Wassermann, Jakob (Karl) (1873–1934), Schriftsteller

Wassermann Jakob (Karl), Schriftsteller. Geb. Fürth, Dt. Reich (D), 10. 3. 1873; gest. Altaussee (Stmk.), 1. 1. 1934; mos. Sohn des Kaufmanns, Versicherungsagenten und Fabrikanten von bebilderten Holzschachteln Adolf W. (1844–1901; mos.) und von Henriette (Jette) W., geb. Traub (1850–1882; mos.), Neffe des Fächerfabrikanten Max Alfred Traub, Vater des Chemikers am Imperial College of Science and Technology in London Adolf Albert W. (geb. Wien, 4. 12. 1901; gest. Aarsele, B, 2. 10. 1971), der Modezeichnerin Eva W., verheiratete Broch (1915–1979), sowie des Rundfunkjournalisten (Canadian Broadcasting Corporation) und Film- und Fernsehdramatikers Charles (Carl Ulrich) W. (geb. Wien, 21. 2. 1924; gest. Altaussee, 1. 5. 1978) aus W.s Verbindung mit Marta Karlweis, der 1935 nach England und 1940 nach Kanada emigrierte; ab 1901 verheiratet mit der Schriftstellerin Julie (Julia Elsa) Speyer (geb. Wien, 5. 12. 1876; gest. Zürich, CH, April 1963; mos.), 1919 Trennung, 1926 Scheidung, ab demselben Jahr in 2. Ehe mit der Schriftstellerin Marta Karlweis, geschiedene Stross (geb. Wien, 27. 4. 1889; gest. Lugano, CH, 2. 11. 1965), Tochter von Carl Karlweis (→Karl Weiss). – W. besuchte 1883–89 die Realschule in Fürth und begann anschließend eine Lehre bei seinem Onkel in Wien, die er 1890 abbrach. Danach war er in einem Exporthaus in Wien beschäftigt, wurde jedoch 1891 infolge einer Intrige um pornograph. Bilder entlassen und absolv. 1891–92 seinen Militärdienst in Würzburg. I. d. F. arbeitete W. bis 1895 als Korrespondent in einem Nürnberger Versicherungsbüro, war Beamter in Freiburg im Breisgau und Sekr. beim Schriftsteller Ernst v. Wolzogen, der ihn 1896 Albert Langen, dem Verleger und Gründer des „Simplicissimus“ in München, empfahl. Als Lektor des „Simplicissimus“ lernte W. u. a. Thomas Mann, →Rainer Maria Rilke und →Hugo Hofmann v. Hofmannsthal kennen. Langen veröff. W.s erste Romane, „Melusine“ (1896) und „Die Juden von Zirndorf“ (1897). 1898 zog W. als Theaterkorrespondent der „Frankfurter Zeitung“ nach Wien. Auf →Arthur Schnitzlers Empfehlung hin erschien 1900 im Berliner Verlag S. Fischer der Roman „Die Geschichte der jungen Renate Fuchs“. Mit dem 1904 veröff. Aufsatz „Das Los der Juden“ positionierte sich W. erstmals als Analytiker und Kritiker des Antisemitismus. Der von Thomas Mann später als „Welt-Star des Romans“ apostrophierte W. schaffte seinen Durchbruch mit „Alexander in Babylon“ (1905) und „Caspar Hauser oder Die Trägheit des Herzens“ (1908). 1914 finanzierte ihm →Edgar Spiegl v. Thurnsee d. J. den Bau einer Villa in Grinzing, Architekt war →Oskar Strnad. Im selben Jahr beendete W. seinen erfolgreichsten Roman „Das Gänsemännchen“ (1915), der bis 1933 91 Aufl. in 291.000 Exemplaren erreichte. W. zählte neben Thomas Mann und Hermann Hesse zu den meistgelesenen Autoren Samuel Fischers. 1915 lernte W. Marta Karlweis kennen, 1919 verlegte das Paar seinen Wohnsitz von Wien nach Altaussee. W. legte alle drei bis vier Jahre einen Roman vor, allesamt Bestseller: „Christian Wahnschaffe“ (1919), „Laudin und die Seinen“ (1925) sowie die „Andergast“-Trilogie, bestehend aus „Der Fall Maurizius“ (1928), „Etzel Andergast“ (1931) und dem Schlüsselroman „Joseph Kerkhovens dritte Existenz“ (der 1934 posthum im Amsterdamer Exilverlag Querido erschien). Aufsehen erregte er mit der autobiograph. Schrift „Mein Weg als Deutscher und Jude“ (1921), in welcher er sich zum Judentum bekennt, mit dem Antisemitismus abrechnet, aber auch mit dem Zionismus. Nach der Scheidung von Julie W. folgten von ihrer Seite Klagen auf Annullierung seiner 2. Ehe, Anwaltsforderungen und Prozesse um Unterhalt. 1926 wurde W., der in den 1920er- und frühen 1930er-Jahren die Zeit seines größten Ruhms in Europa und den USA erlebte, in das erweiterte Gremium der Sektion für Dichtkunst der Preuß. Akad. der Künste gewählt. Dem Ausschluss durch die Nationalsozialisten kam W. zuvor, indem er im März 1933 selbst seinen Austritt erklärte. W.s Bücher gelangten auf die erste „Schwarze Liste“ der Nationalsozialisten vom Mai 1933, die Einnahmen aus Dtld. blieben somit weitgehend aus.

Weitere W. (s. auch Müller-Kampel, 2007; Website LiTheS): Schläfst Du, Mutter? Ruth, 1897; Hockenjos, 1898; Der niegeküßte Mund, 1900; Der Moloch, 1902; Donna Johanna v. Castilien, 1905; Engelhart Ratgeber, 1907; Dt. Charaktere und Begebenheiten, 1915; Faber oder Die verlorenen Jahre, 1924; Selbstbetrachtungen, 1933; Meine Landschaft, äußere und innere, in: Die Smlg. 1, 1933, H. 1. – Teilnachlässe: Österr. Nationalbibl., Wien; Dt. Literaturarchiv Marbach am Neckar, D.
L.: J. W. 1873–1934, ed. D. Rodewald, 1984 (m. B.); B. Müller-Kampel, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der dt. Literatur 30, 2005, S. 214ff.; B. Müller-Kampel, J. W., 2007 (m. B. u. W.); N. Plöger, Ästhet – Ankläger – Verkünder. J. W.s literar. Anfänge (1890–1900), 2007; J. W. Deutscher – Jude – Literat, ed. D. Niefanger u. a., 2007 (m. B.); Th. Kraft, J. W., 2008 (m. B.); Website LiTheS, Univ. Graz (m. W., Zugriff 11. 3. 2019); Website M. Lukas, J. W. (Zugriff 11. 3. 2019).
(B. Müller-Kampel)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 12f.
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