Winiwarter, Joseph Ritter von (1780–1848), Jurist

Winiwarter Joseph Ritter von, Jurist. Geb. Krems (Krems an der Donau, NÖ), 14. 4. 1780 (Taufdatum); gest. Wien, 18. 1. 1848; röm.-kath. Sohn des Bürgers und Unterkämmerers der Stadt Krems Johann Georg Winiwarter (Winiwarther) (geb. Stratzing, NÖ, 21. 3. 1741) und dessen Frau Justina Winiwarter, geb. Zesch, Vater von →Georg Ritter v. W., Cäcilie v. W., verheiratete Hochenegg, der Mutter →Julius v. Hocheneggs und →Carl Hocheneggs, sowie von Joseph Maximilian Ritter v. W. (s. u.), Großvater von →Alexander Ritter v. W.; ab 1812 verheiratet mit Franziska Winiwarter, geb. v. Holfeld (geb. Lemberg, Galizien / Lʼviv, UA, ca. 1792; gest. Wien, 3. 11. 1833). – Nach dem Besuch des Gymn. stud. W. Phil. und Rechtswiss. an der Wr. Univ.; Dr. iur. 1804. I. d. F. legte er die Prüfung für das Zivilrichteramt ab und erhielt 1806 die Lehrkanzel für röm. und bürgerl.-vaterländ. Recht an der Univ. Lemberg; 1818/19 Rektor. 1810–27 fungierte er als w. Bücherrevisor und hatte für eineinhalb Jahre auch die Leitung der Univ.bibl. inne. 1827 folgte W. →Georg Scheidlein als Prof. des österr. bürgerl. Rechts an der Univ. Wien nach. 1829 übernahm er die Zensorstelle für das jurid. Fach. 1847 wurde er anlässl. seiner Versetzung i. d. R. zum Vizedir. der jurid.-polit. Stud. ernannt. W. gilt neben →Franz Xaver Nippel v. Weyerheim als Hauptvertreter der sog. Exeget. Schule der österr. Zivilrechtswiss. Seine Arbeiten gehen aber über die wörtl. Interpretation des Gesetzestextes hinaus und sind darauf gerichtet, die positiven Normen im Rahmen des gesetzl. Systems miteinander in Einklang zu bringen. Hauptwerk W.s ist sein Kommentar zum ABGB („Das Österreichische bürgerliche Recht, systematisch dargestellt und erläutert“, 5 Bde., 1831–38, 2. Aufl. 1838–45), in dem er eine Theorie der jurist. („moralischen“) Person entwickelt. Er besorgte zudem eine Übers. des ABGB ins Latein. („Codex civilis universalis pro omnibus terris haereditariis germanicis Imperii austriaci“, 1812). W., der auch als Dir. des Wr. allg. Witwen- und Waisen-Pensionsinst. fungierte, wurde 1822 k. k. Rat und 1831 w. Reg.Rat. 1845 erfolgte seine Erhebung in den Adels- und 1847 jene in den Ritterstand. Sein Sohn Joseph Maximilian Ritter v. W. (geb. Lemberg, 15. 10. 1818; gest. Wien, 29. 1. 1903) war der Vater von →Alexander Ritter v. W., →Felix Ritter v. W. (s. u. Alexander Ritter v. W.) sowie des Hof- und Gerichtsadvokaten und Mitgl. des Staatsgerichtshofs Dr. iur. Franz Josef Ritter v. W. (geb. Wien, 23. 6. 1851; gest. Niederdorf, Tirol / Niederdorf/Villabassa, I, 25. 8. 1910) und ab 1847 mit Helene Edle v. W., geb. Bach (geb. 17. 10. 1818; gest. 8. 9. 1894), verheiratet. Er stud. 1835–40 Rechtswiss. an der Univ. Wien; 1841 Dr. iur. Anschließend wirkte er als Hof- und Gerichtsadvokat in Wien. 1848 wurde er in das Frankfurter Parlament gewählt, wo er sich keiner bestimmten Fraktion anschloss und mit dem Linken Zentrum stimmte. Ab 1851 Ges. und Geldgeber der Fa. Winiwarter & Gersheim, wirkte Joseph Maximilian W. auch als jurist. und polit. Schriftsteller und übers. österr. Gesetzbücher ins Französ. und Engl. („Code général de commerce valable pour les royaumes de Bohême, de Gallicie et Lodomérie ... introduit … 1862“, 1865; „General civil code for all the German hereditary provinces of the Austrian monarchy“, 1866).

Weitere W. (s. auch M. v. Stubenrauch, Bibliotheca juridica austriaca, 1847): Der Besitz nach dem Oesterr. bürgerl. Rechte, in: Materialien für Gesetzkde. und Rechtspflege in den Oesterr. Staaten 7, 1823; Die Verjährung nach dem Oesterr. bürgerl. Rechte, ebd. 8, 1824; Hdb. der Justiz- und polit. Gesetze und Verordnungen, welche sich auf das in den Dt. Prov. der Oesterr. Monarchie geltende allg. bürgerl. Gesetzbuch beziehen, 3 Bde., 1829, 3. Aufl. in 4 Tle. 1844–59. – Joseph Maximilian v. W.: Erörterung der Frage: ob nach dem österr. bürgerl. Rechte Nichterzeugte gültig durch einen letzten Willen berufen werden können?, in: Der Jurist 9, 1843.
L. (tw. auch für Joseph Maximilian v. W.): WZ, 24., 25. 1. 1848; Gräffer-Czikann; Wurzbach; E. Landsberg, Geschichte der Dt. Rechtswiss. 3/2, 1910, s. Reg.; W. Goldinger, in: FS zum hundertjährigen Bestand des Ver. für Landeskde. von NÖ und Wien 1, 1964, S. 519; R. Granichstaedten-Cerva u. a., Altösterr. Unternehmer, 1969; W. Ogris, in: FS H. Lentze, 1969, S. 468ff.; C. Schott, „Rechtsgrundsätze“ und Gesetzeskorrektur, 1975, S. 98f.; Juristen in Österr. 1200–1980, ed. W. Brauneder, 1987, s. Reg. (m. B.); W. Brauneder, Lesever. und Rechtskultur, 1992, s. Reg.; P. Goller, in: Naturrecht und Privatrechtskodifikation, ed. H. Barta u. a., 1999, S. 543ff.; H. Veigl, Der Friedhof zu St. Marx, 2006; AVA, Pfarre Maria Rotunda, beide Wien; Pfarre Krems-St. Veit, NÖ.
(G. Wesener)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 249f.
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