Walzel, Camillo; Ps. F. Zell, C. Wall (1829–1895), Schriftsteller, Librettist, Kapitän und Offizier

Walzel Camillo, Ps. F. Zell, C. Wall, Schriftsteller, Librettist, Kapitän und Offizier. Geb. Magdeburg, Preußen (D), 11. 2. 1829; gest. Wien, 17. 3. 1895 (begraben: Weissenbach an der Triesting, NÖ). Sohn des Off. und Buchdruckers August Friedrich W. (geb. Braunau am Inn, OÖ, um 1790; gest. 1860) und von →Fortunata Franchetti, verheiratete W., Bruder von August W., Oberrevident der k. k. Staatsbahnen (gest. Brünn, Mähren / Brno, CZ, 28. 6. 1918), von Obst. Cäsar v. W. (geb. 1831; gest. Wien, 6. 12. 1900), Onkel von →Oskar W.; ab 1868 verheiratet mit Auguste W., geb. v. Oelsler (geb. Salzburg, Sbg., 19. 1. 1849; gest. Wien, 25. 2. 1934). – W. verbrachte seine Kindheit in Magdeburg sowie Leipzig und Dresden. Mit 16 Jahren begann er eine Lehre in der lithograph. Anstalt und Buchdruckerei seines Vaters in Budapest. 1847 kam er nach Wien, wo er die ABK besuchte und Mitgl. einer Laien-Schauspielgruppe wurde. In der Märzrevolution 1848 kämpfte er auf der Seite der akadem. Legion und trat anschließend in die Tiroler Schützenkomp. ein. Im Oktober desselben Jahrs kehrte er nach Wien zurück und schloss sich einem Jägerbaon. an. Er wurde zum Off. befördert und einem poln. Rgt. in Ungarn zugeteilt. 1851 folgte seine Versetzung nach Wien in die Geniedion. und ein Jahr später zum geograph. Inst. Bei Ausbruch des russ.-türk. Kriegs zu seinem Rgt. einberufen, zog er mit diesem bis nach Hermannstadt. Er schrieb 1855 für seinen Freund →Carl Adolph Friese sein erstes Lustspiel, „Er hat den Schnupfen“, und 1856 seinen ersten Artikel, einen Nachruf auf Heinrich Heine, für die „Kronstädter Zeitung“. Im selben Jahr quittierte er seinen Militärdienst, trat als Aspirant in die Donau-Dampfschiffahrts-Ges. (DDSG) ein und wurde 1861 Schiffskmdt. Schon ab den späten 1850er-Jahren schrieb er Berr. und Feuilletons für mehrere Ztg., z. B. „Von der unteren Donau“ für die „Ostdeutsche Post“. Ab 1861 war er Feuilletonist und Korrespondent für „Die Presse“, die „Neue Freie Presse“, die Münchener „Fliegenden Blätter“, den Berliner „Kladderadatsch“, das „Neue Fremdenblatt“ u. a. 1862–68 Mitgl. des Journalisten- und Schriftsteller-Ver. „Concordia“. 1866 leistete er als Kapitän Kriegsdienst. Als DDSG-Kapitän rettete er 1868 beim Einsturz einer Brücke in Linz zahlreiche Menschenleben. 1873 trat er i. d. R. Ein literar. Zeugnis dieser Zeit ist das Reisehdb. „Donaufahrten“ (1875). W. übers. für seinen Freund →Karl Treumann französ. Operettentexte und reiste in dessen Auftrag wie auch für →Anton Ascher und →Friedrich Strampfer mehrmals nach Paris, um die besten neuen Komödien zu erwerben. Nachdem W. 1864 das Libretto zu Offenbachs „Eine Kunstreiterin oder Ein weiblicher Haupttreffer“ geschrieben hatte, folgte er dessen Einladung nach Monaco und übers. dort den dialog. Tl. der „Schönen Helena“ (Urauff. im Theater an der Wien, 1865). W. verf. auch eigenständige Werke wie die Parodie „Die elegante Tini“ (1863) oder „Seit Gravelotte!“ (1871). 1871 lernte er →Franz Friedrich Richard Genée kennen und es begann eine lebenslange Zusammenarbeit: W. schrieb Libretti zu Genées Kompositionen (u. a. „Der Seekadett“, 1876; „Nanon“, 1877) und gem. übers. sie u. a. Offenbachs „Die Theaterprinzessin“ (1872) und „Die Wilderer“ (1873) sowie W. S. Gilberts und A. Sullivans „Der Mikado“ (1886). Das bald berühmte Librettistenpaar „F. Zell und R. Genée“ war für die erfolgreichsten Wr. Komponisten tätig: →Johann Strauß (Sohn) („Cagliostro in Wien“, 1875; „Der lustige Krieg“, 1881; „Eine Nacht in Venedig“, 1883), →Karl Millöcker („Gräfin Dubarry“ 1879; „Der Bettelstudent“, 1882; „Gasparone“, 1884), →Franz v. Suppé („Fatinitza“, 1876; „Boccaccio“, 1879; „Donna Juanita“, 1880), Adolf Müller („Der Millionenonkel“ 1892). Für Carl Zeller schrieben sie gem. mit Moritz West (→Moritz Nitzelberger) „Die Fornarina“ (1879). 1884 übernahm W. mit →Franz v. Jauner und →Alexandrine v. Schönerer die Dion. des Theaters an der Wien, trat aber nach fünf Jahren wieder zurück. W., der für alle Bühnen Wiens mit Ausnahme des Raimundtheaters schrieb, verbrachte die Sommermonate in seiner Villa in Weißenbach an der Triesting, wo er mit seinem Freund, dem Maler Franz Leffler, auch Sommerfestspiele veranstaltete. 1867 wurde W. mit dem Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens ausgez.

Weitere W.: s. Eisenberg 5; Grove, Opera; Kosch, Theaterlex.; Wurzbach; F. Stieger, Opernlex. 3/3, 1979.
L.: Die Presse, Neues Wr. Journal, 18., NFP, 18., 19. 3. 1895 (Parte); Eisenberg 5 (m. W.); Grove, Opera (m. W.); Kosch, Theaterlex. (m. W.); oeml; Stern–Ehrlich, S. 40 (B.), 184; Wurzbach (m. W.); C. v. Zelau, in: Dt. Revue über das gesamte nationale Leben der Gegenwart 10, ed. R. Fleischer, 1885, Bd. 3, S. 170ff.; R. Holzer, Die Wr. Vorstadtbühnen. A. Girardi und das Theater an der Wien, 1951, S. 189ff., 413ff.; A. Bauer, 150 Jahre Theater an der Wien, 1952, S. 201f.; Heimatbuch der Marktgmd. Weißenbach an der Triesting, ed. A. Brammertz, 1986, S. 40f.; Diözesanarchiv, Linz, OÖ.
(R. Müller)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 69, 2018), S. 476f.
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