Wilckens, Martin (1834–1897), Tierphysiologe und Mediziner

Wilckens Martin, Tierphysiologe und Mediziner. Geb. Hamburg, Freie und Hansestadt (D), 3. 4. 1834; gest. Wien, 10. 6. 1897 (Suizid); evang. AB. Sohn des aus einer Bremer Kaufmannsfamilie stammenden Martin W. und der Luise Henriette W., geb. v. Jerichow, aus einer in russ. Diensten stehenden Familie, Vater des Fabrikanten Erich Karl W. (geb. Göttingen, Preußen/D, 1871). – Nach dem Besuch des Gymn. stud. W. ab 1853 Med. und Naturwiss. an der Univ. Göttingen. Nach Stud.aufenthalten in Wien 1855/56 und Würzburg 1856 wurde er 1858 zum Dr. med. und Dr. chir. in Göttingen prom. Danach kurzzeitig als Arzt in Hamburg tätig, soll er ab 1859 Volks- und Landwirtschaft an der Univ. Jena stud. haben (nicht nachweisbar). 1861 kaufte und bewirtschaftete er i. d. F. ein Rittergut in Pogarth in Niederschlesien. Daneben lehrte er an der Univ. Rostock; 1871 Habil. aus Tierphysiol. und Tierzucht an der Univ. Göttingen. 1872 erfolgte seine Ernennung zum ao. Prof. für Landwirtschaft an der Univ. Rostock. Ein paar Monate später erhielt er einen Ruf als o. Prof. für Tierphysiol. und Tierzucht an die BOKU in Wien; 1872/73 Gründungsrektor. Ab 1875 leitete er das Zootom.-physiolog. Inst. W. war von Anfang an ein strikter Verfechter einer streng wiss. Ausrichtung seiner Hochschule und wandte sich gegen Bestrebungen, die BOKU zu einer Fachuniv. zu degradieren. Eine von ihm angestrebte Aufnahme der BOKU in den Verband der Univ. Wien scheiterte allerdings. Als Agrarwiss. genoss er hohes Ansehen, u. a. deshalb, weil er wiss. Erkenntnisse auf seinem Gut in Pogarth in die Praxis umzusetzen trachtete. Bekanntheit erreichte W. zudem durch seine Forschungen zu Rinderrassen, zur Abstammung und Rassenbildung der Haustiere und als Begründer des wiss. Molkereiwesens. 1889 unternahm er eine ausgedehnte Stud.reise in die USA, als deren Resultat „Nordamerikanische Landwirtschaft“ (1890, Reprint 2013) erschien. Darüber hinaus verf. er regelmäßig Beitrr. für die „Wiener Landwirthschaftliche Zeitung“. Ab 1886 war W. Mitgl. der Dt. Akad. der Naturforscher Leopoldina. Weiters gehörte er der Prüfungskomm. für Lehramtskandidaten landwirtschaftl. Schulen in Wien an.

Weitere W. (s. auch Eisenberg): Beitrr. zur landwirthschaftl. Thierzucht, 1871; Untersuchungen über den Magen der wiederkauenden Hausthiere, 1872; Die Rinderrassen Mittel-Europas, 1876 (Reprint 2000); Der Hochschul-Unterricht für Land- und Forstwirthe in Hinblick auf die Frage der Einverleibung der Wr. BOKU in die Wr. Univ., 1879; Grundzüge der Naturgeschichte der Hausthiere, 1880; Grundriß der landwirtschaftl. Haustierlehre 1–2, 1888, 2. Aufl. 1903–04.
L.: NFP, NWT, 10. 6. 1897; WZ, 6. 12. 2012 (Beil.); Eisenberg 2 (m. W.); Carinthia II, 87, 1897, S. 123; Wr. Landwirthschaftl. Ztg. 47, 1897, S. 382; A. v. Liebenberg, ebd., S. 476f.; M. Welan – P. Ebner, in: Faszination der Forstgeschichte, ed. N. Weigel, 2001, S. 11ff.; Th. Gerber, Persönlichkeiten aus Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau und Veterinärmed. 2, 2004; UA, Göttingen, D.
(P. Ebner)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 206f.
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