Vogel, Sebestyén Antal (1779–1837), Tischler, Unternehmer und Fabrikant

Vogel Sebestyén Antal, Tischler, Unternehmer und Fabrikant. Geb. Pest (Budapest, H), 1779 (?); gest. Budapest (H), 14. 6. 1837. V.s Familie stammte ursprüngl. aus Sachsen. Sohn des Tischlers Franz V., Pester Bürger ab 1775 (gest. um 1785), dessen Witwe 1786 den Tischler Anton Kerner aus OÖ (ab 1786 Mitgl. der Pester Tischlerzunft) heiratete; ab 1817 mit Lotte Schwachhoffer, der Tochter des Pester Apothekers Ignaz Schwachhoffer, verheiratet. – V. begab sich nach den Lehrjahren auf eine dreijährige Wanderschaft, wobei er sich u. a. in Wien aufhielt, wo er wichtige Kontakte knüpfen konnte. 1798 kehrte er nach Ungarn zurück, beantragte den Meisterbrief, den er allerdings erst 1801 erhielt, und arbeitete zwischenzeitl. in der Werkstatt seines Stiefvaters; 1804 Meister- und Bürgerrecht. 1802 bzw. 1804 reichte er mit Kerner – mit der Begründung, ein Verkauf ihrer Möbel würde für Ungarn einen großen wirtschaftl. Profit bringen – ein Gesuch für ein gem. Privileg (Großhandel, Handelsdepots in den kgl. Freistädten etc.) ein. Weiters plante er die Ausfuhr nach Siebenbürgen, in die Walachei, nach Galizien und Russland und betonte den zusätzl. Nutzen durch die Verbreitung der verschiedenen ung. Holzarten, welche zum Aufschwung eines neuen Handelszweigs beitragen könnten. 1803 stellte er 18 verzierte Tische für das Münzkabinett der Ferenc-Széchényi-Bibl. her. 1806 erhielten V. und Kerner den Titel „Kerner und Vogel priv. Mobilien Fabrikanten in Pest“. Die erste Niederlassung und Werkstatt der Fabrik war in Theresienstadt (Pest), Depots wurden in verschiedenen Stadtteilen wie auch außerhalb der Stadt (Debrezin, 1807–35, Temeswar, 1807–24, Großwardein, 1809–15, Szegedin, 1813, Kaschau, 1815) angelegt. Bereits 1810 hatte sich die Fa. derart etabliert, dass sie hinsichtl. Größe und Zahl der Mitarb. in Ungarn konkurrenzlos war. Während der napoleon. Kriege nahmen die Aufträge zu, sodass 1816 130 Meister und Arbeiter unter V.s Leitung tätig waren. Ab Beginn der 1810er-Jahre erhielt er die ersten staatl. und lokalen Aufträge, so 1811 für die Möbeltischler- und Tapezierarbeiten des Dt. Theaters in Pest. Zu seinen frühen Arbeiten zählen die Kanzel der ref. Kirche Nagytemplom in Debrezin (1817, nach Samuel Kiss) sowie das Gestühl der röm.-kath. Kirche in Kiskundorozsma (1805–06). 1826 verlegte V. seine Fabrik und das Depot in sein wahrscheinl. nach Plänen →Mihály Pollacks neu erbautes Haus, in dem sich auch das von →István Gf. Széchenyi v. Sárvár u. Felsővidék gegr. National Casino (Nemzeti Kaszinó) befand, für das er die Einrichtung fertigte. Sein Angebot ergänzte er durch die Erzeugung von Fortepianos (ab 1807), Spiegeln (1826) und sog. Nürnberger Waren (Beschläge, Schüsseln etc.). 1831 erhielt er den Auftrag für die Möblierung des neu gebauten Pester Redouten-Saals (Einrichtung des Kaffeehauses, des Spielsaals, der Garderobe und Mobiliar des Orchesters) und errichtete sich von den Einnahmen 1833 sein zweites Haus (Pläne Pollack). Für die Trauerzeremonie aus Anlass des Todes von K. →Franz I. (II.) schuf er, gem. mit seinen Partnern Pollack, Joseph Karl Schöft und Joseph Spiegl, den riesigen Katafalk. Neu war, dass in der Werkstatt neben Zunftmitgl. auch viele Vertreter des sog. Freigewerbes, die Produkte außerhalb des Tätigkeitsfelds der Zunft herstellten, für die Fa. Kerner und V. als Zulieferer arbeiteten, was die Produktivität und Flexibilität steigerte. Weiters erkannte er die veränderten Markterfordernisse (neue Mode der städt. Wohnungseinrichtungen mit einheitl. Möblierung) der privaten Auftraggeber (so etwa Meublement für Joseph Reymeier, Fischermeister in Ofen, und für Stadtrat Stefan Staffenberger, 1828–29). Einige dieser Einrichtungen befinden sich im Kiscelli Múz. (Budapest). Den Stil seiner Möbel bestimmten die Wr. Variation des ägyptisierenden französ. Empires, das Wr. Biedermeier sowie Einflüsse der engl. Möbelkunst (Hepplewhite, Sheraton). Ab den 1820er-Jahren machte sich ein schlichterer Stil bemerkbar und V. verwendete in seinen Werken flache Pilaster und nur fein markierte Gliederungen. Von seinen Arbeiten sind wenige erhalten geblieben. Die Größe und Bedeutung seines Unternehmens im ersten Drittel des 19. Jh. kommt jener von Joseph Ulrich Danhauser in Wien gleich. V. starb unter rätselhaften Umständen in einem Theresienstädter Freudenhaus.

L.: L. Siklóssy, in: Magyar Iparművészet 25, 1922, S. 9ff.; P. Voit, in: Tanulmányok Budapest Múltjából 7, 1939, S. 50f., 55; H. Szabolcsi, Régi magyar bútorok 1, 1954, S. 42, 44; M. Zlinszky-Sternegg, in: Művészettörténeti Dokumentációs Központ Évkönyve 1954–55, 1957, S. 153ff.; H. Szabolcsi, Magyarországi bútorművészet a 18–19. század fordulóján, 1972, S. 97, 104, 125; M. Zlinszky-Sternegg, in: III. Nemzetközi Kézművesipartörténeti Konferencia, ed. I. Éri u. a., 1979, S. 223ff.; K. Dóka, A pest-budai céhes ipar válsága (1840–72), 1979, S. 61; H. Szabolcsi, in: Ars Hungarica 10, 1982/2, S. 179ff.; P. Rostás, in: Der feine Unterschied. Biedermeiermöbel Europas 1815–35, ed. H. Zinnkann, Frankfurt am Main 2007, S. 63ff. (Kat.); ders., Empire és biedermeier bútorművészet Magyarországon, 2012, S. 42ff.; ders., Bútorművészet Magyarországon 1800–50, Budapest 2012, S. 21ff., 33ff., 44ff., 56f., 70ff. (Kat.); ders., in: Motherland and Progress. Hungarian Architecture and Design 1800–1900, ed. J. Sisa, 2016, s. Reg.
(G. Gy. Papp)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 318f.
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