Wigand (Wiegand, Wigant), (Johann Baptist) Balthasar (1770–1846), Maler

Wigand (Wiegand, Wigant) (Johann Baptist) Balthasar, Maler. Geb. Wien, 30. 11. 1770; gest. Felixdorf (NÖ), 7. 1. 1846; röm.-kath. Sohn des Haarbeutelmachers und späteren Kaffeesieders Martin W. und von Maria Anna W., geb. Quelmalz; verheiratet. – W. stud. 1787–93 an der Wr. ABK, möglicherweise bei Johann Christian Brand und Friedrich August Brand sowie →Heinrich Füger. I. d. F. spezialisierte er sich auf kleinformatige und äußerst detailgetreue (in der Regel auch originalbeschriftete) Darstellungen (in Aquarell und Gouache), vorwiegend mit Ansichten Wiens (z. Tl. auch von Baden, Laxenburg, Kalksburg und Maria Enzersdorf) oder lokalen bzw. polit. Ereignissen (Schlachten, Militärfeste, Paraden, Einzüge und Schlittenfahrten, v. a. im Zusammenhang mit dem Wr. Kongress), wie sie zu dieser Zeit auch →Johann Adam Klein und Johann Nepomuk Höchle produzierten. Diese sind als Einzelbll. überliefert oder auf kunstgewerbl. Gegenständen (z. B. Schatullen, Schmuckkassetten aus Perlmutt, Schreib-, Mal- und Nähkästchen, Notizbüchern, Ringhaltern, Tischparavents, Fächern, Lampenschirmen oder Briefbeschwerern) und Möbeln (z. B. Bureaus, Tischen), z. Tl. sehr dekorativ in querrechteckigen, aber auch spitzovalen Kreis-, Trapez- und Segmentformen montiert. W. gehört zu den wichtigsten Chronisten des napoleon. Wien und der Befreiungskriege, wenngleich einige Ereignisse überliefert sind, die W. unmögl. selbst miterlebt haben konnte (Krieg in Russland, 1812; Schlacht bei Waterloo, 1815), womit sich auch die generelle Frage nach den Quellen von W.s Motivrepertoire stellt, das durch Wiederholungen eingängiger Sujets gekennzeichnet ist. Manche von W.s Blickpunkten (z. B. Blick auf Wien von der „Spinnerin am Kreuz“) sollten im Verlauf des 19. Jh. eine große Konjunktur erleben. In der Regel dominieren bei seinen von der Forschung häufig als „Altwiener“ Kunst bezeichneten Werken Innen- (z. B. die bekannte Auff. von Haydns „Schöpfung“ 1808 in der alten Wr. Univ.aula) sowie (hauptsächl.) Außenraumszenen, die mit winzigen Staffagefiguren (in der Regel Soldaten, später auch Handwerksleute und Kinder) belebt sind. Nur wenige seiner Arbeiten rücken die Figuren als zentrale Handlungsträger in den Vordergrund. W.s stupende topograph. Genauigkeit macht seine Graphiken zu wichtigen Dokumenten der architekton. Entwicklung Wiens, v. a. der Hofburg und des Karlsplatzes, aber auch des Glacis und der Parkanlagen. Seine Arbeiten, die eine Tendenz zu einer immer malerischer ausgeführten Darstellungsweise mit einem dominierenden grünen Grundton zeigen, erzielten großes gesellschaftl. Ansehen, und aufgrund der wachsenden Nachfrage dürfte W. auch bald imstande gewesen sein, eine eigene Werkstatt zu eröffnen. Obwohl in Sammlerkreisen weiterhin geschätzt, geriet sein Werk nach seinem Tod rasch in Vergessenheit, ehe es anlässl. der Wr.-Congress-Ausst. (1896) und der großen Wr. Miniaturen-Ausst. (1905) rehabilitiert wurde und durch die Präsentation seiner Arbeiten im Hist. Mus. der Stadt Wien 1977 in den Fokus der Wiss. gelangte.

L.: WZ, 23. 9., Kurier, 6. 10. 1977; Czeike; Fuchs, 19. Jh.; Thieme–Becker; Wurzbach; H. Schöny, Wr. Künstler-Ahnen 1, 1970, S. 154; B. W. (1770–1846), Wien 1977 (Kat.); H. Fuchs, Die österr. Bildnisminiatur 2, 1982; Geschichte der bildenden Kunst in Österr. 5, ed. G. Frodl, 2002, S. 384; Mit Stock und Hut. Aquarelle und Zeichnungen des Wr. Biedermeier, ed. W. Öhlinger, Wien 2003, S. 31ff., 90f., 115 (Kat.); Biedermeier. Einblick in die Idylle, ed. S. Kovacek, Wien 2007, S. 123 (Kat.); ABK, Wien; Pfarre Theresienfeld, NÖ.
(W. Telesko)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 202f.
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