Waniek, Herbert (1897–1949), Regisseur und Schauspieler

Waniek Herbert, Regisseur und Schauspieler. Geb. Wien, 17. 10. 1897; gest. ebd., 12. 5. 1949. Sohn des Kaufmanns Rudolf W. (geb. Biala, Galizien / Bielsko-Biała, PL, 19. 8. 1860; gest. Wien, 22. 5. 1941) und seiner Frau Friederike W., geb. Schurr (geb. 19. 3. 1873; gest. Wien, 7. 6. 1938); in 1. Ehe mit der Schauspielerin Mathilde Danegger, eigentl. Deutsch (geb. Wien, 2. 8. 1903; gest. Berlin, D, 27. 7. 1988), in 2. Ehe mit der Schauspielerin Sylvia Devez (geb. Wien, 19. 8. 1908 oder 1910), in 3. Ehe mit der Schauspielerin Josefin (Ilse Josefine) Kipper, auch Josefine Kipper-W. (geb. Wien, 27. 12. 1928; gest. 23. 8. 1981), verheiratet. – Ab 1915 absolv. W. seinen Militärdienst in Innsbruck, 1916 war er einige Monate an der italien. Front, dann bis Kriegsende im Kriegsmin. in Wien. 1917 verf. er erste Texte in der Z. „Ver!“. Nach Unterricht bei Burgschauspieler Ernst Arndt 1918 debüt. W. 1919 als Romeo am Landschaftl. Theater in Linz. Die folgende Saison spielte er an der Neuen Wr. Bühne und 1921/22 an den Vereinigten dt. Theatern in Brünn, an denen auch erste Regiearbeiten entstanden. Es folgten Stationen am Dt. Volkstheater in Wien sowie bis 1926/27 als Schauspieler und Regisseur an →Max Reinhardts Theater in der Josefstadt. W. war Mitinitiator und Leiter des Theaters des Neuen, in dessen Rahmen moderne Dramatik präsentiert und das mit der Urauff. der vierten Fassung von Bertolt Brechts „Baal“ 1926 eröffnet wurde. →Hugo Hofmann v. Hofmannsthal verf. dazu das Vorspiel „Das Theater des Neuen. Eine Ankündigung“, das sich mit der Idee und Initiative dieses Theaters (Protagonisten wie etwa W. spielten sich darin selbst) auseinandersetzte. 1927/28–29/30 sowie 1931/32–32/33 war W. Schauspieler und Regisseur am Schauspielhaus Zürich, seine zweite und dritte Saison Oberspielleiter. Er gab u. a. die Titelrolle in Kleists „Amphitryon“, den Ferdinand in Schillers „Kabale und Liebe“ und inszenierte Hofmannsthals „Jedermann“ in selbst entworfenen Bühnenbildern. Regie führte er bei Shakespeares „Hamlet“, Goethes „Faust“ und Büchners „Dantons Tod“. Stets zeigte W. bes. Interesse für zeitgenöss. Werke, so inszenierte er Ferdinand Bruckners „Krankheit der Jugend“ sowie die Urauff. von Cäsar v. Arx’ „Die Geschichte vom General Johann August Suter“. 1930/31 war er Oberspielleiter am Städt. Schauspielhaus in Essen. Als Leiter des Schauspiels brachte er v. a. Boulevardstücke und moderne Dramatik zur Auff., aber auch Nestroys „Freiheit in Krähwinkel“, Grabbes „Scherz, Satire, Ironie“ sowie Shakespeares „Was ihr wollt“ und „Hamlet“. Die beiden Letzteren inszenierte W. selbst, ebenso Zuckmayers „Der Hauptmann von Köpenick“ und das zu jener Zeit beliebte Kriegsdrama von R. C. Sherriff „Die andere Seite“. Ab 1933 Hausregisseur am Wr. Burgtheater, inszenierte er i. d. F. über 60 Stücke und arbeitete oft mit Hermann Thimig, Alma Seidler, Otto Tressler, Raoul Aslan, Fred Hennings, dem Bühnenbildner Stefan Hlawa, der Kostümbildnerin Erni Kniepert und dem Komponisten Alexander Steinbrecher zusammen, gelegentl. auch mit Oskar Werner und Curd Jürgens. W. machte sich v. a. als Regisseur österr. Dramatik, insbes. von Nestroy- und Raimundstücken, und als Komödienspezialist einen Namen. Seine erste Raimundinszenierung am Burgtheater, „Der Verschwender“, 1935, blieb bis 1941 auf dem Spielplan und wurde 1938 auch im Rahmen der V. Reichstheaterfestwoche aufgef. Nestroys „Einen Jux will er sich machen“ feierte unter großer Medienresonanz als Festvorstellung bei der VI. Reichstheaterfestwoche 1939 Premiere und wurde in Abänderung des Spielplans kurz darauf in Anwesenheit von →Adolf Hitler wiederholt. Die Inszenierung gastierte auch bei den Salzburger Festspielen 1942 als erste Nestroy-Posse der Festspielgeschichte. Grillparzers „Des Meeres und der Liebe Wellen“ inszenierte er im Herbst 1936 für die von der Kulturorganisation der Vaterländ. Front Neues Leben neu gegr. Österr. Länderbühne. Neben der Regie von wenigen Klassikern blieb W. auch am Burgtheater seinem Interesse für Zeitgenössisches treu und zeichnete für zahlreiche Erstauff. verantwortl., so etwa für Erich Kästners „Das lebenslängliche Kind“, Max Mells „Die Sieben gegen Theben“, Franz Theodor Csokors „3. November 1918“, Ferenc Molnárs „Panoptikum“ oder Roger Ferdinands „Mit achtzehn Jahren“ in eigener Übers. 1943 wurde er Oberspielleiter des Burgtheaters. 1945 inszenierte er für die Salzburger Festspiele Mozarts „Entführung aus dem Serail“, 1948 für die Wr. Staatsoper „Die lustigen Weiber von Windsor“. Daneben leitete er am Zentralinst. für Theaterwiss. der Univ. Wien ab 1944 Kurse zur prakt. Theaterarbeit. Wenige Monate vor seinem Tod lehnte er die ihm angebotene Leitung des Landestheaters Salzburg ab. W. verf. unzählige Beitrr. in Programmhe. und Ztg., Bühnenbearb., einige Übers. sowie Filmtreatments in Gemeinschaftsarbeit. Viele dieser Texte enthält der im Theatermus. in Wien aufbewahrte Tl.nachlass. 1946 erhielt W. den Prof.-Titel.

L.: Salzburger Chronik, 11. 9. 1936; Das kleine Volksbl., 12. 6. 1939; Alth, Burgtheater; Emődi; Kosch, Theaterlex.; Wer ist wer? Unsere Zeitgenossen 13, ed. H. A. L. Degener, 1958; F. Wagner, H. W. als Regisseur, phil. Diss. Wien, 1959; Glenzdorfs internationales Film-Lex. 2, 1961; F. Feldens, 75 Jahre Städt. Bühnen Essen, 1967, S. 275ff.; J. Mayerhöfer, H. W., Wien 1977 (Kat.); A. Staudinger, in: 100 Jahre Volkstheater, ed. E. Schreiner, 1989, S. 82ff.; E. Fuhrich – G. Prossnitz, Die Salzburger Festspiele 1, 1990, S. 288f.; J.-D. Waidelich, Essen spielt Theater 1, 1992, S. 317ff.; Theaterlex. der Schweiz 3, 2005; AdR, WStLA, beide Wien; Bundesarchiv Berlin, D.
(C. Mayerhofer)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 69, 2018), S. 481f.
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