Wiesner Jonas Julius (Elijahu), Rabbiner, Talmudist und Historiker. Geb. Nachod, Böhmen (Náchod, CZ), 27. 3. 1814; gest. ebd., 14. 5. 1889; mos. Sohn des Isak W. und der Verona W., geb. Winternitz. – W. wurde in jungen Jahren von Joachim Deutschmann in Kolin unterrichtet. Nach dem Besuch des Gymn. stud. er an der Univ. Prag. Ab 1845 war er nachweisl. als Rabb. in Nachod tätig, in seinen Publ. wird er spätestens 1864 als Kreisrabb. in Nachod bezeichnet. Neben seiner Gmd.tätigkeit verf. W. sowohl religionstheoret. als auch historiograph. Schriften, die den Einfluss zweier bedeutender Zeitgenossen zeigen: Er setzte sich konstruktiv mit dem Werk des Kulturtheoretikers Ludwig Philippsohn auseinander und verf. penible Rezensionen zum vielbändigen Geschichtswerk Heinrich Graetzʼ. W. beschäftigte sich insbes. mit der Geschichte des Banns (Cherem), dem er eine wichtige soziopolit. Funktion für die jüd. Vergemeinschaftung in der Diaspora, nach Zerstörung des 2. Tempels, zuschrieb („Der Bann in seiner geschichtlichen Entwickelung auf dem Boden des Judenthumes“, 1864). Seine religionstheoret. Schriften zum Talmud („Scholien zum Babylonischen Talmud“, 3 Bde., 1859–67; „Givʼat Yerushalayim“, 1870/71) lassen ihn als Gelehrten erscheinen, der auf Basis neuer Erkenntnisse der dt. Bibelwiss. des 19. Jh. argumentierte, sich allerdings auch von allzu reformer. Ideen abgrenzte und einen konservativ-bewahrenden Stil im Sinn der jüd. Traditionslinie pflegte.