Vučetić (Vucetich), Ivan (Giovanni, Juan) (1858–1925), Erfinder, forensischer Anthropologe, Statistiker und Musiker

Vučetić (Vucetich) Ivan (Giovanni, Juan), Erfinder, forens. Anthropologe, Statistiker und Musiker. Geb. Lesina, Dalmatien (Hvar, HR), 20. 7. 1858; gest. Dolores (AG), 25. 1. 1925; röm.-kath. Sohn des Fassbinders Viktor V. und der Vincenza V., geb. Covacevich (Kovačević); in 1. Ehe mit Delisa Damiani (gest. 1888), in 2. Ehe mit Lola Etcheverry (gest. 1903), in 3. Ehe (ab 1907) mit María Cristina Flores verheiratet. – V. erlernte das Handwerk seines Vaters. Er scheint keine Schule besucht zu haben, sondern von einem Franziskanermönch alphabetisiert sowie in Italien. und Musik unterrichtet worden zu sein. Vermutl. 1884 wanderte er – nach Ableistung seines Militärdienstes – nach Argentinien aus, wo er bis 1888 Angestellter der Argentin. Wasserwerke Obras Sanitarias de la Nación in Buenos Aires war. Danach übersiedelte er nach La Plata, trat dort im selben Jahr als Volontär in die Prov.polizei ein und wurde 1890 Leiter der Statistikabt. 1891 gründete er die Z. „Boletín Mensual de la Estadística“, in der er für die Anwendung der Anthropometrie eintrat, insbes. der Identifizierung durch Fingerabdrücke. Auf Betreiben des dortigen Polizeichefs wurde er mit der Einführung anthropometr. Methoden nach Alphonse Bertillon betraut. V. entwickelte aber ein eigenes System auf Grundlage der Klassifizierung Francis Galtons in drei Grundtypen (Bogen, Schleife, Wirbel), dem er noch die Anzahl der Papillarlinien hinzufügte. Damit gelang V. die prakt. Umsetzung der Prinzipien Galtons, etwa gleichzeitig mit der Verwendung von Fingerabdrücken zur Identifizierung durch den brit. Vizegouverneur von Bengalen, Edward Henry. V. unterschied in seinem zunächst Icnofalangometría genannten System 101 Typen und entwarf auch eine Vorlage zur Abnahme von Abdrücken für Fingerabdruckskarteien für die 1891 gegr. Oficina de Identificación Antropométrica de la Capital (La Plata). 1892 wurde in Necochea in der Prov. Buenos Aires erstmals ein Mord mit Hilfe dieser Methode aufgeklärt. V.’ System war danach lange Zeit als argentin. Methode oder Vucetichismo bekannt. 1893 nahm die Prov.regierung Buenos Aires die Fingerabdruckanalyse offiziell in ihr Rechtswesen auf und V. veröff. seine Erkenntnisse unter dem Titel „Instrucciones generales para el sistema de filiación, Provincia de Buenos Aires’“. Er reduzierte sein System auf vier Grundtypen, die er mit Buchstaben und Zahlen bezeichnete. Auf Anraten von →Franz Latzina benannte er es 1894 in Daktyloskopie um. Im selben Jahr wurde die Oficina geschlossen, jedoch eine Forschungsbibl. in La Plata gegr. und V. erhielt einen Preis der Prov.versmlg. 1896 gründete er ein Büro für Statistik und Identifikation in La Plata. Im selben Jahr führte Argentinien ein Nationales Bürgerreg. mit Fingerabdrücken ein. Im Gefolge des II. Congreso Científico Latinoamericano in Montevideo 1901 entstanden ähnl. Büros in mehreren lateinamerikan. Ländern. 1901–03 wurde die Daktyloskopie zudem in England, Brasilien, Chile, Österr.-Ungarn und Dtld. eingeführt. 1904 legte V. seine Methode in „Dactiloscopía comparada“ umfassend dar. Der Nationalkongress verlieh ihm eine zehnjährige Pension. 1911–13 arbeitete V. für die argentin. Regierung, die die Abnahme von Fingerabdrücken bei der Musterung von Rekruten einführte. 1912 unternahm er eine Weltreise, um die Schrift „La dactiloscopia y su aplicación internacional“ vorzustellen, ausländ. Rechtssysteme zu stud. und eine internationale Ges. für Identifikation zu gründen. 1916 wurde die Daktyloskopie in der Prov. Buenos Aires offiziell als Identifizierungssystem für ein allg. Identifikationsreg. eingeführt, 1917 aber wegen öff. Proteste wieder aufgehoben, woraufhin sich V. aus der Öffentlichkeit zurückzog. 1924 stiftete er der rechts- und sozialwiss. Fak. der Univ. La Plata umfangreiches Forschungsmaterial, auf dessen Basis im selben Jahr in La Plata das Mus. Policial de la provincia de Buenos Aires eingerichtet wurde, das bis heute die Fingerabdruckkartei V.’ aufbewahrt. V. betätigte sich zudem musikal. Er soll schon in Pola und Lesina als Orchestermusiker gewirkt haben. Später gründete er ein Polizeiorchester in La Plata und komponierte Mazurkas („Ayes de un alma“), Walzer („Rio del Danubio“), Polkas („Siempre pensando a ti“), aber auch geistl. Musik (Antiphon „Jardin cerrado – Hortus Conclusus“). Nach ihm wurde u. a. eine Polizeischule in Argentinien und ein kriminolog. Inst. in Kroatien benannt.

L.: Nuevo Diccionario Biográfico Argentino 7, 1985; I. V. 1858–1925, red. V. Kukavica, Hvar – Opatija – Pula – Split – Trieste – Zagreb 2008 (Kat., m. B.); M. García Ferrari, in: Identification and Registration Practices in Transnational Perspective, ed. J. Brown u. a., 2013, S. 44ff.; Hrvatski biografski leks. (nur online, Zugriff 14. 11. 2017).
(W. Fischer-Nebmaier)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 69, 2018), S. 364f.
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