Weiss von Csepel, Manfréd Baron (1857–1922), Großindustrieller

Weiss von Csepel Manfréd Baron, Großindustrieller. Geb. Pest (Budapest, H), 11. 4. 1857; gest. ebd., 25. 12. 1922; mos. Sohn des Kaufmanns und Mitbegründers der Dampfmühlen-AG Első Pesti Gőzmalom Rt. Adolf Baruch Weiss (geb. Pest, 1806; gest. Budapest, 14. 10. 1877) und seiner Frau Éva Weiss, geb. Kánitz (geb. 1816; gest. Budapest, 13. 5. 1863), Bruder u. a. von Berthold Weiss (s. u.), Vater u. a. des Ing. und Industriellen Jenő Baron W. v. C. (geb. Budapest, 14. 9. 1887; gest. München, D, 9. 3. 1983) und des Ing. und Industriellen Alfonz Baron W. v. C. (geb. Budapest, 2. 7. 1890; gest. 7. 7. 1992), Schwager des Ökonomen, Großindustriellen, Bankiers und Politikers Móric Baron Kornfeld sowie des Fabrikanten und Bergwerksbesitzers Ferenc Chorin; ab 1884 verheiratet mit Alice Baronin W. v. C., geb. v. Wahl (geb. Wien, 12. 2. 1865; gest. Budapest, 27. 1. 1904), Tochter von Albert Ritter v. Wahl, Gen.dir. der Alföld-Fiumaner-Bahn. – W. absolv. 1873 die Handelsakad. in Budapest. 1873–77 etablierte er sich in Hamburg im Kolonialwarenhandel, kehrte jedoch aufgrund der Erkrankung seines Vaters nach Budapest zurück und trat 1877 in das Getreidehandelsunternehmen der Familie ein. 1878, während des Okkupationsfeldzugs in Bosnien und der Herzegowina, belieferte das Unternehmen die Armee. In den 1880er-Jahren traten Immobilieninvestitionen sowie Fabriksgründungen in den Vordergrund der Unternehmenspolitik. 1883 gründete W. gem. mit seinem Bruder die erste Konservenfabrik in Ungarn, die sich zunächst in der Soroksárer út, ab 1892 auf der Insel Csepel in Budapest befand, und 1885 gem. mit diesem und →Isidor Mautner eine Textilwarenfabrik in Rosenberg. In der Csepeler Fabrik wurde bereits ab 1886 u. a. auch Munition produziert. 1890 erfolgte in Berlin die Gründung einer Tochterges., in der Waffenmagazine für die Streitkräfte des Dt. K.reichs hergestellt wurden. Nach dem Austritt von W.s Bruder 1896 entwickelte sich das Unternehmen in Csepel zu einer der führenden Eisenfabriken und zugleich zu einem der wichtigsten Waffenlieferanten der Monarchie. Ende der 1890er-Jahre waren rund 1.600 Arbeiter beschäftigt, allein 1898 lieferten die W.’schen Werke 70.000 Repetiergewehre an die Armee. Ab 1913, nach der Gründung der AG Manfred Weiss, Munitions-, Stahl- und Metallwerke, bzw. während des 1. Weltkriegs gehörte das Unternehmen zu den größten Waffen- und Munitionszulieferern der Mittelmächte. 1919 kam es zur Verstaatlichung der Fabrik. Nach einem Selbstmordversuch lebte W. in Wien, kehrte jedoch nach der Machtübernahme von Miklós Horthy v. Nagybánya nach Ungarn zurück und stellte i. d. F. die Produktion auf landwirtschaftl. Maschinen, Emaillegeschirr und Gasherde um. Nach seinem Tod übernahmen seine Söhne Jenő Baron W. v. C. und Alfonz Baron W. v. C. sowie sein Schwager Ferenc Chorin die Leitung des Unternehmens, das 1944 arisiert und 1948 verstaatlicht wurde. Mitgl. des Verw.R. der priv. österr.-ung. Staats-Eisenbahnges., 1902 Mitbegründer und 1914–22 Vizepräs. des Ung. Industriellenverbands, war W. 1902–18 Mitgl. des Hauptstädt. Munizipal-Ausschusses in Budapest und ab 1915 Mitgl. des Magnatenhauses, des Weiteren Vizepräs. der ung. Landes-Kinderschutzanstalt und Mitgl. der leitenden Komm. der Franz Joseph-Landes-Rabb.-Schule in Budapest. 1896 nob. und ab 1918 Baron, erhielt W. 1901 den Orden der Eisernen Krone III. Kl. und 1910 das Komturkreuz mit Stern des Franz Joseph-Ordens. W.s Bruder, der Großindustrielle, Abg. und Fachschriftsteller Berthold Weiss (geb. Pest, 1845; gest. Kaltenleutgeben, NÖ, 11. 3. 1915), der ab 1877 mit Hermine W., geb. Blau (1858–1937), verheiratet war, besuchte das Gymn. in Pest, absolv. die Handelsakad. und stud. anschließend dort Jus (ohne Abschluss). 1871 wandte er sich dem Getreidehandel zu. Berthold W., der auf Kommunalebene bereits in den 1880er-Jahren die polit. Bühne betrat (1885 sowie 1892–1903 Mitgl. des Hauptstädt. Munizipal-Ausschusses in Budapest), war 1896–1905 Abg. der Liberalen Partei im ung. RT. 1890 Gründer und Vizepräs. der AG der Wirkwarenfabrik in Waitzen sowie Mitbegründer der Danubius Schiffswerfte, trat er im selben Jahr auch als Mitbegründer der Ung. Bank für Ind. und Handel AG auf. Des Weiteren regte er die Gründung der Zentralhypothekenbank der Ung. Sparkassen an und initiierte den Landes-Pensionsfonds der Privatbeamten. 1896 verkaufte er seine Anteile am Familienunternehmen. Berthold W., der entscheidend zur Industrialisierung der ung. Reichshälfte beitrug, publ. zur Reform der Notenbank und der Sparkassen („A jegybankügy reformja, tekintettel az osztrák-magyar bankviszonyra“, 1870; „Takarékpénztáraink reformjai“, 1899) sowie über die Statuten der Österr.-Ung. Bank („Az osztrák-magyar bank új alapszabályai“, 1898). Er war Dion.mitgl., 1893–1906 Vizepräs., 1906–07 Präs., ab 1907 Ehrenpräs. der Pester Lloyd-Ges., ab 1876 Mitgl. des Budapester Börsenschiedsgerichts, 1914 Mitbegründer, i. d. F. Dion.mitgl. des Ung. Industriellenverbands sowie Dion.mitgl. des ung. Landes-Ind.ver. Für seine Verdienste erhielt er 1885 das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens; kgl. ung. HR.

Weitere W.: Berthold Weiss: Közgazdasági és közegészségügyi állapotok, tekintettel Pestre, 1869; Kereskedelmi hódítások, 1886; Budapest érdekei és a keleti vasút, 1887.
L. (tw. auch für Berthold Weiss): AZ, Bécsi Magyar Újság, Illustrierte Kronen Ztg., 27. 12. 1922; Enc. Jud.; Jüd. Lex.; M. Életr. Lex.; M. Zsidó Lex.; Révai; Szinnyei; ÚMÉL (m. B.); Wininger; Magyar politikai lex. 1, (1929); Három évtized története életrajzokban, ed. I. Gellért – E. Madarász, 1932; I. T. Berend – Gy. Ránki, Magyarország gyáripara az imperializmus első világháború előtti időszakában. 1900–14, 1955; E. Karsai – M. Szinai, in: Századok 95, 1961, S. 680ff.; Budapest lex., 1973; L. Varga, in: Századok 113, 1979, S. 108ff.; L. Varga, in: Történelmi Szemle 26, 1983, S. 36ff.; L. Varga, in: Acta Historica Scientiarum Hungaricae 30, 1984, S. 353ff.; G. Hoff, in: Hungarian Studies 7, 1991, S. 23ff.; É. Bán, in: Kritika 30, 1992, Nr. 10, S. 34ff.; L. Varga, in: Az úri Magyarország, ed. P. Léderer, 1993, S. 106ff.; Magyar nagylex. 18, 2004; J. J. Gudenus, Magyar főnemességi adattár (online, Zugriff 4. 11. 2018). – Berthold Weiss: Pester Lloyd, 12. 3. 1915.
(Á. Z. Bernád)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 96f.
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