Zamara, Anton (Antonio) (1823–1901), Harfenist, Komponist und Lehrer

Zamara Anton (Antonio), Harfenist, Komponist und Lehrer. Geb. Mailand, Lombardo-Venetien (Milano, I), 2. 4. 1823; gest. Wien, 12. 11. 1901; röm.-kath. Sohn des Beamten Franz Z. und der Sabina Z., geb. Moltini, Vater von Johanna Z. (geb. Wien, 5. 12. 1854; gest. vor dem 5. 9. 1916; begraben: Wien), die 1872/73 die Fächer Gesang und Klavierbegleitung am KdM belegte, sowie von Therese Z. und Alfred Z. (beide s. u.), mit denen er die Wr. Harfen-Szene bis ins 20. Jh. weitgehend bestimmte; ab 1853 mit Hermina Z., geb. Koudelka, verheiratet. – Z. besuchte das Mailänder Konservatorium. 1842 nach Wien übersiedelt, stud. er Komposition bei →Simon Sechter und möglicherweise Harfe beim engl. Harfenvirtuosen Elias Parish Alvars während dessen Wr. Aufenthalts. Anfang April 1842 wurde er Mitgl. des Wr. Hofopernorchesters, das Otto Nicolai, zu jener Zeit 3. Kapellmeister am Kärntnertortheater, neu zu organisieren im Begriff war. Dessen Oper zum Einstand „Il templario“ (Wr. Erstauff. Mai 1841) enthielt ein kurzes Harfensolo im brillanten Stil („Coro di donne“), Evidenz einer neuen Wertschätzung für die Harfe. Dieser vorausgegangen waren u. a. der Bau der Doppelpedalharfe, die Entstehung instrumentenspezif. Spieltechniken und -effekte (bes. durch Alvars), Opern von Rossini und Meyerbeer sowie symphon. Werke von Berlioz und Mendelssohn und erste theoret. Arbeiten zur Orchestrierung. Die untermalende Gleichförmigkeit früherer orchestraler Harfenstimmen wich der gezielten Verwendung harfeneigener sonorer Qualitäten und spezieller Klangeffekte. Z., Alvars und Nicolai beeinflussten maßgebl. die Verfestigung der „neuen“ Harfe im Klangkörper. Bei einem Konzert im Musikver.saal 1848 traten Alvars und Z. erfolgreich zusammen auf. 1853, als der frühere Virtuosenenthusiasmus überwunden schien und Pianisten und Violinisten das Wr. Konzertgeschehen beherrschten, zählte Z. mit seiner „gewandten Behandlung der Harfe“ laut Kritikern zu den verlässl. Solospielern des Hofopernorchesters. Für seine meisterhaft aufgef. Soli bekam er häufig Kritikerlob – insofern bemerkenswert, als individuelle Leistungen der Orchesterspieler oft unerwähnt blieben. Eventuell beeinträchtigend auf Z.s Bekanntheit wirkte die jahrzehntelange prinzipielle Ablehnung des Zupfklangs per se durch den einflussreichen →Eduard Hanslick. Z. konzertierte mit großen Sängern sowie Instrumentalisten (Betty Bury, Julius Epstein, →Franz Doppler), ergänzte die Harfenliteratur nachhaltig und verlieh seinen Schülern durch seine Mitwirkung im Konzert eine Bühne – in einer Stadt, die dem Soloharfenspiel wenig Aufmerksamkeit schenkte. Eine CD-Aufnahme (1996–97) seiner zusammen mit Doppler komponierten „Fantasie über Motive aus Casilda von Ernst II“ (Version für Flöte und Harfe allein) weist auf Z.s vergessene, von hoher Musikalität geprägte Virtuosität hin. Er war k. u. k. Kammervirtuose, Träger des Goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone (1892), Ritter des Ordine della Corona dʼItalia, Off. des montenegrin. Danilo-Ordens und Inhaber der Goldenen hannoveran. Medaille für Kunst und Wiss. Seine Tochter Therese (Theresia, Teresina, Theresine) Z. (geb. Wien, 14. 4. 1856; gest. ebd., 23. 8. 1927) besuchte 1869–75 das KdM, wo sie Harfenschülerin ihres Vaters und Klavierschülerin von Franz Ramesch war (Abschluss mit der Silbernen Ges.medaille 1875). Sie trat früh als Harfenvirtuosin auf und unternahm mehrere Kunstreisen. Dem Orchester des Wr. Ringtheaters gehörte sie bis zu dessen Brand 1881 an. 1876–82 konzertierte sie in Agram, Linz, Budapest, Prag, Pressburg und Graz. 1883/84 war sie vier Monate in Bukarest (Solokonzerte und Engagement an der italien. Oper). Weitere Auftritte hatte sie in Linz, Salzburg, Meran und Klagenfurt. Nach einer Tournee durch Rumänien 1888 war sie ab 1889 Mitgl. des kgl. ung. Opernorchesters in Budapest. 1891 folgten Konzerte in Prag, Innsbruck, Esseg und Agram. Sie unterrichtete 1898–1919 am KdM bzw. an der Musikakad. Ihr Bruder, der Harfenist und Komponist Alfred Maria Viktor Z. (geb. Wien, 28. 4. 1863; gest. Baden, NÖ, 11. 8. 1940; begraben: Wien), war 1869–82 Schüler des KdM, wo er Harfe und Violine bei seinem Vater sowie Klavier, Kontrapunkt und Harmonielehre bei →Anton Bruckner und →Robert Fuchs stud. Eine Stud.reise führte ihn nach Italien, Ägypten und in die heutige Türkei. 1892–94 war er Mitgl. des Hofopernorchesters, 1884–87 Supplent und 1887–1919 o. Lehrer bzw. Prof. am KdM (Musikakad.). Er wurde mit dem Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens ausgez.

W.: Kammermusik (v. a. mit Harfe), Lieder, Harfenschule. – Alfred Z.: Opern: Die Welfenbraut, 1894; Der Goldschmied von Toledo, 1919 (gem. m. J. Stern nach Melodien von J. Offenbach); Operetten: Die Kgn. von Aragon, 1883; Der Herr Abbé, 1889; Die Debütantin, 1901; Kammermusik (v. a. mit Harfe); Lieder. – Publ.: Meine Erlebnisse mit A. Bruckner u. a. Größen der Tonkunst, in: Bruckner-Jb. 1991/92/93, 1995.
L.: NFP, 13. (Parte), WZ, 14. 11. 1901; Eisenberg 1; Frank–Altmann; Grove, 2001; Kosel; Müller; oeml; Riemann; Wurzbach (auch für Alfred und Therese Z.); R. v. Perger – R. Hirschfeld, Geschichte der k. k. Ges. der Musikfreunde, 1912, S. 326, 335; Wr. Philharmoniker 1842–1942, 1942, S. 122; F. Stieger, Opernlex. 2/3, 1978; H. Blaukopf – K. Blaukopf, Die Wr. Philharmoniker, 1986 (m. B.); Pfarre Penzing, WStLA, beide Wien. – Therese Z.: Europ. Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jh. / Sophie Drinker Inst. (online, m. B., Zugriff 22. 7. 2020); Pfarre St. Augustin, Wien. – Alfred Z.: Eisenberg 1; Jb. der Wr. Ges.; Müller; Riemann.
(J. Bloderer)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 426f.
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