Wiesner, Julius Ritter von (1838–1916), Botaniker

Wiesner Julius Ritter von, Botaniker. Geb. Tschechen, Mähren (Rousínov-Čechyně, CZ), 20. 1. 1838; gest. Wien, 9. 10. 1916; mos., ab 1840 röm.-kath. Sohn des Spediteurs und Kaufmanns Karl Wiesner (gest. 1879) und der Rosa Wiesner, geb. Deutsch, Vater des Juristen und Diplomaten Friedrich Carl Ritter v. W. (geb. Mariabrunn, NÖ/Wien, 27. 10. 1871; gest. Wien, 5. 11. 1951) und des patholog. Anatomen Richard Ritter v. W. (geb. Wien, 30. 5. 1875; gest. ebd., 14. 10. 1954); ab 1870 mit Agnes v. W., geb. Skrabl (geb. Oblas, Mähren / Znojmo, CZ, 1. 11. 1848; gest. Wien, 24. 11. 1935), verheiratet. – Nach der Oberrealschule in Brünn stud. W. ab 1856 an der Techn. Lehranstalt, übersiedelte 1858 nach Wien und besuchte hier Vorlesungen an der Univ. und am polytechn. Inst.; 1860 Dr. phil. an der Univ. Jena, 1861 Priv.Doz. für physiolog. Botanik am polytechn. Inst. in Wien. Ab 1866 als honorierter Doz. der techn. Warenkde. am polytechn. Inst. tätig, wurde er dort 1868 zum ao. Prof. ernannt. 1870 wechselte er als o. Prof. der Pflanzenphysiol. an die Forstakad. in Mariabrunn, 1873 als o. Prof. der Pflanzenanatomie und Pflanzenphysiol. an das neu gegr. Pflanzenphysiolog. Inst. der Univ. Wien; 1898/99 Rektor. Parallel dazu behielt er sein Lehramt am polytechn. Inst. bzw. ab 1872 an der TH bis 1880 bei; 1909 emer. Seit früher Jugend botan. interessiert, erforschte W. zunächst die mähr. Flora und legte dazu einige kleine Publ., wie „Lysimachia Zavadskii Wiesner“ (in: Österr. botan. Wochenbl. 4, 1854), „Excursion in die Umgebung von Tscheitsch in Mähren“ (ebd.) und „Excursion in das südliche Mähren“ (ebd. 5, 1855), vor. Mit seinem Werk „Ueber die Flora der Umgebung Brünn’s“ wurde ausnahmsweise der Aufsatz eines Schülers in das „Programm der k. k. Ober-Realschule in Brünn“ (1854) aufgenommen. Später widmete sich W. v. a. der techn. Rohstofflehre und der Pflanzenphysiol. Unter konsequenter Einbindung der Mikroskopie in seine Untersuchungen gilt er als Mitbegründer sowie Förderer beider Disziplinen und verf. dazu über 230 Arbeiten. Neben wichtigen Werken wie „Einleitung in die technische Mikroskopie“ (1867) und „Mikroskopische Untersuchungen“ (1872) legte er 1873 sein Hauptwerk „Die Rohstoffe des Pflanzenreiches“ (5. Aufl. 1962–68) vor. Auf pflanzenphysiolog. Gebiet sind „Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreiche“ (in: Denkschriften Wien, math.-nat. Kl. 39, 1878, 43, 1880), „Die Elementarstructur und das Wachsthum der lebenden Substanz“ (1892) und „Der Lichtgenuß der Pflanzen“ (1907) bes. hervorzuheben. 1893–1904 führten ihn Forschungsreisen nach Ägypten, Indien, Java, Sumatra, Spitzbergen und in das Yellowstonegebiet. W. war u. a. ab 1861 Mitgl. der Zoolog.-Botan. Ges. in Wien (Ehrenmitgl. ab 1894), ab 1877 k. M. und ab 1882 w. M. der k. Akad. der Wiss. in Wien sowie ab 1899 k. M. der kgl. preuß. Akad. der Wiss. in Berlin, ab 1902 der Akad. der Wiss. zu Göttingen, ab 1909 der Acad. des Sciences in Paris und ab 1912 der russ. Akad. der Wiss. in St. Petersburg. 1868 erhielt er das Goldene Verdienstkreuz mit der Krone, 1897 wurden ihm der HR-Titel sowie das Ritterkreuz des Leopold-Ordens verliehen. Weiters war er Dr. h. c. der TH Wien und Brünn, der Univ. von Uppsala und Glasgow. Ab 1905 Mitgl. des HH (Verfassungspartei), erfolgte 1909 die Erhebung in den erbl. Ritterstand. Nach ihm wurde u. a. 1881 eine Gattung der Froschlöffelgewächse Wiesneria benannt.

Weitere W.: s. Wurzbach; Skofitz; Linsbauer u. a.; Molisch, 1916; Linsbauer, 1917.
L.: FB, NFP, 10., WZ, 12. 10. 1916 (alle Abendausg.); Adlgasser; Almanach Wien 67, 1917, S. 362ff.; Eisenberg 2; Inauguration Univ. Wien 1917/18, 1917, S. 39ff.; Stafleu; Wurzbach (m. W.); A. Skofitz, in: Österr. botan. Z. 20, 1870, S. 1ff. (m. B. u. W.); Botanik und Zool. in Österr … 1850 bis 1900, 1901, s. Reg.; K. Linsbauer u. a., W. und seine Schule, 1903 (m. B. u. W.), Suppl. 1910 (m. W.); W.-FS, red. K. Linsbauer, 1908; A. Burgerstein, Ber. über die W.-Feier am 20. Jänner 1908, 1908; H. Molisch, in: Österr. botan. Z. 58, 1908, S. 118ff.; T. Hanausek, in: Pharmazeut. Post 49, 1916, S. 809ff.; K. Wilhelm, in: Wr. Landwirtschaftl. Ztg. 66, 1916, S. 655f. (m. B.); H. Molisch, in: Berr. der dt. botan. Ges. 34, 1916, S. (71ff.) (m. B. u. W.); A. Burgerstein, in: Verhh. der k.-kgl. zoolog.-botan. Ges. in Wien 67, 1917, S. 6ff. (m. B.); K. Linsbauer, in: Mitt. des naturwiss. Ver. für Stmk. 53, 1917, S. 1ff. (m. B. u. W.); K. v. Goebel, in: Jb. der kgl. bayer. Akad. der Wiss., 1917, S. 77ff.; R. Biebl, in: Österr. Naturforscher und Techniker, 1950, S. 105ff. (m. B.); J. H. Barnhart, Biographical notes upon botanists 3, 1965; H. Tezner, in: Wr. Geschichtsbll. 20, 1965, S. 434ff.; Pfarre Rossau, UA (m. B.), beide Wien.
(M. Svojtka)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 198f.
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