Weigl, Joseph (1766–1846), Kapellmeister und Komponist

Weigl Joseph, Kapellmeister und Komponist. Geb. Eisenstadt, Ungarn (Bgld.), 28. 3. 1766; gest. Wien, 3. 2. 1846 (Ehrengrab: Wr. Zentralfriedhof); röm.-kath. Sohn von →Joseph (Franz) W. und →Anna Maria W., geb. Scheffstoß (beide s. u. Thaddäus W.), Bruder von →Thaddäus W., Patenkind von Joseph Haydn; ab 1802 mit Elisabeth W., geb. Berthier, der Kammerdienerin Kn. Maria Theresias, verheiratet. – Ab 1769 lebte die Familie in Wien, wo W.s Talent schon früh die Aufmerksamkeit Florian Leopold Gassmanns fand; eine erste musikal. Ausbildung erhielt er 1775/76 in Korneuburg durch den Chorregenten Sebastian Witzig, sodann in Wien durch Johann Georg Albrechtsberger. Sein im Alter von 16 Jahren ursprüngl. als Marionettenoper konzipiertes Singspiel „Die unnütze Vorsicht“ gelangte auf Betreiben Christoph Willibald  Glucks und →Antonio  Salieris 1783 im Hofburgtheater durch das Nationalsingspiel K. Josephs II. zur Auff. Gesellschaftl. bestens vernetzt, ergaben sich weitere förderl. Kontakte zu Protagonisten des Wr. Musiklebens über Gottfried van Swieten und Wolfgang Amadeus Mozart. Salieri, bei dem sich W. seit Mitte der 1780er-Jahre in Partiturspiel und Opernkomposition schulte, vermittelte ihm Aushilfstätigkeiten an den Hoftheatern, wo er bald eine Festanstellung erhielt und die Einrichtung, Einstudierung und (gelegentl.) Leitung des italien. Repertoires übernahm, darunter in enger Zusammenarbeit mit Mozart dessen „Le nozze di Figaro“, „Don Giovanni“ und „Così fan tutte“. Auch steuerte W. erste eigene Opere buffe wie „Il pazzo per forza“ (Urauff. 1788) und „La caffettiera bizzarra“ (Urauff. 1790) zum Spielplan bei. Ende 1790 ernannte ihn K. Leopold II. zum Leiter der Hofoper. Da Kompositionsaufträge indes v. a. an auswärtige Komponisten ergingen, wandte sich W. zwischenzeitl. dem Theater in der Leopoldstadt und dem dt. Singspiel zu („Der Strazzensammler“, Urauff. 1792). Erst unter K. →Franz II. (I.) ließ er seine im italien. Fach systemat. erarbeiteten Erfahrungen in erfolgreiche Werke wie die von Haydn gelobte „La principessa d’Amalfi“ (Urauff. 1794) und „L’amor marinaro“ (Urauff. 1797) einfließen. Zugleich widmete er sich intensiv dem Ballett, für das er in Kooperation mit den Ballettmeistern Anton Muzzarelli, Salvatore Viganò und Giuseppe Traffieri Stücke wie „Pigmalione“, „Riccardo cor di Leone“, „Il ratto d’Elena“ und „Alonso e Cora“ komponierte. Auch verf. er regelmäßig Festkantaten für adelige Auftraggeber wie die Esterházy, Auersperg und Lobkowitz sowie namentl. den Hof. Die enge Beziehung zu Kn. Maria Theresia, unter deren Mitwirkung 1800 in Schönbrunn W.s Opera semiseria „L’uniforme“ uraufgef. worden war, führte 1802 zu einer mit jährl. 3.000 fl dotierten Anstellung als Opernkapellmeister auf Lebenszeit; den Ruf als württemberg. Hofkapellmeister nach Stuttgart schlug W. daraufhin aus. Für seine im selben Jahr auf Vermittlung der Kn. erfolgte Hochzeit konnten mit →Peter Frh. v. Braun und →Andreas Joseph Frh. v. Stifft einflussreiche Trauzeugen gewonnen werden; die Patenschaft für die älteste Tochter wurde 1803 von der Regentin selbst übernommen. Zur finanziellen Absicherung der Familie trat W. 1807 der Tonkünstler-Societät bei. 1804 entstanden zur jährl. Verwendung von der Kn. in Auftrag gegebene Passions- und Auferstehungs-Oratorien. Mit Stolz blickte W. auf Kompositionsaufträge für die Mailänder Scala („Cleopatra“, Urauff. 1807; „Il rivale de se stesso“, Urauff. 1808; „Lʼimboscata“, Urauff. 1815), erlangte immense Popularität v. a. aber dank seiner vielfältigen Beitrr. zum dt.sprachigen Repertoire, das er sich ausgehend von dem ursprüngl. für →Ludwig van Beethoven gedachten „Vestas Feuer“ (Urauff. 1805) planvoll erschloss. Erfolgswerken wie „Adrian von Ostade“ (Urauff. 1807), „Das Waisenhaus“ (Urauff. 1808) und bes. „Die Schweizer Familie“ (Urauff. 1809) wurde eine breite, lang anhaltende Rezeption zuteil. Die als Kapellmeister gesammelten Kenntnisse der in Wien äußerst beliebten französ. Opéra comique fanden überdies Eingang in Stücke wie „Franziska von Foix“ (Urauff. 1812) und „Die Jugend Peter des Großen“ (Urauff. 1814), der einzigen Festoper aus Anlass des Wr. Kongresses. Mit dem Versuch, an neuere Tendenzen wie die durchkomponierte Oper („Daniel in der Löwengrube oder Baals Sturz“, Urauff. 1820) oder die romant. Oper („Die eiserne Pforte“ nach E. T. A. Hoffmann, Urauff. 1823) anzuschließen, konnte W. dagegen nicht reüssieren. Vielmehr warf man ihm vermehrt vor, mangelnde Originalität durch handwerkl. Geschick zu kaschieren und eine fortschrittl. Ausrichtung der Wr. Hoftheater zu blockieren. Vom Bühnenbetrieb zurückgezogen, wurde W. 1826 zum Vizehofkapellmeister ernannt und komponierte zwischen 1827 und 1837, dem Jahr seines Ruhestands, neun große Orchestermessen. Das Amt des Dir. am neuen Mailänder Konservatorium hatte er 1808 abgelehnt, war 1812 indes zum Ehrenmitgl. desselben geworden. Zu seinen Ämtern und Ehrungen zählen zudem die Ehrenmitgl.schaft in der Ges. der Musikfreunde 1826 sowie die Goldene Civil-Ehrenmedaille 1839. Sein Nachlass wird in der Musiksmlg. der Österr. Nationalbibl. verwahrt.

Weitere W. (s. auch MGG; Grasberger): Opern und Singspiele: Das Petermännchen, 2 Tle., 1794, Giulietta e Pierotto, 1794, Das Dorf im Gebirge, 1798, K. Hadrian, 1807, Der Einsiedler auf den Alpen, 1810, Die Verwandlungen, 1810, Der Bergsturz, 1812, Die Nachtigall und der Rabe, 1818, Kg. Waldemar oder Die dän. Fischer, 1821, Edmund und Caroline, 1821; Landwehrlieder, 1809; 22 Kantaten; 7 Schauspielmusiken; 25 Ballette; wenige Instrumentalkompositionen.
L.: MGG I (m. B. u. W.), II (m. W.); A.  Schmidt, Denksteine, 1848, S. 163ff. (m. B.); W.  Bollert, Aufsätze zur Musikgeschichte, 1938, S. 95ff.; F.  Grasberger, J. W., phil. Diss. Wien, 1938 (m. W.); R.  Angermüller, in: Dt. Jb. der Musikwiss. 16, 1973, S. 46ff.; T.  Reichenberger, J. W.s italien. Opern …, geisteswiss. Diss. Wien, 1983; A.  Landau, in: A.  Gerhard – A. Landau, Schweizer Töne, 2000, S. 65ff.; T.  G. Waidelich, in: Schubert: Perspektiven 2, 2002, S. 167ff.; J.  A. Rice, Empress Marie Therese and Music at the Viennese Court …, 2003, s. Reg.; T.  G. Waidelich, Das Bild der Schweiz in der österr. Musik des 19. Jh., 2005, passim; F.  Kolb, Exponent des Wandels. J. W. und die Introduktion in seinen italien. und dt.sprachigen Opern, 2006; K. Pietschmann, in: Oper im Aufbruch, ed. M. Ch. Lippe, 2007, S. 323ff.; F. Kolb, in: Französ. Oper in Wien um 1800, ed. M. Skamletz, 2019.
(F. Kolb)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 52f.
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