Zernatto, Guido (1903–1943), Schriftsteller und Politiker

Zernatto Guido, Schriftsteller und Politiker. Geb. Treffen (Treffen am Ossiacher See, Ktn.), 21. 7. 1903; gest. New York City, NY (USA), 8. 2. 1943; röm.-kath. Sohn des Holzhändlers und Landwirts Johann Z. und der Aloisia Z., geb. Pipp, Großonkel des LHptm. (1991–99) von Ktn. Christof Z.; ab 1931 verheiratet mit Ricarda Z., geb. Weidenhaus. – Z. besuchte das Jesuitengymn. Kalksburg und das Benediktinergymn. in St. Paul im Lavanttal, brach 1918 die Schule ab und schloss sich dem Ktn. Abwehrkampf an. Danach war er als Wanderlehrer des Dt. Schulver. in Graz sowie im väterl. Betrieb tätig. Nachdem Z. 1926 in Wien die Matura nachgeholt hatte, stud. er 1928–31 Jus – allerdings ohne Abschluss. Die Erfahrungen des Abwehrkampfs trugen zu Z.s Politisierung bei, mit der früh ein publizist. Engag. einherging. 1925 gründete er, der gute Kontakte zur Ktn. Kulturszene hatte (u. a. zu →Anton Kolig, Herbert Boeckl, Johannes Lindner, Josef Friedrich Perkonig), die „Kärntner Monatshefte“, eine patriot. ausgerichtete, anspruchsvolle Z., in der Beitrr. von →Rainer Maria Rilke und Alexander Lernet-Holenia erschienen, aber auch von später nationalsozialist. Autoren. Die Z. musste nach dem ersten Jg. eingestellt werden, für die Schulden kam Z.s Vater auf. Ab 1928 war Z. beim Steir. Heimatschutz tätig, 1929 Sekr. der Bundesführung. In Wien übernahm er 1927 die Hrsg. und Red. der „Österreichischen Monatshefte“ und kam u. a. in Kontakt mit Theodor Kramer. 1929 wurde er Mitgl. des Österr. Klubs, der sich die nationale Bewusstseinsbildung des jungen Kleinstaats zum Ziel setzte. Im selben Jahr wurde Z. Gen.sekr. des Heimatblocks, eines Wahlbündnisses, zu dem auch die Heimwehren gehörten. Obwohl bei der Nationalratswahl 1930 durchaus erfolgreich, legte Z. bereits 1931 seine Funktionen zurück und arbeitete als Geschäftsführer der Univ.buchhandlung Braumüller. 1934 übernahm er die Programmleitung des Österr. Bundesverlags. Parallel zu seiner polit. Laufbahn entwickelte sich Z.s literar. Karriere: 1927 debüt. er mit dem Novellenbd. „Der verlorene Bub“, 1928 brachte er die Ged.smlg. „Mein Herz im Spiegel“ als Privatdruck heraus, 1930 bescherte ihm der Preis der Dresdner Z. „Kolonne“ den Durchbruch als Lyriker, der mit seinen v. a. im ländl. Raum angesiedelten Ged. ein bäuerl.-christl. Menschenbild mit einer neusachl. Ästhetik und sozialkrit. Parteinahme für die Unterprivilegierten verband. Weiters etablierte sich Z. als Rundfunkvortragender bei der RAVAG und bei dt. Sendern. 1930 erschien seine Erz. „Ein Mensch und seine Krankheit“ im völk. Staackmann-Verlag in Leipzig. Im selben Jahr überstand er eine schwere Nierenentzündung und es kam sein erster Ged.bd. „Gelobt sei alle Kreatur“ heraus. 1933 folgte der zweite, „Die Sonnenuhr“, ebenfalls bei Staackmann, ein Jahr später der für den antizivilisator. Reflex der 1930er-Jahre typ. Roman „Die sinnlose Stadt“. Z. wurde 1934 zum Präs. des Verbands kath. dt. Schriftsteller gewählt und vom Bundespräs. in den Bundeskulturrat berufen, 1936 von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg zum Gen.sekr. der Vaterländ. Front und Staatssekr. im Bundeskanzleramt ernannt. Nach faschist. Vorbild gründete Z. die Freizeitorganisation Neues Leben. Im Februar 1938 avancierte er zum stellv. Führer der Vaterländ. Front und zum Minister ohne Portefeuille. Noch in der Nacht vor dem „Anschluss“ gelang ihm und seiner Frau die Flucht nach Paris, wo er an den Versuchen zur Bildung einer überparteil. Exilregierung mitwirkte und gegen eine Einbindung von Otto v. Habsburg auftrat. Mit seiner Schrift „Die Wahrheit über Österreich“ machte Z. Furore. 1940 erreichte er nach mehreren Stationen New York, wo er ab 1941 als Assistant Research Prof. Politikwiss. an der kath. Fordham Univ. lehrte und das Ms. „The Questions of Nationalities and the Future of Nations“ (unvollendet) verf. Der mittlerweile übernational denkende Z. arbeitete u. a. mit Richard Coudenhove-Kalergi sowie Ernst Karl Winter zusammen, etwa im 1942 gegr., bürgerl. wie legitimist. Gruppierungen vereinenden Austrian National Committee. Seine hist. Rolle als Spitzenfunktionär des „Ständestaats“ überschattete posthum sein Wirken als einer der bedeutendsten österr. Lyriker der Zwischenkriegszeit.

Weitere W.: … kündet laut die Zeit, 1940; Vom Wesen der Nation, ed. W. in der Maur, 1966; Milde Ampel, kühler Stern, ed. E. Thurnher, 1983.
L.: O. M. Drekonja, G. Z., phil. Diss. Wien, 1971; O. M. Drekonja, Erinnerungen an G. Z., 1981; K. Rossbacher, in: Aufbruch und Untergang, ed. F. Kadrnoska, 1981, S. 539ff.; W. Schmidt-Dengler, in: Formen der Lyrik in der österr. Gegenwartsliteratur, ed. W. Schmidt-Dengler, 1981, S. 14ff.; D. Strigl, „Wo niemand zuhaus ist, dort bin ich zuhaus.“ Th. Kramer …, 1993, s. Reg.; D. Strigl, in: Literatur und Kritik, 2003, Nr. 375/376, S. 95ff.
(D. Strigl)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 492f.
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