Weyr, Eduard (1852–1903), Mathematiker

Weyr Eduard, Mathematiker. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 22. 6. 1852; gest. Zaboř, Böhmen (Záboří nad Labem, CZ), 23. 7. 1903; röm.-kath. Sohn des Realschullehrers für Mathematik und Physik Franz W. (1820–1889) und der Marie W., geb. Rumpl (1825–1889), Bruder u. a. von →Emil W., Friedrich W. (1853–1908), Chemiker und Zuckerfabriksdir. in Hullein, Anna W. (1854–1884), der Frau von →August Seydler, und Helena W. (1867–1955), Schwägerin von →Alfred Grünfeld, Onkel u. a. von Franz W. (geb. Wien, 25. 4. 1879; gest. Brno, Tschechoslowakei/CZ, 29. 6. 1951), Richter und Prof. an der Univ. Brünn, Präs. des statist. Staatsamts und Mitarb. an der tschechoslowak. Verfassung von 1920; ab 1890 mit Leopoldina W., geb. Pazderníková (gest. 30. 4 1895), ab 1897 mit Terezia W., verwitwete Teige (Teigeová), geb. Štětková (geb. 12. 5. 1869; gest. 17. 12. 1920), verheiratet. – W. besuchte 1862–67 die dt. Oberrealschule in Prag, wo sein Vater unterrichtete, konnte allerdings krankheitsbedingt die 6. Kl. nicht abschließen. Ab 1867 stud. er zunächst als ao. Hörer, ab 1868 als o. Hörer Mathematik am polytechn. Inst. in Prag, u. a. bei Karl Josef Küpper. Daneben besuchte er als ao. Hörer auch Vorlesungen an der Univ. Prag und publ. bereits in den „Sitzungsberichten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien“. Nach seinem Einjährig-Freiwilligen-Jahr 1871–72 vertiefte W. seine Kenntnisse in Göttingen; 1873 Dr. phil. ebd. Ab Oktober 1873 stud. W. in Paris bei Joseph Serret und Charles Hermite die Theorie der ellipt. Funktionen, wobei er gem. mit Letzterem auch publ. 1874 kehrte er nach Prag zurück, wo er als Ass. Küppers am dt. polytechn. Inst. 1875 zum Priv.Doz. für Mathematik ernannt wurde; 1876 ao. Prof. ebd., 1881 o. Prof. der Mathematik an der tschech. TH. 1876 habil. er sich auch für neuere Geometrie an der Univ. Prag, wo er bereits nach dem Abgang seines Bruders unterrichtet hatte. Rufe an die Univ. Agram 1874, Innsbruck 1878, Czernowitz 1881 und Wien 1890 lehnte er ab. 1891 suppl. er zusätzl. als Prof. der synthet. Geometrie an der tschech. Univ. Prag. An der tschech. TH war W. 1882–83, 1886–87 und 1898–99 Leiter der Abt. für Techn. Chemie, 1881–82 und 1888–89 Leiter der Abt. für Bautechnik sowie 1896–97 Leiter der Bauing.abt.; 1884/85 und 1890/91 Rektor. Der Berufung als o. Prof. an die tschech. Univ. Prag 1903 konnte er nicht mehr Folge leisten. Gem. mit Emil W. verf. er das erste bedeutende Werk über Geometrie auf Tschech., „Základové vyšší geometrie“ (3 Tle., in: Živa. Sborník vědecký Mus. království Českého 8, 1871, 11, 1874, 12, 1878). Weiters erschienen „Projektivna geometrie: základných útvarů prvniho řádu“ (in: Sbornik Jednoty českých mathematiků 1, 1898, 2. Aufl. 1911) und „Počet differenciálný“ (ebd. 5, 1902) sowie Darstellungen seiner Forschungen (u. a. „O theorii forem bilinearných“, in: Spisův poctěných jubilejní cenou Královské české společnosti nauk v Praze 2, 1889; „O theorii ploch“, ebd. 6, 1891). Zu seinen Lebzeiten galt Emil W. als der bekanntere Wiss., nachhaltiger erwiesen sich jedoch W.s Forschungen, denn seine Arbeiten werden auch heute noch rezipiert und zitiert. Sie beschäftigen sich hauptsächl. mit Geometrie und linearer Algebra sowie mit Analysis. W. entdeckte die nach ihm benannte W. canonical form einer quadrat. Matrix (auch W. form, W. characteristic, W. matrix und W.s theory of characteristic numbers). W. war einer der ersten Mathematiker, die dazu beitrugen, die Matrizentheorie mit jener der bilinearen und quadrat. Formen in Verbindung zu bringen. Ab 1882 red. er die Z. „Časopis pro pěstování mathematiky a fysiky“. W. war ab 1876 ao., ab 1892 o. Mitgl. der Kgl. böhm. Ges. der Wiss., ab 1890 ao. Mitgl., ab 1891 o. Mitgl. der Böhm. K. Franz Joseph-Akad. der Wiss., Literatur und Kunst in Prag sowie ab 1890 k. M. der südslav. Akad. der Wiss. und Künste in Agram.

Weitere W.: s. Poggendorff 3–4; Wurzbach; Petr.
L.: Poggendorff 3–4 (m. W.), 6; Wurzbach (m. W., s. u. Emil W.); K. Petr, in: Almanach České akad. Císaře Františka Josefa … 14, 1904, S. 143ff. (m. B. u. W.); A. N. Feldzamen, in: Bulletin of the American Mathematical Society 65, 1959, S. 79ff.; J. Folta – L. Nový, in: Sto let České vysoké školy technické v Praze (1869–1969), 1969, S. 253ff.; E. W. 1852–1903, ed. J. Bečvář, 1995 (m. B.); L. Čechová, in: Mathematics throughout the ages, ed. E. Fuchs, 2001, S. 296ff.; J. Bečvář, in: Místo národních jazyků ve výchově, školství a vědě v habsburgské monarchii 1867–1918 …, ed. H. Binder u. a., 2003, S. 497ff., 743f.; M. Bečvářová, Česká matematická komunita v letech 1848 až 1918, 2008, s. Reg.; M. Bečvářová u. a., in: Sudhoffs Archiv 92, 2008, S. 102, 104f.; M. Bečvářová, České kořeny bulharské matematiky, 2009, s. Reg.; J. Bečvář, in: The Bulletin of the International Linear Algebra Society 44, 2010, S. 20f.; K. C. O’Meara u. a., Advanced Topics in Linear Algebra. Weaving Matrix Problems through the W. Form, 2011.
(M. Pesditschek)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 165f.
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