Weibel, Wilhelm (1876–1945), Gynäkologe

Weibel Wilhelm, Gynäkologe. Geb. Wien, 15. 11. 1876; gest. ebd., 30. 4. 1945; röm.-kath. Sohn eines Eisenbahning. – W., der ursprüngl. den Beruf seines Vaters ergreifen wollte, wandte sich mangels zeichner. und mathemat. Begabung nach seiner Gymn.matura 1895 dem Med.stud. in Wien zu. Bereits während des Stud. vertiefte er seine Kenntnisse zunächst am Inst. für Med. Chemie und danach fünf Semester als Demonstrator an der II. anatom. Lehrkanzel; 1901 Dr. med. sub auspiciis Imperatoris. Anschließend arbeitete W. als Ass. von →Ernst Wertheim an der gynäkolog. Abt. des Kn.-Elisabeth-Spitals, ab 1908 als Ass. von →Alfons v. Rosthorn und dann erneut unter Wertheim an der II. Univ.-Frauenklinik, welche er nach dessen Tod 1920 zwei Jahre lang leitete. Während seiner Ass.zeit unternahm er 1912 eine Vortragsreise in die USA und habil. sich 1913 an der Univ. Wien für Gynäkol. und Geburtshilfe; 1919 ao. Prof. Ab 1922 fungierte W. als Vorstand der gynäkolog. Abt. der Rudolfstiftung, 1928–32 als Ordinarius für Gynäkol. und Geburtshilfe an der dt. Univ. Prag; 1931 o. Prof. 1932–42 leitete er die II. Univ.-Frauenklinik in Wien. Bereits im Vorfeld (1931) sorgte diese Anstellung für Kritik, da W. dem bedeutenderen →Josef v. Halban vorgezogen und dies mit der antisemit. Einstellung des Unterrichtsministers Emmerich Czermak in Verbindung gebracht wurde. 1935 wurde aufgrund anonymer Anzeigen wegen vermeintl. Kritik an der Vaterländ. Front, deren Mitgl. er war, und an der Regierung sowie wegen eines angebl. durch ihn verschuldeten Todesfalls ein Disziplinar- und Strafverfahren gegen W. eingeleitet und er suspendiert. Diese Vorwürfe erwiesen sich als haltlos, weshalb die Verfahren eingestellt wurden und W. Anfang 1936 auf seinen Posten zurückkehren konnte. Im Krieg leitete er die Röntgenabt. seiner Klinik, wobei es ihm gelang, moderne Apparate zu beschaffen. 1942 trat er i. d. R. In seiner Zeit bei Wertheim, als dessen Erbe er gem. mit Paul Werner gilt, machte er sich dessen Wissen um die Behandlungen von Krebserkrankungen zu eigen und entwickelte diese weiter. Bes. Interesse hatte er am Uteruskarzinom und der Schwangerschaftspyelitis sowie an anderen urolog.-gynäkolog. Themen. Darüber hinaus galt er als geschickter Operateur und propagierte die Filmaufnahme wichtiger Operationen und Krankheitsfälle zu Unterrichtszwecken. 1917 erschien seine „Einführung in die gynäkologische Diagnostik“ (9. Aufl. 1946), 1923 „Die gynäkologische Operationslehre der Schule Wertheims“ sowie 1937 mit dem mehrfach aufgelegten zweibändigen „Lehrbuch der Frauenheilkunde“ (8. Aufl. 1949, hrsg. durch Tassilo Antoine) seine wohl bedeutendste Publ. 1932 wurde W. zum o. Mitgl. des Obersten San.rats ernannt. Darüber hinaus war er ab 1906 Mitgl. der Ges. der Ärzte und Vors. der Ges. für Gynäkol. und Geburtshilfe (1933, 1939–41). Ab 1938 war er förderndes Mitgl. der SS.

Weitere W.: s. Lorenzsonn.
L.: Neues Wr. Journal, 12. 10. 1924; Kl. Volks-Ztg., 6. 11. 1931; Sbg. Chronik, 23. 12. 1935; Czeike; Jb. der Wr. Ges.; Der Morgen 22, 1931, Nr. 52, S. 8; B. Lorenzsonn, Personalbibliographien von Prof. und Doz. der I. und II. Univ.frauenklinik und der III. geburtshilfl. Klinik in Wien ... 1905–30, med. Diss. Erlangen-Nürnberg, 1973, S. 83ff. (m. W.); A. Schaller, Die Wertheim-Klinik, 1992, s. Reg.; L. Hlaváčková – P. Svobodný, Biograph. Lex. der dt. med. Fak. in Prag 1883–1945, 1998; K. H. Tragl, Chronik der Wr. Krankenanstalten, 2007, s. Reg.; K. M. Staudigl-Ciechowicz, Das Dienst-, Habil.- und Disziplinarrecht der Univ. Wien 1848–1938, 2017, S. 643ff.; UA, Wien (m. B.).
(G. Vavra)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 44
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