Zehner, Wilhelm Petrus (1883–1938), General

Zehner Wilhelm Petrus, General. Geb. Bistritz, Siebenbürgen (Bistrița, RO), 2. 9. 1883; gest. Wien, 11. 4. 1938; röm.-kath. Sohn eines Privatiers; ab 1925 verheiratet mit Maria Z., geb. Krasnitzer (geb. Rosegg, Ktn., 20. 8. 1896; gest. Wien, 10. 10. 1969). – Nach Absolv. des Gymn. besuchte Z. die Inf.kadettenschule Kamenitz bei Peterwardein und wurde 1902 als Kadett-Off.stellv. zum IR Nr. 61 ausgemustert; 1903 Lt., 1910 Oblt. 1909–11 belegte er den Militärintendanzkurs in Wien. Zunächst im Intendanzdienst tätig, nahm Z. 1912/13 an der Mobilisierung während der Balkankrise teil (1913 Hptm.), 1914 wurde er bei der Intendanz des Kmdo. der Balkanstreitkräfte eingeteilt. 1915–16 kämpfte er in den ersten sechs Isonzoschlachten, danach war er im Ktn. IR Nr. 7 eingesetzt und führte 1918 das Sturmbaon. 59, wobei er sich durch sein tapferes Verhalten den Namen „Eiserner Zehner“ erwarb. Bei Kriegsende leistete er Grenzsicherungsdienst an der Donau im heutigen rumän. Banat. Danach kehrte Z. zum Feldjägerbaon. Nr. 21 nach Wien zurück. I. d. F. rückte er zum Ersatzbaon. Nr. 7 in Klagenfurt ein, versah Dienst als Magazinsoff. und Gebäudeverwalter in der Rudolfskaserne, als Verwalter der Garnisonsschießstätte in Klagenfurt und später als Unterabt.kmdt. bei der Liquidation alter Bestände der k. u. k. Armee. Dazwischen fungierte er 1919 als Kmdt. des zum Abwehrkampf gegen die Jugoslawen mobilisierten Marschbaon. Klagenfurt-Stadt I. Danach diente er im Ktn. Alpenjägerrgt. Nr. 11; 1920 Mjr., 1921 Obstlt. Nach einer kurzen Verwendung im Bundesmin. für Heerwesen, wo er sich das Vertrauen →Carl Vaugoins erwerben konnte, erhielt Z. 1925 das Kmdo. über das 2. Baon. des Oö. Alpenjägerrgt. Nr. 8 in Braunau, 1928 über das traditionsreiche Alpenjägerrgt. Nr. 7 in Linz; 1929 Obst. 1931 wurde Z. dem 4. Brig.kmdo. zugeteilt, 1933 zum Brig.kmdt. ernannt. In dieser Funktion trug er wesentl. dazu bei, dass der Widerstand des Republikan. Schutzbunds in Linz rasch beendet wurde. Im Juli 1934 berief →Engelbert Dollfuß den zum GM beförderten Z. als Staatssekr. für Heerwesen in das Landesverteidigungsmin. nach Wien. Beim Juliputsch übernahm Z. persönl. das Kmdo. auf dem Ballhausplatz und dürfte infolgedessen in Berlin auf die schwarze Liste gesetzt worden sein. Trotz der Unterzeichnung des Berchtesgadener Abkommens 1938 trat Z. für einen offenen Kampf gegen Hitler-Dtld. ein und war bereit, Österr. bis zuletzt zu verteidigen. Unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österr. wurde Z. zwangspensioniert und musste seine Waffe abgeben. Bis heute umstritten sind die Umstände seines Todes. Trotz der These – die sich insbes. auf ein gerichtsmed. Gutachten von 1938 stützte –, Z. habe sich beim Eintreffen der Gestapo, die ihn um Mitternacht aus seiner Dienstwohnung zu einer Auskunftserteilung abholen wollte, erschossen, kam es 1951 zu einer Anklage gegen die Tatverdächtigen. Das Gerichtsverfahren führte aus Beweismangel zwar zu einem Freispruch, doch Indizien und Zeugenaussagen lassen vermuten, dass Z. als Opfer der nationalsozialist. Verfolgungspolitik ermordet wurde. Z. war maßgebl. am Wiederaufbau und an der Modernisierung des Bundesheers der 1. Republik bzw. des autoritären „Ständestaats“ beteiligt. Er förderte die Entwicklung der Panzerwaffe sowie der 1919 verbotenen schweren Artillerie und reformierte die Luftwaffe. Die Rüstungsind. erlebte einen Aufschwung, die Inf.kanone, Spezialfahrzeuge für den Gebirgskrieg und andere geländegängige Fahrzeuge des Bundesheers fanden über die Grenzen Österr. hinaus Anerkennung. Weiters setzte er die von der Regierung Schuschnigg 1936 eingeführte allg. Wehrpflicht um. Die Wehrwiss. wurden gepflegt, die „Militärwissenschaftlichen Mitteilungen“ genossen Weltruf, ebenso das KA. Sein Aufbauwerk wurde durch zahlreiche Erweiterungen von militärtechn. Einrichtungen ergänzt, auch ein Gen.stab wurde neu geschaffen. Mit seiner Haltung geriet Z. jedoch in Konflikt mit Hitler-Dtld. Berlin lehnte jede Zusammenarbeit mit Wien in militärpolit. Belangen ab. Spannungen gab es auch zwischen Z. und dem Gen.stabschef Alfred Jansa. Dieser arbeitete ein groß angelegtes Verteidigungskonzept zum Schutz der österr. Grenze aus, gegen das sich Z. – nicht zuletzt aus budgetären Gründen – vehement stellte. Z. erhielt u. a. 1918 den Orden der Eisernen Krone III. Kl., 1930 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österr., 1935 das Großkreuz des Ordine della Corona d’Italia, 1936 jenes des päpstl. Silvesterordens sowie 1937 jenes des österr. Verdienstordens. 2008 wurde sein Leben vom ORF verfilmt.

L.: Salzburger Chronik, 9. 7. 1937; Oesterr. Wehrztg. 18, 1937, F. 29, S. 1; D. Angetter, in: Truppendienst 2, 1999, S. 114ff. (m. B.); D. Angetter, Gott schütze Österr. W. Z. (1883–1938), 2. Aufl. 2007 (m. B.); M. Prieschl, in: 50 Jahre Wiedererrichtung Garnison Ried ..., 2008, S. 5ff.; AVA, DÖW, KA, Mus. des Gerichtsmed. Inst. der Univ. Wien, alle Wien; Archiv Zehner-Kaserne, Ried im Innkreis, OÖ; Mitt. Annemarie Scherb, Wien (gest.).
(D. Angetter)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 461f.
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