Winterstein, Robert (1874–1940), Politiker und Jurist

Winterstein Robert, Politiker und Jurist. Geb. Jičin, Böhmen (Jičín, CZ), 26. 6. 1874; gest. KZ Buchenwald, Dt. Reich (D), 13. 4. 1940; mos., ab 1893 röm.-kath. Sohn des Militäroberstabsarztes Philipp W.; ab 1904 mit Magda W., geb. Brausewetter (geb. Pressburg, Ungarn / Bratislava, SK, 7. 10. 1881; gest. Wien, 22. 5. 1976), verheiratet. – W. stud. ab 1892 Jus an der Univ. Wien (1904 Dr. iur.) und stand bereits ab 1896 im Staatsdienst, wo er bis 1898 Rechtspraktika absolv. 1899 Gerichtsadjunkt am OLG Wien, wurde er 1906 zum Staatsanwaltssubstitut ernannt. 1913 folgte die Ernennung zum Staatsanwalt. W. gründete im März 1919 die 1. selbstständige Standesorganisation der Staatsanwälte (Ver. dt.österr. Staatsanwälte) in Wien; 1921 HR. 1922 zum leitenden 1. Staatsanwalt aufgestiegen, wirkte er federführend im gegen die Ankerbrotfabrik angestrebten Prozess wegen Preiswuchers mit. Nachdem er 1927 zum Gen.anwalt bei der Gen.prokuratur bestellt worden war, wurde er 1932 zum Gen.prokurator ernannt und amtierte schließl. von Oktober 1935 bis Mai 1936 als Bundesminister für Justiz unter Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, um danach erneut als Gen.prokurator tätig zu sein. W. gehörte zu den hervorragendsten österr. Staatsanwälten seiner Zeit und bewährte sich insbes. in der Behandlung und Vertretung von Anklagen über Wirtschaftsdelikte. Als Leiter der Untersuchungskomm. zur Ermordung von →Engelbert Dollfuß wurde er Ziel sowohl nationalsozialist. als auch sozialdemokrat. Anfeindungen. Im Zuge des „Anschlusses“ wurde W. trotz seines Ansuchens um dauerhaften Ruhestand aus dem Staatsdienst entlassen, wodurch er jegl. Pensionsansprüche verlor. Zwei Tage später erfolgte seine Verhaftung und Verbringung in das Wr. Gefangenenhaus Elisabethpromenade. Nach einer Verlegung in das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Wien 7 wurde er in das KZ Buchenwald deportiert, wo er erschossen wurde. W. erhielt 1916 das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens, 1934 das große Ehrenzeichen mit dem Stern sowie 1936 das Großkreuz des österr. Verdienstordens.

L.: Ehrenbuch der Inhaber … des österr. Verdienstordens, 1936; L. Steinwender, Christus im Konzentrationslager, 1946, s. Reg.; E. Fein – K. Flanner, Rot-weiß-rot in Buchenwald, 1987, s. Reg.; Erzählte Geschichte 2, 1992; H. Wohnout, Regierungsdiktatur oder Ständeparlament?, 1993, s. Reg.; D. A. Hackett, Der Buchenwald-Report, 1996; W. Winterstein, „Anmerkung: Prominent“. Die Geschichte der Fam. W. 1867–1945, 2008, s. Reg.
(M.-Th. Arnbom)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 271f.
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