Zahradník, Isidor (Theodor, Bohdan) (1864–1926), Geistlicher und Politiker

Zahradník Isidor (Theodor, Bohdan) (OPraem), Geistlicher und Politiker. Geb. Hostačow, Böhmen (Skryje-Hostačov, CZ), 25. 6. 1864; gest. Wien, 19. 2. 1926; röm.-kath., ab ca. 1920 Mitgl. der Tschechoslowak. Kirche, später orthodox. Sohn des Schlossgärtners Karel Z. und dessen Frau Marie Z., geb. Krupská, Bruder von →Bohumil Z. – Z. besuchte 1875–83 das Gymn. in Deutschbrod und trat unmittelbar danach in das Prämonstratenserstift Strahov ein. 1884–88 stud. er an der theol. Fak. der Prager tschech. Univ.; 1897 Dr. phil. 1888 zum Priester geweiht, war er vorerst als Kaplan in Röchlitz tätig, ehe er 1890 als Pfarrer nach Iglau wechselte. Hier nahmen seine pastoralen Aktivitäten eine stark polit.-nationale Dimension an. Bes. Augenmerk schenkte Z. Fragen der Sozialpolitik und rief die Unternehmer dazu auf, Notleidende zu unterstützen. Aufgrund diverser Anfeindungen seitens führender (dt.) Kreise der Stadt kehrte Z. 1899 in das Stift Strahov zurück, wo er bis 1906 als Bibliothekar wirkte und sich der Inventarisierung der Inkunabelsmlg. sowie dem Stud. der Quellen zur mittelalterl. böhm. Geschichte in den vatikan. Archiven widmete. Ab 1906 fungierte er als Ökonomieinsp. des Stiftsguts Hradischtko, wo er auch in der Pfarrei aktiv war. Entgegen dem Willen von Abt Method Zavoral zog Z. 1907 als Abg. der Agrarpartei in das AH des RR ein. Nach Auseinandersetzungen mit der Parteileitung nach den Wahlen von 1911 war Z. vorübergehend fraktionslos, ehe er ab 1913 wiederum dem Klub der böhm. Agrarier angehörte. Sein Name ist eng verbunden mit der Ausrufung der Tschechoslowakei: Z., der im Juli 1918 dem Nationalausschuss angehört hatte, hielt am 28. Oktober 1918 eine Rede auf dem Prager Wenzelsplatz und proklamierte, nachdem bekannt geworden war, dass Österr.-Ungarn sämtl. Waffenstillstandsbedingungen angenommen hatte (Andrássy-Note), spontan als Erster die staatl. Unabhängigkeit. 1918–20 gehörte er der tschechoslowak. revolutionären Nationalversmlg. an und fungierte in der ersten Regierung des neu errichteten Staats 1918–19 als Eisenbahnminister. 1920–21 nahm er als tschechoslowak. Bevollmächtigter an den Reparationsverhh. in Wien teil, 1925 leitete er für kurze Zeit als Gen.dir. die böhm. Hypothekenbank. In den nach dem 1. Weltkrieg auftretenden innerkirchl. Spannungen in den böhm. Ländern gehörte Z. dem Reformflügel an, was ihn 1919 nicht nur zum Austritt aus dem Orden, sondern auch aus der röm.-kath. Kirche bewog. Ab 1904 war Z. ao. Mitgl. der Böhm. K. Franz Joseph-Akad. der Wiss., Literatur und Kunst.

L.: Lidové noviny, 20. 2. 1926; Adlgasser; J. Hanuš, Malý slovník osobností českého katolicismu 20. století ..., 2005, S. 174f.; T. W. Pavlíček, in: Akademický bulletin Akad. věd České republiky, 2014, Nr. 6, S. 31; P. Marek, Bratři Bohumil a I. Z., 2017 (m. B.); Pfarre Žleby, UA, Praha, beide CZ.
(J. Šebek)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 410f.
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