Weinlich (Amann-Weinlich), Josephine (Josefine) (Josefa Maria) (1848–1887), Pianistin, Dirigentin und Komponistin

Weinlich (Amann-W.) Josephine (Josefine) (Josefa Maria), Pianistin, Dirigentin und Komponistin. Geb. Dejte, Ungarn (Dechtice, SK), 2. 8. 1848; gest. Lissabon (Lisboa, P), 9. 1. 1887; röm.-kath. Tochter des Fabrikanten und Volkssängers Franz W. (Veinlich) (geb. Worlitschka, Böhmen / Orličky, CZ, 11. 11. 1801; gest. Wien, 26. 9. 1869) und der Dienstmagd Josepha W., geb. Hoschna (geb. Elhenitz, Böhmen / Lhenice, CZ, 2. 1. 1824), Schwester der Cellistin Elise (Elisabeth) W. (geb. Wien, 19. 7. 1855), Mutter u. a. des Kaufmanns und Fado-Dichters Romeu Amann (geb. 1872); ab 1870 verheiratet mit Ebo Amann (geb. Lienz, Tirol, 22. 5. 1844; gest. Wien, 7. 3. 1899), dessen Namen sie erst drei Jahre später im Doppelnamen führte. – W. genoss eine gute private Ausbildung – sie beherrschte drei Sprachen und zwei Instrumente –, ehe ihr Vater sein Vermögen verlor. Dieser erwarb daraufhin eine Konzession für eine Volkssänger-Ges. mit zwei Lizenzen für das Auftreten seiner Töchter. So war W. 1863–65 mit ihrem Vater in zahlreichen Wr. Gaststätten als Komödiantin tätig und ab 1865 auch als Klavierbegleiterin anderer Volkssänger wie Jakob Binder, Karl Drexler, →Wenzel Seidl und Amalie Zeidler, für die sie auch Lieder komponierte. Erst als ein Mäzen in ihr Leben trat, konnte sie ihre Stud. wieder aufnehmen. 1867 suchte sie per Inserat eine Geigerin und eine Cellistin und gründete mit drei weiteren Musikerinnen das Neue Wr. Damen-Orchester, dessen erstes Konzert Mitte August 1868 in der Dreher’schen Bierhalle in der Ungargasse (Wien 3) stattfand. Von Beginn an trat das Ensemble regelmäßig in den bekanntesten Wr. Vergnügungs-Etablissements auf, oft auch unter dem Namen Josefine Weinlich’s Damenkapelle. Im Repertoire befanden sich neben Opernouvertüren und Werken von →Johann Strauß (Sohn), →Josef Strauß und →Eduard Strauß auch W.s eigene Kompositionen, die in Wien verlegt wurden. Im Frühjahr und Sommer 1869 unternahm das Orchester eine Tournee nach Graz, Laibach, Bozen, Innsbruck, München und Prag. Im August 1871 ging es auf Gastspielreise durch die Vereinigten Staaten, die jedoch so schlecht organisiert war, dass einige Mitgl. auf eigene Kosten zurückreisten oder Engagements in den USA annahmen. Von den ursprüngl. 20 Musikerinnen beendete nur eine kleine Gruppe um W. die Tournee im Mai 1872. Noch im selben Jahr reiste W. mit einem neu gegr. Damenorchester nach St. Petersburg, das bis Anfang 1873 im tägl. ausverkauften Orpheum spielte. Im Mai darauf fand das erste Konzert des Ersten Europ. Damen-Orchesters unter W.s Leitung im Großen Saal des Wr. Musikver. statt. Es spielten dabei 33 Musikerinnen und 7 Knaben an den Blechblasinstrumenten, die zuvor aus Mangel an Musikerinnen unbesetzt geblieben waren. Zu den Solistinnen des Abends gehörte auch W.s Schwester Elise. Im Sommer 1873 konzertierte das Orchester im Rahmen der Weltausst. jeden Abend in den Blumensälen der Gartenbauges. Im September brach es zu einer großen Tournee nach Dresden, Leipzig, Berlin und Paris auf, wo es bis 1874 blieb. Danach folgten Konzerte in Mailand, Bologna, Neapel, London, Exeter und Brighton. Im Sommer 1875 absolv. es neuerl. eine Konzertserie in den Blumensälen wie auch im 3. Café im Wr. Prater und hatte im November viele erfolgreiche Auftritte in Berlin. Im Jänner 1876 spielte man in Riga, Königsberg, Kopenhagen, Schweden, in den Niederlanden und in Dtld. Dort kam es zur Auflösung des Orchesters, nachdem W. aufgrund einer Augenkrankheit in Hannover zurückbleiben musste, der Kassier mit den Einnahmen in Berlin verschwand und die Kostüme der Musikerinnen verpfändet wurden. Laut einer Ztg.notiz trat W. 1877 noch als Dirigentin der Rgt.kapelle in Hamburg auf, das Damenorchester wurde aber nicht neu formiert. 1878 gründete W. mit Marianne Stresow, Violine, Charlotte Deckner, Viola, und Elise W., Violoncello, das Cäcilien-Quartett, mit dem sie in Kopenhagen, Kiel und Hamburg auftrat. Danach konzertierte sie mit ihrer Schwester und dem Sänger Georg Harmsen im Gran Teatre del Liceu in Barcelona. Ab 1879 lebte W. mit ihrem Mann, ihren Kindern sowie ihrer Schwester in Lissabon. Dort gelang es Amann, seine Frau als Leiterin des städt. Orchesters einzusetzen, und so dirigierte W. im Februar und März 1879 eine Serie von „Concertos Vienenses“ im Teatro da Trindade, in denen auch Harmsen und Elise W. auftraten. Amann erhielt eine Konzession zur Durchführung von Abendveranstaltungen im Passeio Público und übernahm als Empreza Amann das Coliseo de Lisboa (früher Circo Price), wo W. auch im Sommer 1879 dirigierte. Danach wurde sie vom Dirigenten Louis Brenner (möglicherweise Ludwig v. Brenner) immer öfter abgelöst, bis sie schließl. nur mehr als Klavierlehrerin tätig war. Mit finanzieller Unterstützung ihres Mannes gab W. die Z. „Gazeta Musical“ heraus, in der sie auch eigene Kompositionen publ.

W.: s. Marx – Haas; Harper; Europ. Instrumentalistinnen.
L.: FB, 25. 12. 1871; Illustrirtes Wr. Extrabl., 23. 12. 1873; Die Presse, 23. 12. 1876; Diario Illustrado, 10. 1. 1887; Wurzbach; Illustrirte Ztg. (Leipzig) 61, 1873, S. 307, 310, 312 (m. B.); E. Vieira, Diccionario biographico de musicos portuguezes 1, 1900; P. de Carvalho, Historia do Fado, 1903, S. 211f., 269; E. Marx – G. Haas, 210 österr. Komponistinnen …, 2001, S. 423 (m. W.); A. Babbe, „Ein Orchester, wie es bisher in Europa noch nicht gesehen und gehört worden war“. Das „Erste Europäische Damenorchester“ von J. A. …, 2011; N. L. Harper, Portuguese Piano Music, 2013, S. 49f. (m. W.); Europ. Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jh. / Sophie Drinker Inst. (m. W., nur online, Zugriff 15. 7. 2018); HHStA, Pfarre Schottenfeld, WStLA, alle Wien.
(R. Müller)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 73f.
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