Walter, Raoul (1863–1917), Sänger

Walter Raoul, Sänger. Geb. Wien, 16. 8. 1863; gest. München, Dt. Reich (D), 21. 8. 1917. Sohn von →Gustav W., Bruder von →Minna W. (s. u. Gustav W.); ab 1888 mit Emilie W., geb. Seipel, verheiratet. – W. bewies schon als Kind große künstler. Begabung und betätigte sich in jungen Jahren als Schauspieler, Klavierspieler, Lieder- und Coupletsänger. Gesangsunterricht erhielt er von seinem Vater. Nach der Matura in Leitmeritz stud. W. ab 1881 an der Univ. Wien (1886 Dr. iur.), danach wurde er Beamter in der Finanzprokuratur. Als Tenorsänger wirkte er beim Wr. Männergesang-Ver. und im Singver. Zum ersten öff. Solo-Auftritt kam es 1886 anlässl. einer von →Hans Richter dirigierten Feier für Carl Maria v. Weber im Musikver. Seinen Durchbruch als Bühnenkünstler hatte W. 1888 im Theater an der Wien als Nanki-Poo in Arthur Sullivans Operetten-Erfolg „Der Mikado“. Er trat aus dem Staatsdienst aus, begann eine erfolgreiche Karriere im Operettenfach und sang im Mai 1888 in der 200., von →Johann Strauß (Sohn) dirigierten Auff. der „Fledermaus“ im Theater an der Wien den Alfred. Später wurde der Rentier Eisenstein eine seiner Paraderollen. 1890/ 91 erfolgte W.s Wechsel zur Oper. Er nahm ein Engagement an das Brünner Stadttheater an, wo er als Lyonel in Friedrich v. Flotows „Martha“ debüt. und seine ersten großen Opernerfolge erlebte. In Brünn hörte ihn Gen.musikdir. Hermann Levi, der ihm eine Verpflichtung nach München anbot. 1891 trat W. an der dortigen Hofoper die Nachfolge des Tenors Franz Nachbaur an und zählte bis zu seinem Lebensende zu den integralen Kräften dieser Bühne. Sein weitreichendes Repertoire umfasste neben Bravourpartien (Titelrolle in Adolphe Adams „Der Postillon von Lonjumeau“, George Brown in François-Adrien Boieldieus „Die weiße Dame“) auch Jacques Fromental Halévys Eleazar in „Die Jüdin“ sowie Richard Wagners Lohengrin und Walther von Stolzing. Als Mozartsänger wirkte er ebenfalls mit Ausz. W. war an mehreren Urauff. beteiligt, so in Siegfried Wagners Oper „Herzog Wildfang“ (1901), in →Ignaz Brülls „Gringoire“ (1892) und „Schach dem König“ (1893), in →Wilhelm Kienzls „Heilmar der Narr“ (1892) sowie in Ermanno Wolf-Ferraris „Die vier Grobiane“ (1906). W. gelang auch eine hervorragende Karriere als Konzert- und Liedersänger. Seine Stimme ist auf 1905–07 entstandenen Tonaufnahmen erhalten. Er wurde u. a. mit dem bayer. Kammersängertitel (1894) und dem Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens (1900) ausgez. W. gehörte ab 1897 der Münchner Johannis-Loge In Treue fest! an.

L.: Eisenberg, Bühne, 1903; Kutsch–Riemens; G. Gaiser-Reich, Gustav W. 1834–1910, 2011, s. Reg. (m. B.); Pfarre Landstraße-St. Rochus, UA, beide Wien.
(C. Höslinger)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 69, 2018), S. 472f.
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