Wiest, Franz Anton (1814–1847), Journalist und Schriftsteller

Wiest Franz Anton, Journalist und Schriftsteller. Geb. Wien, 16. 2. 1814; gest. Laimgrube, NÖ (Wien), 1. 6. 1847; röm.-kath. Sohn des aus dem Großhg.tum Baden stammenden bürgerl. Kleidermachers Franz W. (1768–1865) und von Josefa W., Bruder des Geigers Ludwig (Ludovic) W. (1819–1889), der als Orchesterdir. in Bukarest wirkte; ab 1844 verheiratet mit Anna Maria W., geb. Maßmann. – Nach dem Besuch des Akadem. Gymn. (1824–30) absolv. W. die beiden phil. Jgg. an der Univ. Wien, inskribierte 1832 Med., brach das Stud. aber 1834/35 ab. Dass er sich später als „Dr. Wiest“ bezeichnete und als solcher unterschrieb, sorgte bes. bei →Moritz Gottlieb Saphir für Spott. 1833–37 arbeitete W. mit Unterbrechungen bei verschiedenen Wr. Bll., v. a. bei „Der Sammler“ (1833–36), „Der Wanderer“ (1833 bis Anfang 1837) – in Letzterem zeichnete er nur mit der Chiffre „23“ – sowie 1837/38 bei →Adolf Bäuerles „Allgemeiner Theaterzeitung …“. W. schrieb in erster Linie Kritiken, überwiegend von Opernauff. am Kärntnertortheater, doch widmete er sich auch populären öff. Konzerten und Theaterauff. Zudem veröff. er Ged. und humorist. Feuilletons. Außerdem veranstaltete er Vorlesungsabende, bei denen er bes. mit der Imitation prominenter Schauspieler erfolgreich war. 1835 kam es wegen einer Rezension im „Wanderer“ zu einer gerichtl. Auseinandersetzung mit →Johann Nestroy. Wohl infolge der Konkurrenz zu Saphir, der ebenfalls Rezitationsabende veranstaltete und mit seiner Z. „Der Humorist“ ab 1837 über ein viel gelesenes Publ.organ verfügte, verließ W. im Frühjahr 1838 Wien und ging nach Leipzig, wo er das Journal „Die Eisenbahn“ gründete. Da er ohne Erlaubnis ins Ausland gegangen war, wurde das Bl. jedoch in Wien verboten. 1839 wechselte W. nach Mainz. Dort red. er die Z. „Das Rheinland, wie es ernst und heiter ist“ und erweiterte sie um die Beil. „Der Cursaal“ und „Kritischer Anzeiger für Literatur und Kunst“ sowie die Karnevalsztg. „Narrhalla“. Nicht zuletzt wegen finanzieller Misshelligkeiten mit dem Hrsg. der Ztg. wurde sein dreijähriger Vertrag nicht verlängert und W. kehrte 1843 nach Wien zurück. Die Rückreise von Wiesbaden bis Linz mit einem Abstecher nach München nützte er zu humorist. Vorlesungen. In Wien konnte er diese nicht wie geplant fortsetzen, da wegen seiner unbefugten Abwesenheit eine Strafe gegen ihn verhängt worden war. So wich er mit seinen Veranstaltungen nach Ungarn und Böhmen aus. Erst im Frühjahr 1844 erhielt W. die Erlaubnis, in Wien sog. Akad. zu veranstalten, und ging mit seinen Programmen auch auf Reisen. Seine Absicht, in Pest oder Wien eine eigene Z. herauszugeben, ließ sich jedoch nicht realisieren. Ab 1845 fungierte er wieder als regelmäßiger Mitarb. der „Theaterzeitung“, für die er nun v. a. kleine Feuilletons und Humoresken schrieb, die er – wie schon zuvor in Leipzig – auch in Buchform publ. Er war zudem Korrespondent für den Pester „Spiegel“, wo Ende Mai 1847 seine letzten „Bunten Notizen aus Wien“ erschienen. Von einer ernsten Erkrankung, die sich wohl bereits im Herbst 1846 eingestellt hatte, erholte er sich nicht mehr. Seine Kritiken, insbes. der Konzerte von →Joseph Lanner, →Johann Strauß (Vater) und →Johann Strauß (Sohn), sowie seine themat. bunt gefächerten Genrebilder und Humoresken zeigen literar. Begabung, die allerdings nicht konsequent weiterentwickelt wurde. W. verzettelte sich – wie schon Zeitgenossen bedauernd feststellten – im Tagesgeschäft und in Tagesstreitigkeiten.

W.: Rococo. Gesammeltes in Bildern, Skizzen …, 1839; Geist, Witz und Satyre in Vorlesungen, Phantasiestücken, Humoresken …, 1847; Aus der Mappe eines dt. Journalisten, 1848.
L.: Allg. Theaterztg., 21. 6. 1847; Brümmer; Giebisch–Gugitz; Wurzbach; J. Seidlitz, Die Poesie und die Poeten in Oesterr. … 1836, 1, 1837, S. 194ff.; V. Jungwirth, F. W. als Musikkritiker, phil. Diss. Wien, 1948; F. Walla, in: Nestroyana 21, 2001, S. 3f.; R. Theobald, ebd., S. 106ff.; J. Nestroy, Hist.-krit. Ausg. Stücke 9/2, ed. J. Hüttner, 2003, S. 151ff.; Pfarre St. Josef ob der Laimgrube, Pfarre St. Peter, Pfarre St. Stephan, alle Wien.
(W. Obermaier)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 199f.
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