Wessenberg von Ampringen, Johann Philipp Frh. (1773–1858), Diplomat und Politiker

Wessenberg von Ampringen Johann Philipp Frh., Diplomat und Politiker. Geb. Dresden, Sachsen (D), 20. 11. 1773; gest. Freiburg im Breisgau, Großhg.tum Baden (D), 1. 8. 1858; röm.-kath. Sohn des Prinzenerziehers am kursächs. Hof Philipp Karl (Carl) Frh. W. v. A. (geb. 6. 7. 1717; gest. 1794), Bruder des Theologen Ignaz Heinrich Frh. W. v. A. (geb. Dresden, 4. 11. 1774; gest. Konstanz, Großhg.tum Baden/D, 9. 8. 1860); verheiratet mit der Bankierstochter Marie Freifrau W. v. A., geb. Mühlens. – Nach einem Jusstud. in Freiburg im Breisgau und Straßburg trat W. 1794 in die vorderösterr. Regierung ein. 1799 ins Schweizer Hauptquartier der französ. Armee entsandt, nahm er Kontakt mit Erzhg. →Karl auf, woraufhin er 1801 in den diplomat. Dienst aufgenommen wurde. Seinen ersten Posten als Gesandtschaftssekr. in Berlin verließ er nach Differenzen mit seinem Vorgesetzten bereits 1802 und reiste privat nach Paris. 1803 wurde W. Ministerresident in Frankfurt am Main, 1805 Gesandter in Kassel. Nach dem französ. Einmarsch 1806 kehrte er nach Frankfurt zurück. Der Wr. Kriegspartei rund um →Johann Philipp Karl Gf. v. Stadion-Warthausen nahestehend, wurde W. 1809 Gesandter in Berlin, wo es ihm jedoch nicht gelang, Preußen zu einem Bündnis zu bewegen. Bereits nach einem Jahr abgelöst, übernahm er 1811 die Gesandtschaft in München. 1813 in einer Spezialmission nach London entsandt, geriet W. auf dem Rückweg im März 1814 in französ. Gefangenschaft, worauf Napoleon I. sich seiner annahm und ihn bei Fontainebleau den Österreichern übergab. W. nahm an den Pariser Friedensverhh. teil, begab sich von dort in einer Spezialmission nach Mailand und anschließend nach Wien. Zunächst mit der Neuordnung der illyr. und italien. Gebiete betraut, avancierte er wenig später zum 2. österr. Bevollmächtigten auf dem Wr. Kongress. →Klemens Wenzel Lothar Fürst Metternich-Winneburg ließ W. vornehml. die Ausschussarbeit zur dt. Verfassungsfrage leisten. Nach der Gründung des Dt. Bunds nahm W. als österr. Bevollmächtigter an den Frankfurter Territorialverhh. teil, die mit dem Gen.rezess von 1819 ihren Abschluss fanden. W. zog sich daraufhin ins Privatleben zurück. Erst in der europ. Krise von 1830 veranlasste Metternich seine Ernennung zum Gesandten in Den Haag. Zugleich nahm W. als österr. Bevollmächtigter an der Londoner Konferenz über die niederländ.-belg. Frage teil, wo er jedoch den Vorstellungen der brit.-französ. Seite mitunter näher stand als den Instruktionen Metternichs. Gegenüber den nationalen, konstitutionellen und sozialen Reformbestrebungen im Vormärz zeigte sich W. konzilianter als der Staatskanzler, was dazu beitrug, dass er 1835 seinen Haager Gesandtenposten verlor. Erneut zog sich W. ins Privatleben zurück, bis er nach Metternichs Sturz im Mai 1848 das Außenressort übernahm. Hier bemühte er sich zunächst um eine Klärung der Lage in Lombardo-Venetien, das ihm verloren schien. Mit seiner Bereitschaft zur Loslösung italien. Gebiete aus dem österr. Staatsverband konnte er sich jedoch nicht gegen die Armeeführung, insbes. gegen →Johann Josef Wenzel Gf. Radetzky v. Radetz, durchsetzen. W., seit Juli 1848 zugleich Ministerpräs., gewann mit seiner vermittelnden Politik weder die Zustimmung der Revolutionäre noch ihrer Gegner. Gesundheitl. angeschlagen, konnte er sich aus den Wirren der Wr. Oktoberrevolution retten, fungierte aber fortan in Olmütz nur noch pro forma als Regierungschef. Die tatsächl. Leitung der Politik lag bei →Felix Prinz zu Schwarzenberg, der im November 1848 auch offiziell die Regierungsgeschäfte übernahm. Nun zog sich W. endgültig ins Privatleben zurück und verbrachte seinen Lebensabend als polit. Beobachter in Freiburg. Sein Nachlass befindet sich im HHStA in Wien.

L.: ADB; Wurzbach; Briefe von J. Ph. Frh. v. W. aus den Jahren 1848–58 an Isfordink-Kostnitz 1–2, 1877; A. v. Arneth, J. Frh. v. W. … 1–2, 1898; F. Walter, Die österr. Zentralverwaltung 3, 1964, s. Reg.; K. Schneider – E. M. Werner, Europa in Wien. Who is who beim Wr. Kongress 1814/15, 2015, s. Reg.; HHStA, Wien.
(St. Lippert)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 158f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>