Walker, Gustav (1868–1944), Jurist

Walker Gustav, Jurist. Geb. Wien, 21. 4. 1868; gest. ebd., 1. 1. 1944; evang. AB. Sohn des Fabrikanten Gustav W. und dessen Frau Aloisia W., geb. Schmidt; ab 1900 verheiratet mit Wilhelmine W., geb. Reiterer (geb. Wien, 6. 10. 1882). – Nach der Matura 1886 stud. W. Rechtswiss. an der Univ. Wien; 1892 Dr. iur. 1894 legte er die Richteramtsprüfung ab und wirkte ab 1895 im Justizmin., wo er insbes. →Franz Klein zugeordnet war und sich mit den maßgebl. von diesem gestalteten neuen Zivilprozessgesetzen vertraut machen konnte. 1898 habil. sich W. an der Univ. Wien mit der Schrift „Streitfragen aus dem internationalen Civilprocessrechte“ für zivilgerichtl. Verfahren. 1907 zum ao. Prof. an der Univ. Innsbruck ernannt, beendete er seine dortige Lehrtätigkeit aber schon 1909 und wurde LGR am Landesgericht Wien. Seine Lehrbefugnis an der Univ. Wien wurde erneuert und 1920 auf das internationale Privatrecht ausgedehnt; 1912 wurde ihm der Titel eines o. Prof. verliehen. 1911–21 leitete W. die internationale Abt. im Justizmin. Aufgrund dieser Funktion war er an den Friedensverhh. in Bukarest 1918 und St. Germain 1919 beteiligt. Weiters erstellte er 1911 Entwürfe zu liechtenstein. Justizgesetzen und 1920 zu Justizverträgen mit dem Dt. Reich. 1922 schied W. aus dem Justizmin. aus und wurde Präs. des zur Erfüllung von Artikel 248 des Vertrags von St. Germain errichteten Abrechnungsgerichtshofs. 1924 erfolgte seine Ernennung zum o. Prof. an der Univ. Wien, wo er zunächst Zivilrecht und ab 1933 Zivilprozessrecht las; 1930/31 Dekan. 1926 leitete W. die Wr. Tagung der International Law Association. 1930–34 Mitgl. des Verfassungsgerichtshofs und 1934–38 Mitgl. des Staatsrats sowie Leiter von dessen Rechtsausschuss, wurde er von den Nationalsozialisten seiner Ämter enthoben und i. d. R. versetzt, das ansonsten übl. „Ehrenjahr“ wurde ihm aus polit. Gründen verweigert. W.s wiss. Werk ist äußerst vielseitig. Es umfasst österr. und internationales Zivilrecht und Zivilprozessrecht, Wettbewerbsrecht und Arbeitsrecht. Kritiker warfen W. allerdings mangelnde Originalität vor. Als sein Hauptwerk kann sein zuletzt über 1.000 Seiten starkes „Handbuch des internationalen Privatrechts“ angesehen werden, das 1921–34 fünf Aufl. und 1929 eine Übers. ins Griech. erfuhr. Fast ebenso umfangreich war sein „Grundriß des österreichischen Exekutionsrechts“, das 1906–32 vier Aufl. erlebte und überdies 1926 von Edmund Prochaska an die tschechoslowak. Bedürfnisse angepasst und hrsg. wurde. 1926 wurde W. zum k. M. der Österr. Akad. der Wiss. gewählt.

Weitere W.: s. Adamovich.
L.: L. Adamovich, in: Almanach 94, 1946, S. 252ff. (m. W.); H. Klang, in: Jurist. Bll. 68, 1946, S. 275f.; G. Oberkofler, in: Tiroler Heimat 41, 1977, S. 109ff. (m. B.); J. Mair, in: Vertriebenes Recht – Vertreibendes Recht. Zur Geschichte der Wr. Rechts- und Staatswiss. Fak. zwischen 1938 und 1945, ed. F.-St. Meissel u. a., 2012, S. 334ff.; Th. Olechowski u. a., Die Wr. Rechts- und Staatswiss. Fak. 1918–38, 2014, s. Reg.; AVA, ÖAW, Pfarre Mariahilf, UA, alle Wien.
(Th. Olechowski)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 69, 2018), S. 455
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