Zeyer, Julius (Johann Georg) (1841–1901), Schriftsteller

Zeyer Julius (Johann Georg), Schriftsteller. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 26. 4. 1841; gest. Kgl. Weinberge, Böhmen (Praha, CZ), 29. 1. 1901 (begraben: Ehrengruft Slavín, Praha); röm.-kath. Sohn des Holzhändlers und Hof-Zimmermeisters Johann Z. (gest. 1851), dessen Vorfahren nach der Französ. Revolution aus dem Elsass nach Prag gekommen waren, und der aus einer Prager jüd. Familie stammenden Eleonora Elisabeth Z., geb. Weißeles, Bruder des Architekten Jan Z. (1847–1903), Onkel des Malers Jan Angelo Z. (1878–1945) sowie des Schauspielers (Alois) Richard Schlaghamer (Schlaghammer) (1875–1917); unverheiratet. – Z. besuchte Realschulen in der Prager Alt- bzw. Neustadt (1852–59) und 1859–61 das Prager Polytechnikum. Als vorgesehener Leiter des Familienbetriebs erlernte er 1861–62 das Zimmermannshandwerk in Wien, anschließend begab er sich auf Wanderschaft nach Dtld., Frankreich und in die Schweiz, wo er sich jedoch eher der Literatur, Kultur und Kunst widmete. Nach der Rückkehr wandte er sich der Schriftstellerei zu. Der Versuch, eine Matura am Neustädter Gymn. am Graben abzulegen, misslang, und so stud. Z. als Privatist an der Prager Univ. Ästhetik, Philol., Phil., Orientalistik und Archäol. 1873–74 war er dank Vermittlung des Philologen und Archäologen Alois Kašpar als Erzieher des Sohns Pjotr Alexandrowitsch Gf. Walujews in St. Petersburg tätig. Nach seiner Rückkehr lebte er mit seiner Mutter im gem. Haushalt, ab 1878 in der Familienvilla in Liboc. Im selben Jahr besuchte er mit seinem langjährigen Freund →Josef Václav Sládek Skandinavien. 1880 reiste Z. erneut nach Russland, wo er als Erzieher der Söhne des Gen. Wassili Alexandrowitsch Popow in Simferopol tätig war, ehe er nach dem Tod seiner Mutter nach Böhmen zurückkehrte. Um finanziell unabhängig zu sein, nahm er 1882 eine Stelle als Erzieher bei →Johann Nepomuk Gf. v. Harrach an, mit dem er Dtld., Belgien und die Niederlande besuchte. Später lebte er ausschließl. von der Familienrente sowie von Zuwendungen seiner Gönner (u. a. →Josef Hlávka) und unternahm in den 1880er- und 1890er-Jahren zahlreiche Reisen (Italien, Tunesien, Griechenland, Türkei, Frankreich, Spanien, Russland, Stmk., Krain, Kroatien, Bayern). Im Privatleben und von den Misserfolgen seiner dramat. Werke enttäuscht, zog er sich 1887 in das südböhm. Wodnian zurück. 1899 übersiedelte er aus gesundheitl. Gründen nach Prag. Z.s erste schriftsteller. Versuche entstanden auf Dt., später schrieb er jedoch ausschließl. auf Tschech. Sein Œuvre umfasst ep. Ged. und Ged.zyklen („Vyšehrad“, 1880; „Karolinská epopeja“, 1896; „Troje paměti Víta Choráze“, 1905), Romane („Ondřej Černyšev“, 1876; „Jan Maria Plojhar“, 1891; „Dům U Tonoucí hvězdy“, 1897), Novellen („Tři legendy o krucifixu“, 1895) sowie bibl. („Sulamit“, 1885) und mytholog. Dramen („Radúz a Mahulena“, 1898, vertont von →Josef Suk d. Ä.) und Libretti („Šárka“, 1885, Musik →Leoš Janáček). Außerdem bearb. Z. Sagen aus mehreren europ. und außereurop. Kulturräumen (u. a. Irland, Skandinavien, Litauen, Japan). Aus seinem Werk spricht die neuromant. Sehnsucht nach Überwindung der Ideen- und Wertekrise des Individuums im Fin de Siècle. In äußerst kultivierter Sprache projiziert er ersehnte Werte und Tugenden der Vergangenheit in die Gegenwart, wobei er nicht zuletzt versucht, bekannten böhm. Sagenfiguren ein literar. Denkmal zu setzen. Zeitlebens pflegte Z. intensive Briefkontakte mit Freunden und Gönnern u. a. in Frankreich, Italien und Polen. Am Rande seines Schaffens stehen Übers. aus dem Französ. (Molière), mehrere seiner eigenen Werke wurden auch ins Dt. übertragen. An den publizist. Auseinandersetzungen um seine Person, in denen er von der jüngeren Schriftstellergeneration im Gegensatz zu anderen zeitgenöss. Autoren favorisiert wurde, beteiligte er sich nicht. 1890 lehnte Z. eine Aufnahme als ao. Mitgl. in die Böhm. K. Franz Joseph-Akad. der Wiss., Literatur und Kunst ab. Er war jedoch (eher mäßig engag.) Mitgl. mehrerer kultureller Ver. (Alliance Française, Svatobor, Umělecká beseda).

Weitere W. (s. auch LČL): Dramatická díla J. Z., 4 Bde., ed. F. Šimáček, 1893−1901; Sebrané spisy, 35 Bde., ed. F. S. Procházka, 1902−07 (auch als 29-bändige Volksausg., 1926−29); Sebrané spisy, 10 Bde., ed. J. Š. Kvapil, 1941−49. – Nachlass: Literární archiv PNP, Národní muz. / Náprstkovo muz. asijských, afrických a amerických kultur, beide Praha, CZ.
L.: Národní listy, Prager Abendbl., Prager Tagbl., 29., Čas, Hlas národa, Lidové noviny, Neues Wr. Journal, Politik, Právo lidu, 30. 1., AZ, 1. 2. 1901; LČL (m. W.); Otto; Wurzbach; F. X. Šalda, in: Česká revue 4, 1900/01, S. 659ff.; A. Kraus, in: Das literar. Echo 3, 1900/01, S. 849f.; J. Karásek, in: Moderní revue, 1900/01, Nr. 12, S. 157ff.; F. V. Krejčí, J. Z., 1901; J. Kamper, in: Časopis Mus. království českého 75, 1901, S. 36ff.; Chudým dětem, ed. H. Humlová, 1931; J. Š. Kvapil, Gotický Z., 1942; M. Bobrownicka, Studia na twórczością J. Z., 1959; M. Jähnichen, Der Weg zur Anerkennung. Tschech. Literatur im dt. Sprachgebiet 1861–1918, 1972, s. Reg.; R. B. Pynsent, J. Z. The Path to Decadence, 1974; Sběratel J. Z. / Collector J. Z., ed. J. Jiroušková – L. Pecha, 2008; J. Z., lumírovský básník v duchovním dění Evropy, ed. J. Kudrnáč, 2009; T. Riedlbauchová, J. Z. a jeho vztah k francouzské literatuře, 2010; D. Křišťanová, Druhý život J. Z., 2011 (m. B.); Český a slovenský literární parnasismus, ed. A. Haman – D. Tureček, 2015, s. Reg.; Stůni touž nemocí. J. Z. a J. Lier …, ed. P. Ježková, 2017; Kostel sv. Jindřicha, Kostel sv. Štěpána, beide Praha, CZ.
(V. Petrbok)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 498f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>