Wawra (Wáwra, Vávra) von Fernsee, Heinrich Blasius (Jindřich Blažej) Ritter (1831–1887), Botaniker, Mediziner und Forschungsreisender

Wawra (Wáwra, Vávra) von Fernsee Heinrich Blasius (Jindřich Blažej) Ritter, Botaniker, Mediziner und Forschungsreisender. Geb. Brünn, Mähren (Brno, CZ), 2. 2. 1831; gest. Baden (NÖ), 24. 5. 1887 (begraben: Brno); röm.-kath. Sohn des Müllermeisters Anton Wawra und der Anna Wawra, geb. Prohaska. – Nach Besuch des Gymn. stud. W. ab 1849 Med. an der Univ. Wien, wo er auch Vorlesungen zur systemat. Botanik bei →Eduard Fenzl sowie zur Pflanzenanatomie und -physiol. bei →Franz Unger hörte; 1855 Dr. med., 1858 Dr. chir. Ende 1855 trat W. als Arzt in die österr. Marine ein und unternahm i. d. F. zahlreiche Reisen in die verschiedensten Regionen der Welt, die er für umfangreiche Pflanzenaufsmlgg. nutzte. Zunächst reiste er auf der Goèlette „Saida“ von Mai bis Oktober 1856 ins westl. Mittelmeer, von April 1857 bis Mai 1858 auf der Korvette „Carolina“ nach Gibraltar, Madeira, Brasilien, Argentinien, ans Kap der Guten Hoffnung, nach Angola und zu den Kapverd. Inseln. 1859 zum Fregattenarzt befördert, begleitete W. im November dieses Jahrs Erzhg. →Ferdinand Maximilian auf einer Fahrt mit dem Dampfer „Elisabeth“ nach Brasilien, die bis März 1860 dauerte. 1864 fuhr er als Bordarzt auf der Fregatte „Novara“ mit K. Maximilian I. nach Mexiko. Dort betrieb er umfangreiche botan. Aufsmlgg. und kehrte 1865 mit mehr als 1.600 Pflanzenarten nach Wien zurück; 1866 Beförderung zum Eskadre-Chefarzt, 1867 zum Linien-Schiffsarzt. Eine weitere Reise führte ihn an Bord der Fregatte „Donau“ (und teils über Land) von Oktober 1868 bis März 1871 über Tanger, Teneriffa und Kapstadt nach Singapur, Hongkong und Peking. Der Rückweg erfolgte über Hawaii, Valparaíso und Rio de Janeiro nach Pola. 1872–73 begleitete W. die Prinzen →Ferdinand Philipp v. Sachsen-Coburg u. Gotha und August v. Sachsen-Coburg u. Gotha auf einer Weltreise. 1874 zum Marine-Stabsarzt ernannt, trat W. 1878 aus der Kriegsmarine aus. 1879 reiste er nochmals nach Brasilien, wiederum als Begleiter der beiden Prinzen v. Sachsen-Coburg u. Gotha. Als Erstlingswerk veröff. W. die „Vorarbeiten zur Flora von Brünn“ (in: Verhh. des zoolog.-botan. Ver. in Wien 1, 1852; Ergänzungen: ebd. 2, 1853), die zunächst noch heftig kritisiert wurden. Die gründl. Bearb. der Pflanzenarten trug ihm jedoch bald den Ruf eines professionellen Botanikers ein. Im „Sertum benguelense“ (in: Sbb. Wien, math.-nat. Kl. 38, 1859) beschrieb er gem. mit →Johann Peyritsch die Pflanzenausbeute der „Carolina“-Reise, in einer Folge von elf Beitrr. unter dem Titel „Neue Pflanzenarten, gesammelt auf der transatlantischen Expedition …“ (in: Österr. botan. Z. 12, 1862, 13, 1863) die Ergebnisse der „Elisabeth“-Reise. Die umfangreichen Publ. „Botanische Ergebnisse der Reise Seiner Majestät des Kaisers von Mexico Maximilian I. nach Brasilien“ (1866) und „Itinera principum S. Coburgi …“ (1, 1883, 2, 1888, posthum ed. von Günther v. Beck, s. →Günther Beck v. Mannagetta u. Lerchenau) bilden schließl. W.s Hauptwerke. Von der letzten Brasilien-Reise konnte er selbst nur mehr die Bromeliengewächse beschreiben, sie wurden unter dem Titel „Die Bromeliaceen-Ausbeute von der Reise … nach Brasilien 1879“ (in: Österr. botan. Z. 30, 1880) publ. Für die von Carl Friedrich v. Martius begründete „Flora brasiliensis“ verf. er das H. 97 (1886) zur Pflanzenfamilie Ternstroemiaceae. W. war u. a. ab 1851 Mitgl. des zoolog.-botan. Ver. in Wien und ab 1856 Mitgl. der geograph. Ges. in Wien. 1864 wurde ihm das Ritterkreuz des k. mexikan. Guadalupe-Ordens und des k. brasilian. Rosen-Ordens, 1868 das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens verliehen. 1871 erhielt er den Orden der Eisernen Krone III. Kl. 1872 erfolgte die Erhebung in den Ritterstand mit dem Zusatz „von Fernsee“. Neben mehreren Dutzend Pflanzenarten wurden nach ihm 1889 eine Bromelien-Gattung Fernseea und 1913 eine Gattung der Wolfsmilchgewächse Neowawraea benannt. Seine Smlgg. befinden sich heute im Naturhist. Mus. in Wien.

Weitere W.: s. Knapp; Beck; Balfour; Steinbach.
L.: NFP (Parte), WZ, 27. 5. 1887; ADB; Stafleu; Wurzbach; A. Skofitz, in: Österr. botan. Z. 17, 1867, S. 1ff. (m. B.); Ch. d’Elvert, in: Notizen-Bl. der hist.-statist. Section der k. k. mähr.-schles. Ges. zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskde., 1874/1, S. 5f.; H. Wawra, Dr. H. Ritter W. v. F. …, ed. M. Trapp, 1878; E. Morren – H. Fonsny, Les Broméliacées brésiliennes, 1881, S. 5ff.; J. A. Knapp, in: Flora 70, 1887, S. 387ff. (m. W.); G. Beck, in: Wr. illustrirte Garten-Ztg. 12, 1887, S. 318ff. (m. B. u. W.); I. B. Balfour, in: Annals of Botany 1, 1888, S. 412f. (m. W.); Leopoldina 24, 1888, S. 107f.; J. Arechavaleta, in: Revista histórica de la Univ. (Montevideo) 1/3, 1908, S. 840ff.; S. Kirchenberger, Lebensbilder hervorragender österr.-ung. Militär- und Marineärzte, 1913, S. 221ff.; R. Steinbach, Österr. Botaniker des 19. Jh., die nicht an Hochschulen wirkten, 1959, S. 110ff. (m. W.); M. Vávra, in: Dějiny věd a techniky 16, 1983, S. 195ff.; P. Šuleř, J. Vávra, 1998; J. Martínek – M. Martínek, Kdo byl kdo. Naši cestovatelé a geografové, 1998, S. 445f.; UA, Wien; Pfarre St. Stephan, Baden, NÖ; Kostel Neposkvrněného početí Panny Marie, Brno, CZ.
(M. Svojtka)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 21f.
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