Zeissl, Hermann Edler von (1817–1884), Syphilidologe

Zeissl Hermann Edler von, Syphilidologe. Geb. Vierzighuben bei Zwittau, Mähren (Lány, CZ), 22. 9. 1817; gest. Hinterbrühl (NÖ), 23. 9. 1884 (begraben: Wien); mos. Sohn des Pächters der (Olmützer) fürsterzbischöfl. Schnapsbrennerei, Vater u. a. von Maximilian Edler v. Z. (s. u.), Großvater des Juristen, Beamten und Präs. der österr. UNESCO-Komm. Hermann Edler v. Z. (geb. Wien, 2. 12. 1888; gest. ebd., 28. 2. 1967); verheiratet mit Babette Edle v. Z., geb. Löw (gest. 9. 6. 1891). – Nach dem Besuch der Gymn. in Leitomischl (ab 1830) und Brünn stud. Z. ab 1839 zunächst ein Semester Med. an der Univ. Wien, danach kurz Jus und dann wieder Med., u. a. bei →Josef v. Skoda; 1845 Dr. med., 1846 Dr. chir. Anschließend vertiefte er seine Kenntnisse am AKH. Dort wirkte er zunächst an der Augenklinik unter →Anton v. Rosas, dann an der chirurg. Abt. von →Georg Mojsisovics v. Mojsvár und schließl. als Sekundararzt an der Ausschlagabt. bei →Ferdinand v. Hebra. Nachdem er sich eingehend mit Syphilidol. beschäftigt hatte, habil. er sich 1850 bei Hebra als Priv.Doz. 1861 Tit. ao. Prof., erhielt er 1869 das Primariat an der kurz zuvor im AKH errichteten 2. Station für Syphilis. Diese Stellung behielt er bis zu seinem aus gesundheitl. Gründen erfolgten Rücktritt 1883. Z. galt als herausragender Vertreter seines Fachs sowie der sog. Zweiten Wr. med. Schule und war ein beliebter Lehrer. Seine Vorträge wurden von späteren Größen wie Josef v. Lindwurm und Adolf Kußmaul sehr geschätzt. Mit seinen Ansichten in Bezug auf die Dualitätslehre in der Syphilisforschung fand er internationale Anerkennung. Wiss. verdient machte er sich durch die von ihm frühzeitig und konsequent verfochtene klare Trennung der venerolog. Krankheitsbilder Tripper, Ulcus molle und Syphilis. Von seinen zahlreichen Werken sind „Compendium der Pathologie und Therapie der primär-syphilitischen und einfach venerischen Krankheiten“ (1850), das lange Zeit als Standardwerk galt, sein „Lehrbuch der constitutionellen Syphilis für Aerzte und Hörer der Medicin“ (1864), sein mehrfach aufgelegtes „Lehrbuch der Syphilis und der mit dieser verwandten örtlichen venerischen Krankheiten“ (1875, 5. Aufl. 1888, neu bearb. v. Maximilian v. Z.) sowie „Grundriss der Pathologie und Therapie der Syphilis ...“ (1876, 2. Aufl. 1884, bearb. v. Maximilian v. Z.) erwähnenswert. Die beiden letztgenannten Publ. wurden ins Russ., Italien., Engl., Niederländ. und Ung. übers. Sozial engag., gründete er 1847 den med. Unterstützungs-Ver. für mittellose Med.studenten. 1860 trat Z. als erster jüd. Prof. in das Wr. med. Dr.-Collegium ein, ab 1861 war er Mitgl. der Ges. der Ärzte in Wien. 1880 Reg.Rat, wurde er 1883 als „Edler von Zeissl“ in den erbl. österr. Adelsstand erhoben. Darüber hinaus war er Komtur des Stanislausordens II. Kl. Sein Sohn, der Syphilidologe und Dermatologe Maximilian Michael Edler v. Z. (geb. Wien, 7. 6. 1853; gest. ebd., 29. 1. 1925; bis 1887 mos., später röm.-kath.), ab 1884 verheiratet mit Luise (Louise) Edle v. Z., geb. v. Kuhner (geb. Penzing, NÖ/Wien, 30. 6. 1858; gest. Wien, 5. 4. 1923), Großvater der Lehrerin und KZ-Überlebenden Lotte Dorowin-Z. (1920–2008), stud. nach Absolv. des Schottengymn. 1871 Med. an der Univ. Wien; 1878 Dr. med. Zunächst vertiefte Maximilian v. Z. seine Kenntnisse bei seinem Vater als Hilfsarzt, 1878–80 als Operationszögling bei →Johann Frh. Dumreicher v. Österreicher, 1880–82 als 1. Ass. bei →Eduard Albert und 1882–84 als Sekundararzt erneut an der Klinik seines Vaters. 1883 habil. er sich für Hautkrankheiten und Syphilis an der Univ. Wien; 1893 ao. Prof. 1896 reiste er im Auftrag des Min. des Innern durch Bosnien, die Herzegowina und Dalmatien, um die dort herrschende Skerljevo-Krankheit zu erforschen. Ab 1905 fungierte er als Abt.vorstand am Mariahilfer Franz-Josephs-Ambulatorium, wo er nach kurzer Zeit Dir.-Stellv. wurde. Während des 1. Weltkriegs zog er sich aus gesundheitl. Gründen sowohl aus der Öffentlichkeit als auch aus seiner Privatpraxis zurück. Maximilian v. Z. befasste sich u. a. mit Untersuchungen zur Innervation der Blase, mit Syphilis, Hautkrankheiten, Gehirn- und Lungenödemen sowie der Anatomie der Lymphgefäße des Mannes. Von seinen zahlreichen Publ. sind „Ueber die Steine in der Harnröhre des Mannes“ (1883), sein „Lehrbuch der venerischen Krankheiten“ (1902) und „Diagnose und Behandlung der venerischen Erkrankungen und ihrer Complicationen beim Manne und Weibe“ (1905) erwähnenswert. 1907 erhielt er das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens.

Weitere W.: s. Casaretto. – Maximilian v. Z.: s. Eisenberg; Kreuter; Pagel.
L.: Die Presse, 24., 25. (Parte), NFP, NWT, 25. 9. 1884 (beide Parten); ADB; Lesky, s. Reg.; Pagel (m. B.); Wininger; Die Neuzeit 24, 1884, S. 374; Wr. Vorstadt-Presse 11, 1884, Nr. 407, S. 1; WMW 34, 1884, Sp. 1172f.; R. Landau, Geschichte der jüd. Ärzte, 1895, s. Reg.; D. Casaretto, Personalbibliographien von Prof. und Doz. der II. Univ.-Hautklinik in Wien, phil. Diss. Erlangen-Nürnberg, 1972, S. 13ff. (m. W.); Geschichte der dt.sprachigen Dermatol., ed. A. Scholz u. a., 2009, s. Reg.; Wien Geschichte Wiki (m. B., Zugriff 7. 7. 2020); IKG, UA, beide Wien. – Maximilian v. Z.: Der Tag, NFP, 31. 1. 1925; Eisenberg 2 (m. W.); Kreuter (m. W.); Pagel (m. W.); WMW 75, 1925, Sp. 447; R. Frühwald, in: Dermatolog. WS 80, 1925, S. 519; B. Fuchs, in: Health, Hygiene and Eugenics in Southeastern Europe to 1945, ed. Ch. Promitzer u. a., 2011, S. 72f.; IKG, UA, beide Wien.
(G. Vavra)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 470f.
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