Wisinger-Florian, Olga; geb. Florian (1844–1926), Malerin

Wisinger-Florian Olga, geb. Florian, Malerin. Geb. Wien, 1. 11. 1844; gest. Grafenegg (NÖ), 27. 2. 1926 (ab 1929 ehrenhalber gewidmetes Grab: Wr. Zentralfriedhof); röm.-kath. Tochter des Reg.Rats Franz Florian und von Minna Florian, geb. List; ab 1874 mit dem Apotheker Franz Wisinger (gest. 1. 11. 1890) verheiratet. – Nach einem Klavierstud. bei →Julius Epstein musste W. die angestrebte Karriere als Pianistin krankheitsbedingt bereits früh aufgeben und wendete sich der Malerei zu. Ihre ersten Lehrer waren zwischen 1875 und 1879 Melchior Fritsch und →August Schaeffer v. Wienwald, ab 1880 erhielt sie eine private Ausbildung bei →Emil Jakob Schindler, dessen Einfluss in ihrem Frühwerk deutl. sichtbar ist. 1884 begann sie ihre private Lehrtätigkeit im Atelier ihrer Wohnung; zu ihren Schülerinnen zählten u. a. Hella Freifrau v. Waldberg, Lina Röhrer und →Rosa Scherer, ab 1887 unterrichtete sie die beiden Töchter von Erzhg. →Joseph Carl Ludwig, Maria Dorothea und Margarethe, spätere Fürstin v. Thurn u. Taxis. Ab 1885 erfolgte die Emanzipation von Schindler, und W. erzielte ihre ersten Erfolge als eigenständige Künstlerin mit einer regen Ausst.tätigkeit im In- und Ausland. Es entstanden eine Gruppe von Feldblumenbildern (Feldblumen, 1885, Privatbesitz) sowie 1890–92 der berühmte Zyklus der Monatsbilder, den sie selbst als ersten Höhepunkt ihrer Malerei bezeichnete. Danach folgte die Abkehr von der lasierenden Tonmalerei hin zu einem dynamischeren Duktus. Einen ersten Glanzpunkt der neuen Manier stellte das „Kohlfeld“ (1896, Wien Mus.) dar. I. d. F. übte das Motiv der Allee einen bes. Reiz auf die Künstlerin aus. Zwischen 1899 (Fallendes Laub, Österr. Galerie Belvedere) und 1911 (Ulmenallee bei Euxinograd, Privatbesitz) malte W. außerdem Platanen-, Buchen-, Birken-, Föhren- und Akazienalleen. V. a. um und nach 1900 entwickelte sie bes. in der Landschaftsmalerei eine unverkennbare Handschrift und bereitete maler. den Boden für die nachfolgende Generation expressionist. Künstler. Sie gab die Natur als einzig gültiges Vorbild für ihre Malerei nicht auf, kann aber durchaus als Proto-Expressionistin bezeichnet werden. Bereits vor 1900 wurde W. von schweren Krankheiten heimgesucht und es folgten wiederkehrende Aufenthalte in der Kaltwasserheilanstalt in Hartenstein. Gem. mit →Marie Egner, Marianne v. Eschenburg, Susanne Granitsch, →Marie Müller, Teresa Feodorowna Ries, Eugenie Breithut-Munk und →Bertha Tarnóczy v. Sprinzenberg gründete sie 1901 die Gruppe der Acht Künstlerinnen und präsentierte mit diesen gem. bis 1912 im Wr. Salon Pisko ihre Bilder. 1910 erfolgte ihre Teilnahme an der ersten Gruppenausst. Die Kunst der Frau, organisiert von der Vereinigung bildender Künstlerinnen in der Wr. Secession. Um 1910 wurde bei ihr eine Krankheit diagnostiziert, die schließl. zur Erblindung führte; nach 1913 entstanden keine Bilder mehr. Die Tagebücher der Künstlerin erlauben tiefe Einblicke in ihr künstler. Schaffen sowie ihre gesellschaftl. Aktivitäten. Ihre Arbeiten stellte sie regelmäßig in der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus), im Münchner Glaspalast sowie in Prag, Brünn und Salzburg sowie gelegentl. in Paris, London und den USA aus. Sie erhielt zahlreiche Ausz., u. a. Mention honorable, Salon de Paris, 1888, Goldene Ludwigs-Medaille für Wiss. und Kunst, München, 1891, Goldene Medaille, Weltausst. Chicago, 1893, Kleine Goldene Staatsmedaille, 1897, Goldene Medaille, Weltausst. Paris, 1900, Medaille für Kunst und Wiss., Bulgarien, 1906, Goldenes Verdienstkreuz mit der Krone, 1918. W. zählt zu den wichtigsten Vertreterinnen des poet. Realismus bzw. der Landschafts- und Blumenmalerei. Sie war ab ca. 1885 eng mit →Bertha Freifrau v. Suttner befreundet und beteiligte sich an deren Friedensbewegung bzw. trat deren Ver. zur Abwehr des Antisemitismus bei. Ab 1885 war sie Mitgl. im Ver. der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien, als dessen Präs. sie 1900–17 fungierte.

Weitere W.: s. Giese.
L.: Neues Wr. Journal, 2. 3. 1926; Eisenberg 1; Fuchs, 19. Jh.; Thieme–Becker; Wer ist’s?, 1909; A. Winkelbauer, in: Jh. der Frauen. Vom Impressionismus zur Gegenwart, ed. I. Brugger, Wien 1999, S. 45ff. (Kat.); B. Hollaus, in: Stimmungsimpressionismus, ed. G. Frodl, 2004, S. 289ff.; G. Frodl – M. Frodl-Schneemann, Die Blumenmalerei in Wien, 2010, s. Reg.; M. Baumgartner, Der Ver. der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien (1885–1938), 2015, s. Reg. (m. B.); Sag’s durch die Blume!, Wien 2018, s. Reg. (Kat.); A. Giese, O. W.-F. … Vom Poet. Realismus zum Farbexpressionismus, hist.-kulturwiss. Diss. Wien, 2018 (m. B. u. tw. W.); O. W.-F. Flower-Power der Moderne, ed. M. Hussl-Hörmann – H.-P. Wipplinger, Wien 2019 (Kat., m. B.); Wien Geschichte Wiki (m. B., Zugriff 5. 8. 2019); Pfarre Haitzendorf, NÖ.
(A. Giese)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 280f.
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