Wolf, Robert (1849–1920), Journalist

Wolf Robert, Journalist. Geb. Gewitsch, Mähren (Jevíčko, CZ), 29. 1. 1849; gest. Gleichenberg (Bad Gleichenberg, Stmk.), 16. 5. 1920; mos. Sohn von David W. (geb. 1819; gest. 6. 9. 1889), Vater von →Bruno W. und →Max W.; ab 1874 verheiratet mit Rosa W., geb. Fried. – W. stud. nach dem Gymn. einige Semester Rechtswiss. und wurde in Wien 1871 Stenograph in der Kanzlei von →Max Neuda. Auf Einladung von →Sigmund Schlesinger veröff. er im „Neuen Wiener Tagblatt“ Feuilletons über den Alltag in einer Rechtsanwaltskanzlei und wurde dadurch mit →Moritz Széps bekannt. Seine Artikel fanden Gefallen bei O. F. Berg (→Ottokar Franz Ebersberg), der zusammen mit →Franz Ignaz v. Singer 1872 das „Illustrirte Wiener Extrablatt“ gründete. I. d. F. war W. über ein Jahr lang Mitarb. dieser Ztg., wobei sich seine Artikel über Zustände in der österr. Justiz durch eine scharfe Beobachtungsgabe und eine sozialkrit. Färbung auszeichneten. Im Herbst 1873 wechselte er als Lokal- und Gerichtssaalred. zur „Presse“. Obwohl er in den folgenden Jahren nur wenige größere Gerichtssaal-Feuilletons namentl. zeichnete, berichtete er fast tägl. über eine oder mehrere Gerichtsverhh. bzw. Rechts- und Polizeiangelegenheiten. Dabei vermied er es in seinen langen Artikeln, nur die Sensationslust der Leser zu befriedigen, sondern ging den sozialen und psycholog. Hintergründen nach. Als im März 1880 →Theodor Hertzka die liberale „Wiener Allgemeine Zeitung“ ins Leben rief, wurden W. und Sigmund Skrein als Gerichtssaalred. bestellt. Nach dem Abgang Hertzkas wechselte W. im Herbst 1886 zu dem von Széps gegr. „Wiener Tagblatt“, für das er bis etwa 1895 tätig war. Daneben trat W. auch als Hrsg. dreier Z. hervor. Im Oktober 1885 übernahm er die satir. Z. „Wiener Styx“ (ab 1886 „Wiener Witzblatt“), die aber, obwohl vielfach gelobt, 1888 ihr Erscheinen einstellte. Von April 1890 an gab W. ein neues, 14-tägig erscheinendes Bl. für Arbeiterschutz und Krankenversicherung heraus, „Die Zukunft“, die aber ebenfalls nach nur einem Jahr eingestellt wurde. Danach war er zeitweilig Mitarb. der „Wiener Sonn- und Montags-Zeitung“, wo er das Börsenfeuilleton „Sonntagsbriefe vom Schottenring“ verf. Er selbst geriet um diese Zeit durch missglückte Börsenspekulationen vorübergehend in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten. Im November 1897 gründete W. das „Welt-Echo“, eine im Stil einer polit. Revue gestaltete anspruchsvolle Z., die auf positive Resonanz stieß, deren Red. er aber nach kurzer Zeit seinem früheren Kollegen Bernhard Fischer überließ; das Bl. wurde bald nach dessen Tod eingestellt. Zur selben Zeit engag. er sich in dem von →Bertha Freifrau v. Suttner gegr. Ver. zur Abwehr des Antisemitismus und in Versmlgg. des Wr. Freisinns. Im November 1909 gehörte er zu den Proponenten des Wr. Journalistenverbands, der sich als gewerkschaftl. Organisation der Wr. Red. verstand; der Verband wurde 1917 in die Organisation der Wr. Presse umgewandelt. Noch vor 1900 kehrte W. wieder zum „Illustrirten Wiener Extrablatt“ zurück, wo er in den kommenden 20 Jahren die Leitung der Lokalred. innehatte. Mit Emil Bader verf. er 1910 die krit. Schrift über Manipulationen im Pferderennsport „Der Totentanz am Turf“; die gesamte Aufl. wurde en bloc aufgekauft, damit die darin erhobenen Vorwürfe der Wettmanipulation nicht einer breiteren Öffentlichkeit bekannt würden. Der 1919 geäußerten Anregung →Karl Renners, ein akadem. Stud. für Journalismus einzurichten, stand W. skept. gegenüber.

L.: Illustrierte Kronen Ztg., 27. 1. 1909, 17. 5. 1920; NWT, 27. 1., AZ, 2. 11. 1909; Dt. Volksbl., 23. 10. 1917; Illustrirtes Wr. Extrabl., 26. 1., 5. 3. 1919, 17. 5. 1920; AZ, 19. 5. 1920; Eisenberg 1; Nagl–Zeidler–Castle; Die Neuzeit 37, 1897, S. 246; Nord und Süd 134, 1910, S. 487; Der Morgen 11, 1920, Nr. 20, S. 4; Wr. Sonn- und Montags-Ztg. 58, 1920, Nr. 20, S. 3.
(Th. Venus)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 326f.
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