Waldstein und Wartenberg (Waldstein-Wartenberg), Ferdinand Ernst Gf. von (1762–1823), Ordensmann, Diplomat und Mäzen

Waldstein und Wartenberg (Waldstein-Wartenberg) Ferdinand Ernst Gf. von (OTeut), Ordensmann, Diplomat und Mäzen. Geb. Wien, 24. 3. 1762; gest. ebd., 26. 5. 1823; röm.-kath. Nachfahre Wallensteins, Sohn von Emanuel Gf. v. W. u. W. (geb. Wien, 2. 2. 1731; gest. Trebitsch, Mähren / Třebíč, CZ, 22. 5. 1775) und dessen Ehefrau Maria Anna Gfn. v. W. u. W., geb. Prinzessin v. u. z. Liechtenstein (geb. Wien, 15. 10. 1738; gest. ebd., 29. 5. 1814), Bruder u. a. des Bischofs von Seckau Johann Gf. v. W. u. W. (geb. Wien, 21. 8. 1756; gest. Graz, Stmk., 15. 4. 1812), des Gen.-Feldwachtmeisters Joseph Karl Emanuel Gf. v. W. u. W. (geb. Wien, 16. 2. 1755; gest. Großskal, Böhmen / Hrubá Skála, CZ, 17. 3. 1814) sowie von →Franz de Paula Gf. v. W. u. W.; ab 1812 verheiratet mit Isabella Maria Gfn. Rzewuska (geb. 29. 11. 1783; gest. 28. 8. 1818), der Tochter des Gen., Hetmans und Fachschriftstellers Seweryn Rzewuski (geb. Podhorce, Polen-Litauen / Pidhirci, UA, 13. 3. 1743; gest. Wien, 11. 12. 1811). – W. wuchs in Wien auf, trat auf Betreiben seiner Mutter 1787 in den Dt. Ritterorden ein und absolv. sein Noviziat im fränk. Ellingen. Ein halbes Jahr später berief ihn Erzhg. Maximilian Franz, Kurfürst und Erzbischof von Köln, an seinen Bonner Hof und schlug ihn 1788 in seiner Eigenschaft als Hochmeister des Dt. Ordens zum Ritter. 1789 zum w. Geh. Rat und Mitgl. der Staatskonferenz des Ordens ernannt, wurde W. mit verschiedenen diplomat. Missionen beauftragt. 1791 trat er durch Erwerb eines Rittersitzes in Godesberg bei Bonn in die kurköln. Landstandschaft ein, 1792 wurde er Komtur der Kommende Virnsberg in der Dt.ordensballei Franken. Daneben seit 1788 Mitgl. der vornehmen Bonner Leseges., deren Dir. er 1794 wurde, beteiligte sich W. intensiv am kulturellen Leben der kurköln. Residenzstadt. Durch den befreundeten HR Emanuel v. Breuning lernte er um 1787/88 den jungen →Ludwig van Beethoven und dessen Freundeskreis kennen, darunter auch den Maler Gerhard v. Kügelgen, von dem er sich 1792 porträtieren ließ. W., selbst dilletierender Komponist und äußerst musikal., erkannte als einer der Ersten Beethovens Genie und wurde so zu dessen wichtigstem Förderer. 1790 beauftragte er ihn, die Musik zu einem von W. selbst organisierten Ritterballett zu komponieren, 1792 regte er ihn zu den „Acht Variationen über ein Thema des Grafen von Waldstein für Klavier zu vier Händen (C-Dur)“ an. Im selben Jahr verschaffte er Beethoven ein Stipendium für dessen Ausbildung bei Joseph Haydn in Wien und verabschiedete ihn mit den berühmt gewordenen Zeilen „Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie: Mozarts Geist aus Haydens Händen“. Aus Dank widmete Beethoven ihm noch 1805 seine Klaviersonate Nr. 53 („Waldsteinsonate“). Im Dienst des Kurfürsten handelte W. während des 1. Koalitionskriegs im März 1793 im Hauptquartier des k. Oberbefehlshabers Friedrich Josias Prinz v. Sachsen-Coburg-Saalfeld einen Reluitionsvertrag für Maximilian Franz über die Ablösung der kurfürstl. Kontingente aus. Dies führte 1794, nachdem er im Gefolge des Kurfürsten vor den französ. Revolutionstruppen nach Wien geflohen war, zu einer Entfremdung mit seinem Dienstherrn, der ihm vorwarf, bei diesen Verhh. seine Vollmachten überschritten zu haben und ihn polit. beeinflussen zu wollen. W. wechselte die Seiten, schloss im Juni 1795 mit England einen Vertrag über die Aufstellung des Rgt. Mergentheim und trat in die engl. Armee ein. 1796 hielt er sich in London auf, doch war er vermutl. mit seinem Rgt. zeitweise in Westindien stationiert, bis er 1807 den Dienst quittierte. 1809 wurde er – nun in österr. Militärdiensten – als Obst. ins Hauptquartier des Erzhg. →Karl entsandt. 1811 trat er aus dem Dt. Orden aus und lebte abwechselnd in Wien und auf seinen böhm. Gütern. Durch den österr. Staatsbankrott von 1811 und eigene finanzielle Fehlspekulationen verlor W. bis 1816 sein gesamtes Vermögen und starb verarmt.

Weitere W.: Symphonie, Solokantaten.
L.: Gazette de Bonn, 6. 12. 1789; Czeike; Grove, 1980, 2001; MGG I; Wurzbach; J. Heer, Der Gf. v. W. und sein Verhältnis zu Beethoven, 1933; M. Braubach, Kurköln. Gestalten und Ereignisse aus zwei Jhh. rhein. Geschichte, 1949, S. 487ff.; M. Braubach, Die Stammbücher Beethovens und der B. Koch, 1995, S. 158f.; P. Clive, Beethoven and his world, 2001; J. Niesen, Bonner Personenlex., 3. Aufl. 2011; Pfarre Wieden, Wien.
(J. Niesen)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 69, 2018), S. 452f.
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