Waerndorfer (Warndof), Fritz (Friedrich, Frederick, Fred); bis 1902 Wärndorfer (1868–1939), Mäzen und Unternehmer

Waerndorfer (Warndof) Fritz (Friedrich, Frederick, Fred), bis 1902 Wärndorfer, Mäzen und Unternehmer. Geb. Wien, 5. 5. 1868; gest. Bryn Mawr, PA (USA), 9. 8. 1939; bis 1894 mos., dann evang. HB, 1895–1902 erneut mos., dann evang. AB. Sohn des Textilfabrikanten Samuel Wärndorfer (geb. 4. 2. 1842; gest. Gastein/Bad Gastein, Sbg., 10. 7. 1912) und von Bertha Wärndorfer, geb. Neumann (1844–1921), Neffe von →Isidor Mautner, Bruder von →August W., Vater von Helene W., verehel. Bunzl (1897–1938), Carl Richard W. (später Charles Richard Warndof; 1899–1983) und Herbert Gustav W. (1905–1924); 1896–1930 mit der Autorin und Übersetzerin Lilli (Lilly) Jeanette W., geb. Hellmann (geb. Wien, 29. 9. 1874; gest. Nyack, NY, USA, 1952), der Tochter des Prager Fabrikanten Bernhard Hellmann, ab 1931 mit der Pianistin und Komponistin Fiona McCleary (1900–1986), die er 1928 kennengelernt hatte, verheiratet. – Nach Absolv. des Akadem. Gymn. leistete W. 1888–89 Militärdienst. Im folgenden Jahr lebte er in England und begann Kunstgegenstände zu sammeln. 1895 erhielt er eine Anstellung in der Baumwollspinnerei Wärndorfer – Benedict – Mautner in Nachod, in der er 1897 Ges. wurde. Bes. Bedeutung erlangte er als Mäzen der Wr. Secession und Förderer junger Künstler: So erwarb er Arbeiten von →Gustav Klimt (u. a. „Pallas Athene“, „Die Hoffnung I“), Graphiken und Skulpturen von Georg Minne sowie Graphiken von →Koloman (Kolo) Moser und Marcus Behmer. Weiters beauftragte er 1902 den Architekten Josef Hoffmann, Moser und den schott. Architekten Charles Rennie Mackintosh sowie dessen Frau, die Designerin Margaret Macdonald, mit der Renovierung und Neugestaltung seines Hauses in Wien-Währing. 1908 engagierte er Oskar Kokoschka als Kunstlehrer seiner Kinder, außerdem ermutigte er den jungen Künstler, dessen erstes, bahnbrechendes Kinderbuch „Die träumenden Knaben“ (1908) zu verf. Ebenso finanzierte W. 1903 die Gründung der Produktivgenossenschaft von Kunsthandwerkern Wr. Werkstätte (WW), als deren kommerzieller Dir. er bis 1914 fungierte. 1907 gründete er außerdem das Cabaret Fledermaus und engagierte Hoffmann und die WW für dessen künstler. Gestaltung. W. zeichnete für das avantgardist. und revolutionäre Programm verantwortl., inklusive Stücken von →Egon Friedell und Alfred Polgar sowie Tanzauff. der Wiesenthal-Schwestern; 1911 verkaufte er das Etablissement. 1909 veräußerte W. seine Familienanteile an der Baumwollspinnerei, um einen fälligen Bankkredit der WW über 300.000 Kronen aus seinem Privatvermögen zu bezahlen. Vier Jahre später waren die Schulden jedoch auf eine halbe Mio. Kronen angestiegen, die Produktion wurde eingestellt und er musste 1913 Konkurs anmelden (die Aufwendung von einer geschätzten Mio. Kronen war notwendig). Ende März 1914 wurde W. von seiner Familie sowie von Hoffmann gedrängt, aus der WW auszutreten, und er emigrierte auf Druck seiner Familie mit seinem Sohn Carl in die USA. 1919 beantragte er die US-amerikan. Staatsbürgerschaft, nannte sich Frederick bzw. Fred Warndof und betätigte sich als Farmer in Fellsmere, Florida, Textilentwerfer für die Needle Craft Factory (1927–31) und Maler mit dem Künstlernamen Warndof. Bevor er Mitte der 1920er-Jahre nach New York zog, lebte er in Savannah. Dank internationaler Kontakte verschaffte ihm sein Onkel Isidor Mautner einen Job als Koordinator für Baumwolllieferungen von Savannah nach Bremen. Im New York der 1920er- und 1930er-Jahre stand W. in Kontakt mit dem Architekten und Designer Frederick Kiesler, bei dem er sich im Malen weiterbildete, sowie mit der Künstlerin und Keramikerin Vally Wieselthier. 1912 trat W. auf Empfehlung von →Sigmund Rosenbaum der Freimaurerloge Treue bei. W.s ambivalentes Verhältnis zu seiner jüd. Abstammung zeigt sich in seiner zweimaligen Konvertierung zum Protestantismus. Er setzte sich außerdem aktiv mit seiner jüd. Identität auseinander, zu beobachten etwa am Theaterprogramm des Cabaret Fledermaus oder seiner Korrespondenz mit WW-Designer Eduard Josef Wimmer-Wisgrill (1922–33).

W.: Übers.: A. Beardsley, Briefe, Kal.notizen und die vier Zeichnungen zu E. A. Poe, 1908.
L.: L. Hevesi, in: Altkunst – Neukunst 1894–1908, 1909, S. 221ff.; S. Geyer, in: Die Bühne 3, 1926, H. 81, S. 6ff. (m. B.); P. Vergo, in: alte und moderne Kunst 26, 1981, H. 177, S. 33ff. (m. B.); P. Vergo, in: The Burlington Magazine 125, Juli 1983, Nr. 964, S. 402ff.; H. Egger u. a., Ein moderner Nachmittag. M. Macdonald Mackintosh und der Salon W. in Wien, 2000; A. L. Staudacher, Jüd.-protestant. Konvertiten in Wien 1782–1914, 2, 2004; E. Shapira, in: Studies in the Decorative Arts 13, 2006, Nr. 2, S. 52ff.; H. Morgenstern, Jüd. Biograph. Lex., 2. Aufl. 2011; J. Fuchshuber, Großzügigkeit, Gastfreundlichkeit und Generosität, in: wina. Das jüd. Stadtmagazin, Mai 2014 (m. B., nur online); E. Shapira, Style and Seduction. Jewish Patrons, Architecture, and Design in Fin de Siècle Vienna, 2016, s. Reg.; IKG, Wien.
(E. Shapira)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 69, 2018), S. 397f.
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