Zeßner von Spitzenberg, Hans Karl Frh. (1885–1938), Jurist und Funktionär

Zeßner von Spitzenberg Hans Karl Frh., Jurist und Funktionär. Geb. Dobritschan, Böhmen (Dobříčaný, CZ), 4. 2. 1885; gest. KZ Dachau, Dt. Reich (D), 1. 8. 1938; röm.-kath. Sohn des Gutsbesitzers, Kämmerers und Abg. zum böhm. LT Heinrich Frh. Z. v. S. (geb. Dobritschan, 21. 6. 1839; gest. ebd., 17. 3. 1922) und der Sternkreuzordensdame Henriette Freifrau Z. v. S., geb. Gfn. Nostitz-Rieneck (geb. Wien, 18. 3. 1846; gest. 2. 1. 1928); ab 1913 verheiratet mit Elisabeth Freifrau Z. v. S., geb. Freiin v. Handel (geb. Hagenau, OÖ, 17. 9. 1887; gest. Wien, 31. 10. 1956). – Z. absolv. das Gymn. in Saaz und begann danach ein rechtswiss. Stud. an der dt. Univ. Prag. Ab 1905 stud. er an der Univ. Freiburg im Üechtland, wo er der CV-Verbindung Teutonia beitrat. 1908 kehrte er nach Prag zurück, um 1909 sein Stud. als Dr. iur. abzuschließen und zugleich im polit. Dienst bei der Statthalterei in Prag in den österr. Staatsdienst einzutreten. Anschließend stud. er an der Univ. Berlin Nationalökonomie (Dr. oec. publ. 1911) und wurde später der Statist. Zentralkomm. in Wien dienstzugeteilt. Mit Kriegsbeginn wurde Z. als Bez.koär. an die Bez.hptm.schaft in Braunau am Inn versetzt. Noch während des Kriegs in das Ackerbaumin. berufen, wurde er Ende 1919 von Staatskanzler →Karl Renner in den Verfassungsdienst der Staatskanzlei geholt. Dort arbeitete er längere Zeit mit den beiden Hauptprotagonisten der Reinen Rechtslehre Hans Kelsen und Adolf Julius Merkl zusammen. Zuletzt stellv. Leiter des Verfassungsdiensts geworden, habil. sich Z. 1920 für allg. und österr. Verwaltungsrecht mit der Schrift „Einführung in die Landarbeiterfrage“ an der BOKU und wurde 1931 zum o. Prof. berufen. Das Klima innerhalb der Studentenschaft an der Hochschule wurde von 1933 an zunehmend dt.national bzw. sogar offen nationalsozialist. Z.s Vorgehen dagegen führte Anfang 1934 zu Störungen während seiner Vorlesungen und zu offenen Anfeindungen. Dass er als Disziplinaranwalt der Hochschule nationalsozialist. Umtrieben von Beginn an kategor. ablehnend gegenüberstand und auch Studenten relegierte, wurde sowohl in der Studentenschaft als auch im Kollegium krit. gesehen. Von seiner Überzeugung her Legitimist, trat er offen für eine „soziale Monarchie“ unter Führung des Hauses Habsburg ein und pflegte Kontakte zu Otto v. Habsburg. Zusammen mit Ernst Karl Winter, August Maria Knoll und Alfred Missong gründete er 1926 die Österr. Aktion. Seiner tiefen Zustimmung zur christl. Soziallehre, naturrechtl. Überlegungen sowie seiner kompromisslosen, anti-nationalsozialist. Haltung wegen unterstützte Z. den autoritären Kurs von →Engelbert Dollfuß und wurde 1934 Mitgl. des Bundeskulturrats sowie 1937 Leiter des Traditionsreferats der Vaterländ. Front. Noch im März 1938 verhaftet, wurde er im Juli des Jahres in das KZ Dachau überstellt. Durch Misshandlungen während des Transports herbeigeführte schwere innere Verletzungen führten schließl. zu seinem Tod nur zwei Wochen später.

Weitere W.: Die Österr. Aktion, 1927; Die Zukunft des Hauses Habsburg, 1927; Das österr. Agrarrecht, 1930; Der Rechtslehrer und das Wesen des Rechts, 1931.
L.: G. Enderle-Burcel, Christl. – ständ. – autoritär, 1991, S. 269ff.; P. Zeßner-Spitzenberg, H. K. Z.-S., 2003; M. Welan – P. Wiltsche, H. K. Z.-S., 2020; Biograph. Lex. des Österr. Cartellverbands (online, m. B., Zugriff 13. 7. 2021).
(G. Hartmann)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 495
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