Wickenburg (Capello von Wickenburg), Matthias Constantin Gf. von (1797–1880), Politiker und Gutsbesitzer

Wickenburg (Capello von Wickenburg) Matthias Constantin Gf. von, Politiker und Gutsbesitzer. Geb. Pesch, Preußen (abgekommen, D), 16. 7. 1797; gest. Gleichenberg Kurort (Bad Gleichenberg, Stmk.), 26. 10. 1880; röm.-kath. Sohn des kurpfälz. Gen. und Gesandten Anton Anselm Gf. v. W. (geb. 14. 10. 1750; gest. Wien, 19. 4. 1813) und der Lucia Maria (Lucie) Gfn. v. W. (1765–1823), Tochter des kurpfälz. Diplomaten und Gutsbesitzers Heinrich Theodor Reichsgf. v. Hallberg, Vater u. a. des Rtm., Präs. des Gleichenberger und Johannisbrunner Aktien-Ver. und Bgm. von Gleichenberg Kurort Ottokar Gf. v. W. (geb. Graz, Stmk., 15. 8. 1831; gest. Maiernigg, Ktn., 22. 8. 1904; begraben: Bad Gleichenberg) und des Schriftstellers Albrecht Gf. v. W. (geb. Graz, 4. 12. 1838; gest. Wien, 18. 12. 1911), Großonkel von →Eduard Gf. v. W., →Markus Gf. v. W. und →Stephan Gf. v. W., Großvater u. a. des Schriftstellers Robert Gf. v. W. (geb. Schloss Lehenhof, NÖ, 5. 6. 1874; gest. Kasern/ Salzburg, Sbg., 28. 9. 1927), des Malers und Graphikers Alfred Gf. v. W. (geb. Gleichenberg Kurort, 26. 7. 1885; gest. Graz, 25. 12. 1978) sowie von Max Gf. v. W. (s. u.), Urgroßvater des Präs. (1980–88) des österr. P.E.N-Clubs Erik (Erich) Gf. v. W. (geb. Kasern, 19. 1. 1903; gest. Wien, 7. 9. 1998), Schwiegervater der Schriftstellerin Wilhelmine Gfn. v. W., geb. Gfn. Almásy v. Zsádány u. Tőrők-Szent-Miklós (geb. Ofen/Budapest, H, 8. 4. 1845; gest. Fagen, Tirol / Bozen/Bolzano, I, 22. 1. 1890); ab 1829 verheiratet mit Emma Gfn. v. W., geb. Gfn. d’Orsay (geb. Wien, 10. 9. 1813; gest. Graz, 7. 2. 1880, begraben: Bad Gleichenberg). – W. verbrachte bereits die Kindheit in Wien, wo sein Vater seit 1797 kurpfälz. Gesandter war. Nach dem Rechtsstud. an der Univ. Wien trat er 1816 bei der nö. Regierung in den Staatsdienst und war anschließend an der allg. Hofkammer und der vereinigten Hofkanzlei tätig. 1824 wurde er Rat an der nö. Regierung und wirkte ab 1826 als Kreishptm. in Krems. Ab 1830 leitete er als Gubernial-Vizepräs. die stmk. Regierung und wurde 1835 zum Gouverneur in Graz ernannt. Obwohl Anfang Oktober 1848 noch als Innenminister im Gespräch, wurde er Ende November zunächst beurlaubt und Ende Februar 1849, trotz zahlreicher Solidaritätsadressen aus der Stmk., i. d. R. versetzt. Der Anlass war sein Verhalten im Oktober 1848, insbes. die Bildung eines Grazer Sicherheitskomitees unter Einschluss der Kmdt. der Nationalgarde und der Akadem. Legion sowie seine, nach kurzem wieder zurückgezogene, Zustimmung zur Aufstellung eines stmk. Landsturms zur Unterstützung des Wr. Aufstands. Ende Jänner und Anfang Februar 1849 kandidierte W. in zwei Nachwahlen in der Stmk. für den RT, unterlag jedoch sowohl in Marburg (in der Stichwahl) als auch in Bruck an der Mur. I. d. F. widmete sich W. v. a. dem auf seine Initiative hin 1836 gegr. Kurbad Gleichenberg (1836/37 Bau der Villa W., 1859 Erweiterung). Das rheinländ. Familiengut Lantershofen wurde bereits 1851 verkauft, der nö. Gutsbesitz (Wallsee, Ulmerfeld, Edla und Stift Ardagger) 1861/62. Erst 1856 kehrte W. in das öff. Leben zurück, als er bei Gründung der Kn. Elisabeth-Bahn (Westbahn) zum Präs. des Verw.R. gewählt wurde. Im Februar 1861 übernahm er im neu ernannten Kabinett Erzhg. →Rainer Ferdinands das wiedererrichtete Min. für Handel und Volkswirtschaft und leitete von Jänner bis August 1862 auch das neu geschaffene Marineressort. In seine Amtszeit fallen die Einführung des Allg. Dt. Handelsgesetzbuchs und die letztl. gescheiterten Verhh. um einen Beitritt Österr. zum dt. Zollver. Im Oktober 1863 wurde W. als Minister entlassen, aber gleichzeitig als Mitgl. auf Lebenszeit ins HH berufen. Anlass für die Entlassung war die Verschiebung der Wr. Weltausst. über den ursprüngl. geplanten Termin 1865 hinaus. Der in seiner Amtszeit gegr. Wr. Stadterweiterungskomm. stand W. über das Ausscheiden aus dem Min. hinaus bis zu seinem Tod vor. Außerdem war er Präs. des österr. Zentralkomitees für die Beschickung der Pariser Weltausst. 1867. Im HH war W. zunächst v. a. in Finanz- und Wirtschaftsfragen sehr aktiv und wirkte ab 1869 als Referent der Budgetkomm. für den Etat des Handelsmin. Als Vertreter des HH wurde er im Juni 1868 zum Präs.-Stellv. und im März 1871 zum Präs. der Staatsschulden-Kontrollkomm. des Parlaments gewählt (bis 1874). Ab 1865 war W. auch im Verw.R. mehrerer Versicherungsges. aktiv und wurde nach dem Zusammenbruch der Elementar-Versicherungs-Aktien-Bank 1873 als deren Präs. wegen schuldhafter Krida angeklagt. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt. Nach 1873 zog er sich aus Politik und Wirtschaft zurück, blieb aber bis zum Tod Präs. des Gleichenberger und Johannisbrunner Aktien-Ver. 1868–73 war W. zudem Präs. des Alterthumsver. in Wien. Ab 1821 Kämmerer und ab 1835 Geh. Rat, wurde er 1841 zum Ritter I. Kl. des Ordens der Eisernen Krone ernannt, 1860 erhielt er das Großkreuz des Leopold-Ordens. Sein Enkel, der Minister Max Gf. v. W. (Capello v. W.) (geb. Wien, 21. 3. 1857; gest. Bräuhof, Stmk., 4. 2. 1918, begraben: Bad Gleichenberg), war ab 1882 verheiratet mit Gabriele Gfn. v. W., geb. Prakisch v. Znaimwerth (geb. Graz, 9. 7. 1858; gest. Bad Gleichenberg, 30. 6. 1928). Er trat nach dem Rechtsstud. in Graz (1874–78, 1879 Dr. iur.) bei der stmk. Statthalterei in den Staatsdienst ein, wo er nach Verwendungen in verschiedenen Bez.hptm.schaften zum Präsidialchef aufstieg. 1893 zum Bez.hptm. in Leoben ernannt, berief man ihn 1903 als HR an die Statthalterei in Linz. 1906 kam er als Sektionschef ins Unterrichtsmin. und wechselte 1908 in ders. Funktion in das neu errichtete Min. für öff. Arbeiten, das er von November 1908 bis Februar 1909 auch leitete. Von Jänner bis November 1911 war er Innenminister in den Kabinetten Bienerth und Gautsch. Ab 1913 bis zu seinem Tod fungierte er als Präs. der Ges. zur Hrsg. von Denkmälern der Tonkunst in Österr. Max W. war u. a. Ritter des Franz Joseph-Ordens (1898) sowie Träger des Ordens der Eisernen Krone I. Kl. (1911).

L.: ADB; Adlgasser; Wurzbach; A. P. Fuksas, Bad Gleichenberg, 1979, S. 49ff. (m. B.); A. P. Fuksas, Bad Gleichenberg, 1987, S. 15ff. (m. B.); Literatur- und kulturgeschichtl. Hdb. der Stmk. im 19. Jh. online (Zugriff 16. 12. 2019); Pfarre Trautmannsdorf, Stmk. – Max W.: Grazer Tagbl., NFP, RP, 5. 2. 1918; H. Dvorak, Biograph. Lex. der Dt. Burschenschaft 1/6, 2005 (m. B.); Pfarre St. Johann Nepomuk, Wien; Pfarre Bad Aussee, UA, Graz, beide Stmk.
(F. Adlgasser)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 173f.
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