Villani, Karl Maria (Karel Drahotín) Frh. (1818–1883), Politiker und Schriftsteller

Villani Karl Maria (Karel Drahotín) Frh., Politiker und Schriftsteller. Geb. Schüttenhofen, Böhmen (Sušice, CZ), 23. 1. 1818; gest. Střižkov, Böhmen (Struhařov u Benešova, CZ), 24. 3. 1883. V. entstammte einer alten Adelsfamilie aus Perugia, die seit 1642 das Inkolat in Böhmen besaß. Ab 1845 mit Mathilde V., Tochter des Zuckerfabrikanten Herz, verheiratet. – Zunächst privat unterrichtet, besuchte V. die Normalschule in Budweis, trat 1830 in die Wr. Neustädter Militärakad. ein und kam 1838 als Fähnrich zum IR Nr. 36. 1842 Lt., war er in Prag und Časlau stationiert. Aus Protest gegen die Niederschlagung des galiz. Bauernaufstands 1846 schied V. aus dem Militär aus, trat i. d. R. und erwarb das Gut Střižkov bei Beneschau. Als Anhänger der tschech. Nationalbewegung beteiligte er sich als Kmdt. der Bürgerwehr Svornost an der Revolution 1848/49. Nach dem Prager Pfingstaufstand verhaftet, wurde er nach zwei Monaten mangels Beweisen freigesprochen, stand jedoch weiter unter polizeil. Beobachtung. 1850 wurde V., der 1865–70 als Bgm. von Beneschau wirkte, in den Prager Gmd.rat, 1865 und 1867 zum Abg. der alttschech. Partei in den böhm. LT und 1870 in den RR gewählt, übte letztere Funktionen wegen seiner Zugehörigkeit zu den sog. Deklaranten jedoch nicht aus. Im April 1867 nahm er als Gegner des Dualismus an der Reise der tschech. polit. und kulturellen Elite (u. a. →František Palacký, →František Ladislav Frh. v. Rieger, →Franz August Brauner, →Karl Jaromir Erben) nach Moskau teil („Moskauer Pilgerfahrt“), die ein Versuch war, den österr.-ung. Dualismus zu einer internationalen Angelegenheit zu machen, und unterstützte die polit. Protestbewegung im Bez. Beneschau-Wlaschim. 1874 psych. erkrankt, lebte er fortan zurückgezogen. V., der sich dem K.haus gegenüber loyal verhielt, ist Autor mehrerer Ged. zu den Themenbereichen Militär, Patriotismus sowie Liebe und stilisierte sich zu einem (potenziellen) Kriegshelden und patriot. Verehrer tschech. Frauen. Seine Dichtungen wirkten schon zu seinen Lebzeiten dilettant. und wurden von der Kritik abgelehnt. Eine gewisse Anerkennung fanden einige jedoch wegen V.s gesellschaftl. Position als einer der wenigen tschech.-gesinnten Adeligen seiner Zeit und wurden vertont (u. a. von →Alois Jelen und →František Pivoda). Am Rande seines Schaffens sind Versuche in den Genres Libretto und Drama zu nennen. V. galt als Mäzen zahlreicher junger Schriftsteller, etwa von →Josef Jiří Kolár und →Emanuel Miřijovský (Miřiovský).

Weitere W. (s. auch Honner): Spisy D. M. barona V., 1862; Vorwort zur nationalen Versöhnung und staatsrechtl. Verständigung, 1879. – Nachlass: Literární archiv PNP, Praha, CZ.
L.: Bohemia, Národní listy (Abendausg.), Prager Abendbl., 27., Pražský denník, 28. 3. 1883; LČL; Otto; Rieger; Svoboda; Wurzbach; E. Miřiovský, in: Lumír 11, 1882/83, S. 191; F. Čenský, in: Osvěta 13, 1883, S. 451ff.; Světozor 17, 1883, S. 164, 415 (m. B.); K. M. baron V., ed. J. Honner, 1934 (m. B. u. W.); J. Prokeš, in: Časopis Národního mus. 108, 1934, S. 61ff., 224ff.; A. Berndorf-Nepomucký, in: Jihočeský sborník historický 17, 1948, S. 64ff.; E. Renner, Sborník vlastivědných prací z Podblanicka 6, 1965, S. 141ff.; R. Melville, Adel und Revolution in Böhmen, 1998, s. Reg.; J. Tovačovský, in: Heraldika a genealogie 24, 2001, S. 213ff.
(V. Petrbok)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 283f.
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