Wurzinger, Karl (Carl) (1817–1883), Maler

Wurzinger Karl (Carl), Maler, Geb. Wien, 1. 8. (nicht 1. 6.) 1817; gest. Döbling, NÖ (Wien), 16. 3. 1883; röm.-kath. Sohn des Hausmeisters und Maurers Franz W. und der Johanna W., geb. Josel; ab 1847 verheiratet mit Wilhelmine Bisenius. – W. war ab 1832 Schüler der Wr. ABK (1834 und 1836 Gundel-Preis, 1840 Lampi-Preis, 1843 Füger-Preis, 1844 Hof-Preis) und präsentierte 1844 in der Ausst. bei St. Anna das „Bildnis des Grafen Khevenhüller-Metsch“, „Eitelkeit“ und „Orombello“, ein Jahr später das Gemälde „Joseph erzählt den Brüdern seinen Traum“ (1845, Österr. Galerie Belvedere, Wien). 1847 verließ er Wien, um sich in Italien weiterzubilden. Das Hauptresultat seines fast zehnjährigen Aufenthalts in Rom (1847–56) waren – neben heute weitgehend unbekannten Interieurs – die beiden großen Historienbilder „Tod König Ottokars in der Schlacht auf dem Marchfeld“ (1847) und „Kaiser Ferdinand II. weist am 11. Juni 1619 die Deputation der aufständischen Protestanten zurück“ (1856). Letzteres, heute im Original nicht mehr nachweisbare, ehemals in der k. Galerie befindliche Gemälde gilt als sein Hauptwerk. Es spiegelt wie kein zweites die Programmmalerei des Neoabsolutismus, die das aktuelle Bekenntnis der Dynastie zur kath. Kirche, ein Jahr nach Abschluss des Konkordats, an die Geschichte der frühneuzeitl. Pietas Austriaca bindet. Wiewohl sich das Werk im Kunstprogramm der Verantwortlichen für die Londoner Weltausst. (1862) wiederfand, sparte das zeitgenöss. Feuilleton nicht mit Kritik an diesem Bild angesichts von internationalen Präsentationen (z. B. 1862 in Köln), als der Kritiker →Moritz Hartmann die österr. Malerei, darunter auch W., als Personifikation des Oktoberdiploms verunglimpfte. W. steht allerdings mit seiner Themenwahl in einer bis weit in den Vormärz zurückreichenden Tradition. 1856 erhielt er einen Ruf an die ABK in Wien als Prof. für Malerei an der Vorbereitungsschule, der späteren Allg. Malerschule. W.s beachtl. internationale Präsenz wird nicht zuletzt durch einen 3. Preis auf der Pariser Weltausst. 1867 dokumentiert. An der Akad. leitete er 1865–72 auch eine Spezialschule für Historienmalerei und widmete sich fortan mehr der Lehre als eigener künstler. Tätigkeit. Zu seinen Schülern zählten etwa →Robert Schuster v. Bärnrode, →Adolf Richard Hölzel, →Carl Schuch, →Hans Temple, →Adolf Mayerhofer und →Carl Jobst. W.s Gemälde sind durchwegs sorgfältig ausgearbeitet, wiewohl der theatral. Charakter in Komposition und Lichtführung Mängel an Lebendigkeit offenbart. Neben einigen Porträts sind v. a. folgende Werke zu nennen: „Albaneserin“ (1863), „Mädchen aus dem Sabinergebirge“ (1865), „Apokalyptische Reiter“, „Hektors Abschied“, „Saul und David“ sowie „Rüdiger von Starhemberg bei der Wiener Türkenbelagerung“, 1868 im Auftrag des Kaiserhauses gemalt (unvollendet, Österr. Galerie Belvedere). Von der älteren österr. Kunstgeschichte wurde W. mit →Eduard v. Engerth und →Karl v. Blaas in eine Reihe der Geschichtsmalerei gestellt. Seine Gemälde offenbaren einen deutl. Wandel von lichtdurchfluteten, spätromant. anmutenden Auffassungen („Joseph“) hin zu stark theatral. organisierten, polit. Programmbildern („Starhemberg“), welche die effektvolle, aber konservative habsburg. Geschichtsmalerei verkörpern. W., ab 1867 Mitgl. der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus), erhielt 1859 das Ritterkreuz I. Kl. des St. Michael-Ordens, 1863 das Ritterkreuz des päpstl. Gregorius-Ordens und 1867 den Orden der Eisernen Krone III. Kl.

L.: NFP, 18., NWT, 20. 3. 1883; ADB; Thieme–Becker; Wurzbach; Allg. Kunst-Chronik 7, 1883, S. 172; L. Hevesi, Oesterreichische Kunst im 19. Jh. 2, 1903, S. 195; W. Wagner, Die Geschichte der ABK in Wien, 1967, s. Reg.; H. Schöny, Wr. Künstler-Ahnen 2, 1975, S. 145; Kunst des 19. Jh. 4, bearb. C. Wöhrer, 2000; W. Telesko, in: Die Habsburgermonarchie und der Dreißigjährige Krieg, ed. K. Keller – M. Scheutz, 2020, S. 403ff.; Wien Geschichte Wiki (Zugriff 29. 8. 2020); ABK, Pfarre Am Hof, Pfarre Döbling, Pfarre St. Augustin, alle Wien.
(W. Telesko)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 380f.
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