Zichy-Metternich, Melanie Marie Pauline Alexandrine Gfn.von; geb. Prinzessin von Metternich-Winneburg (1832–1919), Vereinsfunktionärin und Philanthopin

Zichy-Metternich Melanie Marie Pauline Alexandrine Gfn. von, geb. Prinzessin von Metternich-Winneburg, Vereinsfunktionärin und Philanthropin. Geb. Wien, 27. 2. 1832; gest. ebd., 16. 11. 1919; röm.-kath. Tochter von →Klemens Wenzel Lothar Fürst Metternich-Winneburg und dessen 3. Ehefrau Melanie Fürstin Metternich-Winneburg, geb. Gfn. v. Zichy-Ferraris (s. u.); ab 1853 verheiratet mit Joseph (József) Gf. Zichy z. Zich u. Vásonykeő (1814–1897). – Nach dem Sturz Metternichs als Staatskanzler im Revolutionsjahr 1848 ging die Familie ins Exil nach England, kehrte jedoch 1851 nach Wien zurück, wo Z. zwei Jahre später heiratete. Das Ehepaar reiste viel, lebte u. a. in Ungarn, Salzburg und Venedig, bezog 1879 eine Villa in Hietzing und verbrachte ab 1880 die Winter in Rom. Ihr Haus war jeweils Treffpunkt von Aristokratie und geistl. Würdenträgern, Diplomaten und Intellektuellen aus ganz Europa. Die tiefgläubige Katholikin Z. verschrieb sich früh der adeligen Wohltätigkeit und der sozial-karitativen Fürsorge. 1874 gründete sie eine Mädchenvolksschule in St. Johann an der March und errichtete ein Spital in Budapest. Bes. Anliegen war ihr der Schutz der jugendl. Arbeiterinnen. Um diese zu unterstützen und um deren christl. Moral und Glauben zu festigen, begründete sie 1894 die sog. Patronage für kath. Arbeiterinnen: Die „soziale Frage“ wurde in der konservativen kath. Frauenbewegung als Frage der Sittlichkeit und Religiosität verhandelt. Z. stellte ein Wohnheim mit Speisehaus in Wien zur Verfügung und benannte den Ver., dem sie als Präs. vorstand, 1898 in Werk des hl. Philippus Neri um. Dessen Standorte breiteten sich in Österr.-Ungarn rasch zu einem Netz von Heimstätten, Speisehäusern, Privathandelsschulen, Unterrichtsanstalten für Weißnähen und Kleidermachen sowie Erholungsheimen aus. Z. war in der kath.-sozialen Bewegung verankert, bei einem Treffen 1888 in ihrer Villa in Hietzing legte ein Kreis um →Karl Frh. v. Vogelsang und →Karl Lueger das Fundament für die Christl.soziale Partei. Sie selbst spielte eine wesentl. Rolle im Zusammenschluss der kath. Frauen aller Stände, um für ihre religiösen, sittl. und materiellen Interessen einzutreten. Gem. mit Emilie v. Mathoy, Karoline v. Ambros und Marie v. Fuchs-Görres war sie Initiatorin und Mitbegründerin der Kath. Reichsfrauenorganisation Österr. (KRFOÖ), an ihrer Seite Helene v. Waldstein-Wartenberg und Gerta Gfn. Walterskirchen. Die KRFOÖ vernetzte und zentralisierte als Dachorganisation die kath. Frauenver. der Habsburgermonarchie – eine Reaktion auf die Organisierung der sozialdemokrat. und bürgerl.-liberalen Frauenbewegungen, die deutl. früher ansetzten. Die konstituierende Sitzung der KRFOÖ fand im November 1907 in ihrer Wohnung statt, Z. wurde zu deren ersten Präs. gewählt. Obwohl selbst in polit. Diskurse involviert, sprach sich Z. gegen die aktive polit. Betätigung von Frauen aus; adelige Frauen realisierten polit. Teilhabe traditionell über Wohltätigkeit und nutzten ihren Handlungsspielraum über persönl. Beziehungsnetze. Unter ihrer Führung war die KRFOÖ explizit nicht polit. ausgerichtet, erst die Nachfolgerinnen von Z. – nach ihrem Tod ihre Nichte Klementine Metternich-Sándor – begannen, polit. Forderungen zu artikulieren. Mit der Einführung des Frauenwahlrechts kam es auch zu einer Neuorientierung der KRFOÖ. Ihrer Gefährtin und Gen.sekr. der KRFOÖ Johanna (Hanny) Brentano und deren Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass Z.s Memoiren gesammelt wurden. Sie veröff. Auszüge als 24-teilige Fortsetzung in der „Österreichischen Frauenwelt“, dem Organ der KRFOÖ. Z.s Anekdoten, detailreiche Berr. und Tagebucheinträge gewähren Einblicke in das gesellschaftl. Leben bei Hof. Ebenfalls abgedruckt sind ihre Reisebriefe: Gem. mit ihrem Ehemann begleitete Z. von April bis Dezember 1864 den zum K. von Mexiko ausgerufenen Erzhg. →Ferdinand Maximilian und dessen Frau Erzhgn. →Maria Charlotte nach Amerika. Als Obst.hofmeisterin bzw. Obst.hofmeister unterstützten sie den Aufbau eines mexikan. Hofstaats. Palastdame und Sternkreuzordensdame (1854), wurde Z. u. a. mit der doppelt großen Salvatormedaille der Stadt Wien und dem Elisabeth-Orden I. Kl. (1898) ausgez. Z.s Mutter, die Sternkreuzordensdame Melanie (Melánia) Marie (Maria) Antonia (Antoinette) Gfn. v. Zichy-Ferraris, verheiratete Fürstin Metternich-Winneburg (geb. Wien, 28. 1. 1805; gest. ebd., 3. 3. 1854), war die Tochter des FML Franz Gf. v. Zichy-Ferraris (1777–1839) und dessen Frau Marie (Maria) Wilhelmine (Molly) Gfn. v. Zichy-Ferraris, geb. Gfn. v. Ferraris (1780–1866). Sie heiratete 1831 Staatskanzler Metternich und führte in der Staatskanzlei am Ballhausplatz und im Palais am Rennweg einen Salon von großer gesellschaftl. Bedeutung. Sie beauftragte u. a. →Moritz Michael Daffinger und →Josef Kriehuber mit Miniatur-Porträts der (männl.) Gäste, ihre Porträtsmlg. zeigt die zeitgenöss. Elite aus Hochadel, Politik und Kultur. Melanie Z. war hochgebildet und kunstbegeistert, sie wird als anmutig, schön und geistreich, zugleich temperamentvoll und impulsiv beschrieben. Legendär und gefürchtet war ihr Faible für Bonmots und Streiche.

W. (s. auch Frauen in Bewegung): Aus den Erinnerungen der Gfn. Z.-M., in: Österr. Frauenwelt 3–6, 1913–17. – Melanie v. Z.-F.: Aus dem Tagebuche der Fürstin Melanie, in: Aus Metternich’s nachgelassenen Papieren 5–8, ed. R. Metternich-Winneburg, 1882–84.
L.: Grazer Volksbl., 10. 11. 1907; RP, 25. 2. 1912, 17. 11. 1919; Illustrierte Kronen Ztg., 11. 4. 1912 (m. B.); Wurzbach; M. R. Brentano, Wie Gott mich rief, 1925, S. 165ff., 227ff.; M. Kronthaler, Die Frauenfrage als treibende Kraft. H. Burjans innovative Rolle im Sozialkatholizismus und Polit. Katholizismus ..., 1995, s. Reg.; Frauen in Bewegung 1848–1939 (online, m. B. u. W., Zugriff 10. 1. 2022); Pfarre St. Peter, Wien. – Melanie Z.-F.: Die Presse, 12. 11. 1855 (Beil.); Wurzbach (s. u. Metternich-Winneburg); E. Guglia, in: Die Graph. Künste 40, 1917, S. 71ff.; E. Guglia, in: Mitt. der Ges. für vervielfältigende Kunst. Beil. der „Graphischen Künste“, 1917, H. 4, S. 48ff.; G. Kugler, Staatskanzler Metternich und seine Gäste, 1991, S. 7ff. (m. B.); Pfarre Unsere Liebe Frau zu den Schotten, Wien.
(A. Gruber)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 516f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>