Voigtländer, Friedrich Wilhelm (Wilhelm Friedrich) Ritter von (1846–1924), Optiker, Mechaniker und Industrieller

Voigtländer Friedrich Wilhelm (Wilhelm Friedrich) Ritter von, Optiker, Mechaniker und Industrieller. Geb. Wien, 7. 3. 1846; gest. Braunschweig, Dt. Reich (D), 1. 12. 1924; evang. AB. Enkel von →Johann Friedrich V., Sohn von →Peter Wilhelm Friedrich Ritter v. V., Stiefbruder des Physikers, Mathematikers und Komponisten Hans Sommer, eigentl. Hans Zincke(n) (geb. Braunschweig, 20. 7. 1837; gest. ebd., 26. 4. 1922). – Nach dem Besuch des Realgymn. (1856–62) absolv. V. eine Ausbildung zum Optiker und Mechaniker im väterl. Unternehmen. Parallel dazu erwarb er theoret. Kenntnisse im Fachgebiet Optik als Gasthörer am Collegium Carolinum in Braunschweig; gleichzeitig wurde er von Hans Sommer in mathemat.-dioptr. Fragen geschult. Um 1866 erlernte er bei dem Mikroskopbauer Edmund Harnack in Paris das Feinmechanikerhandwerk und vertiefte sein theoret. Wissen. Sein Eintritt in das väterl. Unternehmen erfolgte 1867, zuvor hatte er Praxiserfahrung in Agenturen, u. a. in Berlin und London, gesammelt. 1876 übertrug Peter Wilhelm Friedrich V. die Leitung des Unternehmens, das seit 1849 seinen Sitz in Braunschweig hatte, auf ihn. Vorausgegangen waren harte Auseinandersetzungen über den produktpolit. Konservativismus und die innovationsfeindl. Produktstrategie des Vaters. Die innerbetriebl. Macht- und Leitungsverhältnisse wurden erst im Sinne V.s entschieden, als dieser damit drohte, das Unternehmen zu verlassen und einen eigenen Betrieb zu gründen. Darüber hinaus wurde er testamentar. gegenüber seinen Geschwistern begünstigt, indem diese nur für die Dauer von zehn Jahren nach Antreten des Erbes an den Erträgen des Unternehmens beteiligt werden sollten. Durch die Einführung der von Sommer errechneten Euryskop-Ser. (ab 1878) konnten nach dem Tod Peter Wilhelm Friedrich V.s Marktanteile bei Fach- und Amateurphotographen gewonnen werden. Allerdings lehnte es V. mit Blick auf seine uneingeschränkte Position als Unternehmensleiter ab, seinen Stiefbruder weiterhin einzubeziehen und dadurch dessen Potential im Bereich Forschung und Entwicklung zu nutzen. Die Rückkehr des Unternehmens in die Spitzengruppe der opt. Anstalten blieb davon allerdings unberührt und war auch kommerziell erfolgreich: Zwischen 1878 und 1884 stieg der Reingewinn um den Faktor drei und übertraf regelmäßig die Erwartungen, die man Mitte der 1870er-Jahre an die zukünftige Entwicklung des Betriebs gelegt hatte. Auf Veränderungen im Unternehmensumfeld reagierte V. schnell. 1887 etablierte er eine Forschungsabt., um die Vorzüge der vom Glaswerk Schott in Jena produzierten neuen opt. Gläser nutzen zu können, wahrte durch eine umsichtige Lizenzpolitik sowie Neuentwicklungen wie dem anastigmat. Objektiv „Kollinear“ (1894) Anschluss an die technolog. führenden Konkurrenzunternehmen Carl Zeiss in Jena sowie C. P. Goerz in Berlin und beeindruckte die Fachwelt durch Neuentwicklungen im Marktsegment der Fernrohre. Gleichzeitig bemühte er sich um Aufträge auf dem lukrativen Rüstungsmarkt. 1897 gründete V. als Antwort auf polit. induzierte Veränderungen in den Handelsbeziehungen und den steigenden inländ. Wettbewerbsdruck die Voigtlaender & Son Optical Company in New York. 1898 wurde das Braunschweiger Unternehmen in eine AG überführt, um in einem schärfer werdenden Wettbewerbsumfeld bestehen zu können. Bis zu seinem Tod war V. als Vors. des Aufsichtsrats im Unternehmen tätig. Für seine Verdienste wurden ihm zahlreiche Ehrungen zuteil, u. a. war er Ehrenmitgl. der belg. Ges. für Photographie (1879), Ehrenmitgl. der Photograph. Ges. in Wien (1886), Mitgl. des Curatoren-Collegiums des Gauß-Stipendiums der TH Braunschweig (1889), Herzogl. Braunschweig. Kommerzienrat (1904).

L.: H. Harting, Zur Geschichte der Familie V., ihrer Werkstätten und ihrer Mitarb., 1925 (m. B.); M. v. Rohr, in: Z. für Instrumentenkde. 45, 1925, S. 436ff., 470ff.; Voigtländer Post, 1956, Sondernr. (m. B.); I. Erdmann, in: Tradition. Z. für Fa.geschichte und Unternehmerbiographie 7, 1962, H. 1 und 4 (m. B.); C. Grabenhorst, Voigtländer & Sohn. Die Fa.geschichte von 1756 bis 1914, 2002 (m. B.); Pfarre St. Stephan, Wien; Mitt. Irene Nawrocka, Wien.
(C. Grabenhorst)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 69, 2018), S. 331f.
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