Westreicher, Engelbert (1825–1890), Bildhauer und Altarbauer

Westreicher Engelbert, Bildhauer und Altarbauer. Geb. Pfunds (Tirol), 20. 9. 1825; gest. Linz (OÖ), 20. 1. 1890; röm.-kath. Sohn eines Bäckermeisters, Vater von Franz W. – W. begann nach dem Schulbesuch in Pfunds und Imst seine Ausbildung zum Bildhauer bei →Franz X. Renn in Imst, in dessen Werkstatt er 1837 oder 1838 als Lehrling eintrat. 1843 ging W. nach München und arbeitete dort vorerst in der Werkstatt des Bildhauers Joseph Otto Entres und danach in dem Atelier, das Konrad Eberhard damals gem. mit seinem Tiroler Schüler Johann Petz betrieb. 1847 immatrikulierte W. an der ABK in München, verblieb dort jedoch nur bis in das Folgejahr und arbeitete danach zwei Jahre in der Werkstatt des Münchner Bildhauers Anselm Sickinger. 1850 erfolgte der Wechsel nach Innsbruck, wo er in das Atelier von →Michael Stolz eintrat. 1857 übersiedelte W. nach Linz, erwarb ein Haus und eröffnete ein eigenes Atelier, in dem er bald eine intensive Tätigkeit als Bildhauer und Altarbauer entfaltete. Noch im Jahr seiner Ankunft in Linz stellte er im Kunstver. aus und beschickte auch die Ausst. der Folgejahre regelmäßig. Der Beginn seiner Linzer Tätigkeit fällt zeitl. mit der expansiven Entwicklung der kath. Kirchenkunst in der Diözese Linz zusammen, die ab der Mitte der 1850er-Jahre von Bischof →Franz Josef Rudigier gefördert wurde; in diesem Zusammenhang hatte W. bereits 1856, damals noch im Atelier Stolz, am Hochaltar für die Stadtpfarrkirche Wels mitgearbeitet. Ab den 1860er-Jahren florierte W.s Atelier und lieferte komplette Kirchenausstattungen ebenso wie Teile davon (Altäre, Kanzeln und Orgelgehäuse), aber auch Hl. Gräber und Einzelfiguren. Den Großteil entwarf W. selbst, einzelne Aufträge führte er nach fremden Entwürfen aus, wie beispielsweise 1879 die Orgelflügel der Wr. Votivkirche nach Zeichnungen von →Hermann v. Riewel. Die Einrichtungsgegenstände wurden überwiegend unter Verwendung got. Formenguts ausgeführt, doch nutzte W. vereinzelt auch barocke Formen (z. B. Seitenaltäre, 1863 bzw. 1865, Kirche der Barmherzigen Brüder, Linz). 1887 entstand mit dem Hochaltar der Pfarrkirche von Schönau im Mühlkreis das 100. Altarwerk des Ateliers. Das Hauptabsatzgebiet lag in OÖ und den angrenzenden Kronländern, vereinzelt lieferte W. auch in andere Teile der Monarchie, erreichte jedoch den hohen Exportanteil der jüngeren Linzer Ateliers und der Ottensheimer Werkstätten nicht. W. dürfte bis zu seinem Tod tätig gewesen sein. Danach übernahm sein Sohn Franz den Betrieb, in dem er schon zuvor mitgearbeitet hatte, unter eigenem Namen. Die Reihe der bekannten Werke schließt jedoch bereits 1898 und das Atelier wurde vermutl. um die Jh.wende eingestellt. W. stellte die prägende Persönlichkeit in der Frühphase des kirchl. Historismus in OÖ dar und gründete den ersten großen Linzer Kirchenkunstbetrieb. Seine künstler. Wurzeln reichen noch in die Spätphase des Klassizismus hinein, doch entwickelte er einen spezif. Stil im Sinn eines strengen kirchl. Historismus, der den ästhet. Forderungen der geistl. Auftraggeber folgte. Gegen Ende seines Schaffens verlor er jedoch den Anschluss an die aktuellen Entwicklungen und machte den Wandel zum kirchl. Späthistorismus nur mehr in Ansätzen mit. W.s Œuvre umfasst über 100 Altäre, eine unbekannte Anzahl anderer kirchl. Einrichtungsgegenstände sowie einige Hundert Plastiken, durchwegs sakraler Thematik. Aufgrund der Zerstörung eines Teils der Werke im Zuge der Kirchenerneuerungen ab den 1960er-Jahren ist eine Gesamtrekonstruktion seines Schaffens kaum möglich.

Weitere W.: Hochaltar und zwei Seitenaltäre, 1859 (Pfarrkirche, Ottensheim); Kanzel, 1861, zwei Seitenaltäre, 1863 (beide Stadtpfarrkirche, Steyr); Bernhardialtar, 1863 (Hohenfurth); Hochaltar, 1865–66, Seitenaltar 1872, Kanzel und Herz-Jesu-Altar, 1883 (alle Pfarrkirche, Erla); Hochaltar und Kanzel, 1868, Seitenaltäre, 1874 (alle Neuhofen an der Ybbs); Hochaltar und Kanzel, 1877, Hl. Grab, 1878, Seitenaltäre, 1879 (alle Pfarrkirche, Bad Leonfelden); linker Seitenaltar, 1882 (Kapuzinerkirche, Linz); Lourdesgrotte, 1887 (Klosterkirche St. Franziskus, Waidhofen an der Ybbs); Hochaltar und Kanzel, 1889 (Pfarrkirche, Wendling).
L.: Linzer Ztg., 28. 2. 1865; Linzer Volksbl., 23. 1. 1890; Krackowizer; Thieme–Becker; Wurzbach; J. Schmidt, Linzer Kunstchronik 1, 1951, S. 131; B. Prokisch, Stud. zur kirchl. Kunst OÖ im 19. Jh., phil. Diss. Wien, 1984, 1, S. 83ff., 193ff., 2, passim.
(B. Prokisch)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 160
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