbettung. Medial weit beachtet wurde der „Grabraub“ im Sommer 1992, als der Linzer Möbelhändler Helmut Flatzelsteiner die sterbl. Überreste V.s ohne Genehmigung exhumierte und danach von Experten untersuchen ließ. Nach Sicherstellung des Leichnams durch die Polizei fand 1993 eine weitere Bestattung statt. Ein Teilnachlass der Familie V. befindet sich in der Österr. Nationalbibl. in Wien.

L.: Frankfurter Allg. Ztg., 20. 6. 2016 (m. B.); Czeike; H. Vetsera, Das Drama von Mayerling, 1921 (m. B.); B. Hamann, Rudolf, Kronprinz und Rebell, 1978, s. Reg. (m. B.); H. Switsun, M. V. Gefährtin für den Tod, 1999; F. Weissensteiner, Frauen um Kronprinz Rudolf. Von Kn. Elisabeth zu M. V., 2004; G. Markus – K. Unterreiner, Das Original-Mayerling-Protokoll der H. V.: „Gerechtigkeit für Mary“, 2014, passim, bes. S. 13ff.; R. R. Novak, Das Mayerling-Netz, 2015, passim, bes. S. 154ff. (m. B.); M. Lindinger, Sonderlinge, Außenseiter, Femmes fatales. Das „andere“ Wien um 1900, 2015, S. 186ff. (m. B.); Website Gmd. Heiligenkreuz (Zugriff 17. 6. 2016).
(K. Bergmann-Pfleger)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 258f.
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