Willmann, Otto (1839–1920), Pädagoge und Philosoph

Willmann Otto, Pädagoge und Philosoph. Geb. Lissa, Preußen (Leszno, PL), 24. 4. 1839; gest. Leitmeritz, Tschechoslowakei (Litoměřice, CZ), 1. 7. 1920; röm.-kath. Sohn des kgl. Kreisgerichtsdir. Johann W. und der Charlotte W., geb. Schiller; ab 1868 verheiratet mit Franziska W., geb. Biller. – Zunächst privat unterrichtet, besuchte W. ab 1849 das Gymn. (1857 Matura). Danach stud. er an der Univ. Breslau zunächst Phil., Mathematik und Physik sowie ab dem 3. Semester Philol. Ab 1859 setzte er seine Stud. an der Univ. Berlin fort; 1862 Dr. phil., 1863 Staatsexamen in Berlin für höheres Lehramt und Erwerb der Lehrbefähigung für Latein, Griech., Dt., Französ., Mathematik, Geschichte und phil. Propädeutik. 1863–68 wirkte W. als Lehrer und Praktikantenbetreuer an der Zillerschen Übungsschule in Leipzig sowie als Gymn.lehrer an der privaten „Erziehungsschule“ des Herbartianers Ernst Barth. 1868 erfolgte seine Berufung zum Ordinarius am städt. Pädagogium in Wien und zum Vorsteher von dessen Übungsschule. Im selben Jahr nahm er die österr. Staatsbürgerschaft an. 1872 wechselte er, ohne eine Habil.schrift verf. zu haben, als ao. Prof. für Phil. und Pädagogik an die Univ. (ab 1882 dt. Univ.) in Prag. 1876 eröffnete W. das Prager Pädagog. Univ.seminar, welches das erste dieser Art in der Monarchie darstellte und in dem W. versuchte, Theorie mit Schulpraxis zu verbinden; 1877 o. Prof. für Phil. und Pädagogik sowie Dir. des pädagog. Seminars. 1903 trat er i. d. R. und übersiedelte nach Salzburg, ab 1910 lebte er in Leitmeritz. W. gilt als einer der bedeutendsten Pädagogen der Monarchie sowie als Begründer einer phil. fundierten Wiss. der Pädagogik. Dabei entwarf er zunächst das System einer Pädagogik als Sozialwiss., von dem er sich jedoch zwischen 1870 und 1880 abwandte und von einem aufgeklärt-liberalen überkonfessionellen Kulturchristentum zu einem „klaren“ Katholizismus überging. Die Pädagogik erhielt nun als eine moral. Wiss. einen normativen Charakter und wurde zu einem Mittel der sittl. Lebensgestaltung. Ab 1869 war W. Mitgl. und zeitweise Vorstandsmitgl. des Ver. für wiss. Pädagogik, 1878–83 Mitgl. des Landesschulrats für Böhmen, ab 1879 k. M. der Kgl. böhm. Ges. der Wiss. in Prag, ferner Mitgl. der Prüfungskomm. für das Lehramt an Gymn. und Realschulen in Prag, ab 1887 Ehrenmitgl. der Kath. Dt. Studentenverbindung Ferdinandea-Prag zu Heidelberg und 1906 Mitbegründer und Ehrenpräs. des Ver. für christl. Erziehungswiss. U. a. erhielt er 1898 den Orden der Eisernen Krone III. Kl., 1900 das Ritterkreuz des päpstl. St. Sylvester-Ordens. 1901 HR, erfolgte 1909 seine Ernennung zum Mitgl. des HH auf Lebenszeit.

Weitere W. (s. auch Eggersdorfer; Gerner; Kumhofer; Brezinka): Die Odyssee im erziehenden Unterrichte, 1868; Pädagog. Vorträge über die Hebung der geistigen Tätigkeit durch den Unterricht, 1869 (5. Aufl. 1916, gem. m. Th. Fritzsch); Didaktik als Bildungslehre, 2 Bde., 1882–89 (Nachdruck 2016–17); Die soziale Aufgabe der höheren Schulen, 1891; Geschichte des Idealismus, 3 Bde., 1894–97; Die Volksschule und die soziale Frage, in: Pädagog. Vorträge und Abhh. 30, 1900; Vigilate!, 1900 (2. Aufl. als: Der Lehrstand im Dienste des christl. Volkes, 1910); Aristoteles als Pädagog und Didaktiker, 1909; Sämtl. W., ed. H. Bitterlich-W. – M. Bitterlich-W., 16 Bde., 1967–88.
L.: RP, 6. 5. 1899, 24. 4. 1914, 10. 7. 1920; Linzer Volksbl., 6., Allg. Tiroler Anzeiger, 6., 28. 7., Sbg. Chronik 6., 20. 7., 22. 8. 1920; Adlgasser; Czeike; LThK; Wer ist᾽s?, 1906, 1909; Wurzbach; O. W. zum Gedächtnis, ed. L. Krebs, 1939; F. X. Eggersdorfer, in: O. W., Didaktik als Bildungslehre, 6. Ausg. 1957, S. 5ff. (m. W.); B. Gerner, O. W. im Alter, 1968 (m. W.); E. Kumhofer, O. W. Reform der Lehrerbildung im 19. Jh., DA Wien, 1998 (m. W.); W. Brezinka, Pädagogik in Österr. 2, 2003, s. Reg. (m. W.); H. Ganß, O. W.s Rolle in der Auseinandersetzung mit dem Begriff „Sozialpädagogik“, 2008; Willmann Otto – Uni-DUE (online, m. B.); UA, Berlin, D.
(E. Fessler)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 226f.
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