Wiener von Welten, Eduard Ritter (1822–1886), Bankier, Großhändler und Gutsbesitzer

Wiener von Welten Eduard Ritter, Bankier, Großhändler und Gutsbesitzer. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 7. 7. 1822; gest. Wien, 14. 10. 1886; mos. Sohn von Hermann Michael Wiener (geb. Prag, 4. 3. 1797; gest. ebd., 11. 6. 1874) und Therese Wiener, geb. v. Lämel (geb. Prag, 12. oder 20. 3. 1797; gest. ebd., 22. 4. 1870), Neffe des Prager Bankiers und Großgrundbesitzers →Leopold v. Lämel; ab 1853 mit Henriette W. v. W., geb. Goldschmidt (geb. Frankfurt am Main, Freie Stadt/D, 8. 2. 1829; gest. Wien, 2. 8. 1904; ab 1890 röm.-kath.), verheiratet, der Tochter von Benedict Hayum Salomon Goldschmidt, Gründer des Bankhauses B. H. Goldschmidt in Frankfurt am Main und Paris sowie Konsul des Großhg.tums Toskana. – W. absolv. seine Lehrjahre in der Wr. Dependance des Prager Bankhauses Lämel und machte sich bald einen Namen in Wr. Bankkreisen. 1850 gründete er das Großhandelshaus gleichen Namens und beteiligte sich bereits 1855 mit der Subskription von 14,5 Mio. fl am Grundkapital und an der Gründung der Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe. Unter den weiteren führenden Subskribenten finden sich die Vertreter der damaligen Hochfinanz wie →Anselm Frh. v. Rothschild, Leopold v. Lämel, →Louis Haber Frh. v. Linsberg sowie →Jonas Frh. v. Königswarter. W. gehörte wie sein Onkel dem ersten Verw.R. der Credit-Anstalt an und blieb in diesem ohne Unterbrechung die folgenden zwei Jahrzehnte, ab 1866 als einer der beiden Vizepräs., führend tätig. In dieser Zeit baute er sein Prestige auf dem Wr. Finanzplatz weiter aus, wurde i. d. F. 1874 zum Präs. des Verw.R. der Credit-Anstalt gewählt und bekleidete diese Position bis zu seinem Tod. Schon gegen Ende der 1860er- und während der 1870er-Jahre war er als Repräsentant der Credit-Anstalt in den Verw.R. oder einzelnen Komitees der ihr nahestehenden Inst. vertreten. So fungierte er über mehr als ein Jahrzehnt als einer der Vertreter der Credit-Anstalt im Verw.R. der unter ihrer Ägide mit Beteiligung der Wr. Hochfinanz gegr. Ung. Allg. Creditbank. Seine Posten in verschiedenen Gremien reichten vom Banken- über den Verkehrs- und Transportsektor bis hin zur Lebensmittelbranche (Bankausschuss der Oesterr. Nationalbank, Revisionskomitee der Nö. Escompte-Ges., k. k. priv. Südbahnges., Administrator bei der Ersten k. k. priv. Donau-Dampfschiffahrts-Ges., Dion.mitgl. der Hütteldorfer Bierbrauerei-AG). Neben der gewichtigen Beteiligung an der Emission der Nationalanleihe zur Deckung der Kriegskostenentschädigung 1865 ist auch W.s Einsatz bei der Gründung verschiedener Ind.unternehmen und Bildungseinrichtungen, darunter einer Handelsakad., sowie für wohltätige Organisationen (u. a. war er Vorstand der Israelit. Allianz) zu nennen. 1870 beteiligte er sich mit 50.000 fl an der Dotierung des vom nö. Gewerbever. gegr. Garantiefonds zur Projektierung der Wr. Weltausst. und fungierte während ders. als Ausst.koär. Nach der Krise von 1873 investierte er in und beteiligte sich an in Schwierigkeiten geratenen Unternehmen wie etwa der Wr. Tramwayges. Zuletzt trat er 1886 als Präs. der Administration und Vors. des Verw.R. der Donau-Dampfschiffahrts-Ges. die Nachfolge von →Moriz Wodianer Frh. v. Kapriora an und hatte diesen Posten bis zu seinem Tod inne. Schätzungen zufolge betrug W.s Vermögen zuletzt um die zehn Mio. fl. Er besaß zudem Schloss und Gut Leopoldsdorf im Marchfeld. In seinem Testament hatte er verfügt, dass in Prag 60.000 fl und in Wien 120.000 fl wohltätigen Zwecken zufließen sollten. W. wurde 1867 nach Verleihung des Ordens der Eisernen Krone III. Kl. in den Ritterstand (Prädikat „von Welten“) erhoben. Als portugies. Gen.konsul (ab 1854) fand er 1873 auch Aufnahme in den portugies. Adelsstand und erhielt im selben Jahr das Großkreuz des Franz Joseph-Ordens. Seinen Namen trägt das 1869 nach Entwürfen von →August Schwendenwein v. Lanauberg und →Johann Romano v. Ringe errichtete Palais Wiener v. Welten auf dem Schwarzenbergplatz (Wien 1). Beigesetzt wurde W. in der von →Max Fleischer entworfenen und von →Eduard Hauser erbauten Familiengruft auf dem Wr. Zentralfriedhof.

L.: Die Presse, NFP, Wr. Allg. Ztg., 15. 10. (alle Abendausg.), Morgen-Post (m. B.), 16. 10. 1886; Die Neuzeit 26, 1886, S. 396; Ein Jh. Creditanstalt-Bankver., 1957, S. 9, 15, 31, 67; E. März, Österreichische Ind.- und Bankpolitik in der Zeit Franz Josephs I., 1968, s. Reg.; H. Grössing u. a., Rot-Weiß-Rot auf blauen Wellen, 1979, S. 172; G. Gaugusch, Wer einmal war. A–K, 2011, S. 934; R. Sandgruber, Traumzeit für Millionäre, 2013, S. 240, 461; R. Sandgruber, Rothschild, 2018, S. 134; Zedhia, Zentraleurop. digitales wirtschafts- und gesellschaftshist. interaktives Archiv (online, Zugriff 2. 12. 2019); AVA, HHStA, IKG, Pfarre Votivkirche, alle Wien; IKG, Praha, CZ.
(Ch. Natmeßnig)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 187f.
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