Voigtländer, Johann Friedrich (1778–1857), Optiker und Mechaniker

Voigtländer Johann Friedrich, Optiker und Mechaniker. Geb. Wien, 21. 5. 1778; gest. ebd., 27. 3. 1857; evang. AB. Sohn des Tischlers und Instrumentenmachers Johann Christoph V. (geb. Leipzig, Sachsen/D, 19. 11. 1732; gest. Wien, 27. 6. 1797), der 1756 in Wien eine Werkstatt eröffnet und schnell den Ruf eines führenden Konstrukteurs mechan., mathemat. sowie geodät. Instrumente wie Nivelliergeräte, Astrolabien, Kompasse und Pantographen erworben hatte, und der Marie Magdalena V., geb. Wölffl (1743–1806), Bruder von Christian Wilhelm V. (1768–1828) und Johann Siegmund V. (1769–1822), Vater von →Peter Wilhelm Friedrich Ritter v. V. und Großvater von →Friedrich Ritter v. V.; ab 1807 verheiratet mit Franziska Amalie V., geb. Tiedemann (geb. 22. 10. 1780; gest. 7. 8. 1861), der Tochter des Stuttgarter Optikers Johann Heinrich Tiedemann. – V. erlernte das Mechanikerhandwerk in der Werkstätte seines Vaters. Nach Beendigung seiner Lehrzeit war V. zunächst als Geselle im väterl. Betrieb tätig, den er nach dem Tod des Vaters gem. mit seinen Brüdern führte. Um 1800 ging er auf Wanderschaft und erweiterte seine exzellenten Fachkenntnisse bei Handwerksmeistern in Berlin (1801) und Stuttgart (1802/03), wo der Hofoptikus und Hofmechanikus Stiftsmesser Johann Heinrich Tiedemann sein Interesse für Fragen der Optik weckte. 1805 reiste V. nach London, eignete sich dort Kenntnisse in einer in Kontinentaleuropa unübl., rationellen Technik des Schleifens von opt. Linsen an und lernte das sog. single eye glass kennen. 1806 kehrte er nach Wien zurück und eröffnete 1807 die Fa. Friedrich Voigtländer, Optikus und Mechanikus. Familiär vermittelte berufl. Kenntnisse und Sozialbeziehungen, der Transfer und die Adaption engl. Technol. sowie die punktuelle Kooperation mit wiss. Beratern wie →Simon Stampfer waren zentrale Faktoren von V.s unternehmer. Erfolg. Das Produktprogramm bestand zunächst – ganz der väterl. Tradition folgend – aus hochwertigen feinmechan. Artikeln wie Kupferstechermaschinen, Feinheits- und Kraftmessern für Wollfäden sowie Reißzeugen und Horizontalwaagen. Die Fertigung eines Komparators für Strichmaße (Wr. Urklafter) 1813 festigte seinen Ruf als führende feinmechan. Werkstätte Wiens. 1814/15 begann V. mit der Umsetzung des in England erworbenen Know-hows: 1815 wurde der Ringstecher auf den Markt gebracht, gleichzeitig sicherte sich V. durch ein Privileg zum Schleifen und den Absatz von periskop. Brillen einen zentralen Wettbewerbsvorteil auf einem Teilmarkt, den er durch die Fertigung hochwertig ausgestatteter Brillen selbst geschaffen hatte (zuvor galten Sehhilfen als nicht gesellschaftswürdig). Mit Produktinnovationen wie dem 1823 patentierten doppelten Theaterperspectiv galiläischer Bauart und den in Kooperation mit Stampfer entwickelten achromat. Zugfernrohren stellte V. seine Bedeutung als Begründer, führender Protagonist und Anreger der einflussreichen Wr. Optik, zu der auch sein ehemaliger Lehrling und Geselle →Simon Plössl zählte, wiederholt unter Beweis. 1837 beteiligte er seinen Sohn Peter Wilhelm Friedrich an dem Unternehmen und zog sich aus der Leitungsposition zurück. Seine Leistungen als Optiker wurden von krit. Beobachtern wie Carl Friedrich Gauß hoch geschätzt. 1835 wurde V. vom Nö. Gewerbever. die Silbermedaille verliehen, 1843 folgte die Berufung als Komiteemitgl. in die Abt. Mechanik.

L.: H. Harting, Zur Geschichte der Familie V., ihrer Werkstätten und ihrer Mitarb., 1925 (m. B.); M. v. Rohr, in: Z. für Instrumentenkde. 45, 1925, S. 436ff., 470ff.; I. Erdmann, in: Tradition. Z. für Fa.geschichte und Unternehmerbiographie 7, 1962, H. 1 und 4 (m. B.); C. Grabenhorst, Voigtländer & Sohn. Die Fa.geschichte von 1756 bis 1914, 2002 (m. B.); evang. Pfarre AB Wien-Innere Stadt; Mitt. Irene Nawrocka, Wien.
(C. Grabenhorst)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 69, 2018), S. 332
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