Weitlof, Moritz Karl (1835–1905), Politiker, Jurist und Unternehmer

Weitlof Moritz Karl, Politiker, Jurist und Unternehmer. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 28. 1. 1835; gest. Wien, 2. 3. 1905 (begraben: Gresten, NÖ); röm.-kath. Sohn des Juristen und Gutsbesitzers Johann W. (geb. Prag, 28. 11. 1802; gest. Gloggnitz, NÖ, 4. 6. 1848), zuletzt Paarʼscher Wirtschaftsrat, und der Amalia W. (geb. Wien, 19. 12. 1809; gest. Gloggnitz, 12. 6. 1848), Tochter des Wr. Großhändlers, Bankiers (Mitgl. der Dion. der Österr. Nationalbank) und Besitzers der Herrschaft Gloggnitz Josef Ritter v. Wayna, Vater von Martha W. (geb. 1862), der späteren Schwiegertochter →Franz v. Schaubs, sowie des Forsting. Hans W. (1863–1927) und des im böhm. Warnsdorf tätigen Rechtsanwalts Victor W. (1866–1905), Stiefvater des Fabriks- und Gutsbesitzers Franz Ritter v. Raab (1868–1952); ab 1861 in 1. Ehe verheiratet mit Viktoria W., geb. Settele, verwitwete Conradi (geb. Wien, 17. 9. 1829; gest. Krems / Krems an der Donau, NÖ, 25. 12. 1869), ab 1890 in 2. Ehe mit der Fabrikantentochter Pauline W., geb. Heiser, verwitwete v. Raab (geb. Kienberg, NÖ, 9. 5. 1850; gest. Gresten, 20. 10. 1928). – Nach dem Besuch des Gymn. und einem Rechtsstud. in Wien (ab 1852; 1859 Dr. iur.) sowie der Konzeptspraxis an der Finanzprokuratur und der Gerichtspraxis war W. zunächst Advokaturskonzipient in Wien und ab 1868 Advokat in Krems, ab 1873 in Wien. Seit der 2. Heirat war er in der Geschäftsleitung und seit der 1896 nach dem Tod des Schwiegervaters vorgenommenen Neuregelung der Besitzverhältnisse gem. mit seinem Stiefsohn offener Ges. und Geschäftsführer der Achsenfabrik in Kienberg. Bereits während seiner Kremser Zeit wurde W. polit. aktiv (Obmann des Polit. und des Konstitutionellen Fortschrittsver.). 1869 gehörte er zu den Gründern des Dt. Ver. in Wien (Mitgl. des Ausschusses bis 1885). 1871 wurde er erstmals in den nö. LT gewählt; 1890–96 Mitgl. des Landesausschusses. 1881–91 saß er als Nachfolger →Rudolf Brestels im AH. Er schloss sich zunächst dem Klub der Vereinigten Fortschrittspartei und nach dem Zusammenschluss der dt.-liberalen und dt.-fortschrittl. Gruppen im November 1881 der Vereinigten Linken an. Nach den Neuwahlen 1885 war er Obmann-Stellv. des Dt. Klubs und schließl. seit der Bildung der Vereinigten Dt. Linken im November 1888 Mitgl. von deren Vorstand. Sowohl im LT als auch im AH galt W.s Interesse v. a. dem gewerbl. Unterricht, der Erhaltung bzw. Stärkung des dt. Schulwesens und des Dt.unterrichts in den gemischtsprachigen Gebieten der Monarchie sowie der Bekämpfung der Initiativen zur Erweiterung des kirchl. Einflusses auf das Volksschulwesen. Zu diesem Zweck hatte er sich 1880 führend an der Gründung des Dt. Schulver. beteiligt, dem er durchgehend bis zum Tod als Obmann vorstand. Im Gegensatz zu den Dt.nationalen lehnte er den Ausschluss jüd. Mitgl. aus dem Schulver. ab (1893 Ehrenmitgl. des Ver. zur Abwehr des Antisemitismus in Wien). Allerdings konnte er nicht verhindern, dass ab der Jh.wende antisemit. organisierte Ortsgruppen in den Schulver. aufgenommen wurden. W. war u. a. Mitgl. des Schul- und des Sprachenausschusses des AH und vertrat als Gen.redner das 1890 verabschiedete Gesetz über die äußeren Rechtsverhältnisse der israelit. Religionsges., das die Kultusgmd. auf eine neue rechtl. Basis stellte. 1892 wurde er vom AH zum Mitgl. des Staatsgerichtshofs gewählt, dem er bis zum Tod angehörte. Neben seiner polit. und wirtschaftl. Arbeit engag. er sich bereits frühzeitig im Feuerwehrwesen. Er gehörte 1875 zu den Gründern des Verbands der Unterstützungskassen der Freiwilligen Feuerwehren in NÖ (1877–1905 Obmann) und war ab 1893 Ehrenpräs. des nö. Landesfeuerwehrverbands; 1897 Ritter des Ordens der Eisernen Krone III. Kl.

W.: Religion oder Politik, 1874; Unsere heutige Volksschule und ihre Gegner, 1875; Die confessionellen Gesetze, 1875.
L.: NFP, NWT, 2. 3. 1905 (jeweils Abendausg.); Adlgasser; Wurzbach; A. Ritter v. Wotawa, Der Dt. Schulver. 1880–1905, 1905, S. 11; M. Streitmann, Der Dt. Schulver. vor dem Hintergrund der österr. Innenpolitik, phil. Diss. Wien, 1984; L. Höbelt, Kornblume und Kaiseradler, 1993, s. Reg.; P. M. Judson, Exclusive Revolutionaries. Liberal Politics, Social Experience, and National Identity in the Austrian Empire, 1848–1914, 1996, s. Reg.; UA, Wien.
(F. Adlgasser)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 103f.
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