Zichy zu Zich und Vásonykeő, Nándor (Ferdinand) Gf. (1829–1911), Politiker und Gutsbesitzer

Zichy zu Zich und Vásonykeő Nándor (Ferdinand) Gf., Politiker und Gutsbesitzer. Geb. Pressburg, Ungarn (Bratislava, SK), 17. 11. 1829; gest. Adony (H), 24. 12. 1911; röm.-kath. Sohn des Kämmerers György Gf. Z. z. Z. u. V. (1805–1879) und von Ludovica Gfn. Z. z. Z. u. V., geb. Gfn. Pálffy v. Erdőd (1804–1866), Vater von Aladár Gf. Z. z. Z. u. V., Onkel von János Gf. Z. z. Z. u. V. und Gyula Gf. Z. z. Z. u. V. (alle s. u.); ab 1860 verheiratet mit Lívia Gfn. Z. z. Z. u. V. (1840–1913), der Tochter von →Edmund Gf. Z. z. Z. u. V. – Als ehemaliger Privatzögling des Zisterziensergymn. in Stuhlweißenburg wurde Z. an der Pester Univ. 1848 zum Dr. phil. prom. und stud. anschließend bis 1850 Jus in Wien sowie an der Rechtsakad. in Pressburg. Nach einer 1854 unternommenen längeren Stud.reise durch Westeuropa beschränkten sich seine öff. Aktivitäten vorerst auf die Förderung lokaler Be- und Entwässerungsprojekte (1856 Wahl zum Vors. der Nádor-Kanal-Ges.). 1859 fungierte er als Gründungspräs. des Landwirtschaftsver. des Kom. Fejér, in dem seine Ländereien lagen. Mit Übernahme der Funktion des Vizegespans in diesem Kom. 1861 begann Z.s polit. Laufbahn, die mit der Auflösung des ung. RT und der Aufhebung der Kom.autonomie im Herbst desselben Jahres jedoch vorerst abrupt endete. Sein im Februar 1863 in →Mór v. Jókais Ztg. „A Hon“ veröff. Grundsatzprogramm, das die Sinnhaftigkeit des Zentralismus →Anton v. Schmerlings in Abrede stellte und für eine Sonderstellung Ungarns innerhalb der Monarchie plädierte, brachte ihm landesweite Beachtung und Solidarität ein, v. a. auch, da er dafür mit einem Jahr Gefängnis sowie Aberkennung seines Gf.- und Kämmerertitels bestraft wurde. Seine partielle Begnadigung durch den Monarchen leitete eine baldige Rehabilitierung ein. Nach Schmerlings Demission wurde er 1865 zum 2. Vizepräs. des ung. Statthaltereirats ernannt, um günstig auf die Ausgleichsverhh. einzuwirken. 1865–72 Mitgl. des AH des RT, gehörte er innerhalb von →Franz v. Deáks Ausgleichspartei dem aristokrat.-konservativen Flügel an. Die Gründung einer mächtigen liberalen Regierungspartei durch Fusion mit dem Linkszentrum 1875 verdrängte die konservativen Aristokraten aus ihren Ämtern und marginalisierte den Einfluss der neuen rechten Opposition. Z. verlegte 1878 den Schwerpunkt seiner parlamentar. Tätigkeit in das Oberhaus, in dem er einen erbl. Sitz hatte, und begann mit dem Aufbau einer eigenständigen kath. Partei. Auf seine Initiative erfolgte ab 1888 der systemat. Ausbau eines landesweiten Netzwerks kath. Zirkel und Kasinos sowie die Gründung zahlreicher kath. Einrichtungen und Ver. Ab 1889 bekleidete Z. auf Lebenszeit die Präs.schaft der St. Stephans-Ges., der wichtigsten kath. kulturellen Einrichtung. Ferner regte er die regelmäßige Einberufung eines Landeskatholikentags an. Dieser polit. Katholizismus sollte v. a. dem parlamentar. Widerstand gegen die liberale Kirchenpolitik und Religionsgesetzgebung eine breitere gesellschaftl. Unterstützung sichern. Um die kath. Opposition polit. zu institutionalisieren, gründete Z. 1895 schließl. gem. mit Miklós Móric Gf. Esterházy sowie →Fülöp Steiner die Kath. Volkspartei. Deren Schwerpunkt lag auf der Revision der Religionsgesetze, der Verwirklichung der kath. Autonomie und der Aufrechterhaltung des konfessionellen Unterrichts. Doch wurden auch ein gerechteres Steuersystem, die Lösung der sozialen Frage im Sinne der Enzyklika „Rerum Novarum“ sowie die Erfüllung der Nationalitätenrechte – unter Wahrung der Integrität und des nationalen Charakters des ung. Staats – gefordert. Z. blieb zeit seines Lebens die zentrale Figur der Partei, die bei den Wahlen 1896 18 und 1901 25 Abg.mandate erzielen konnte. Höhepunkt und Ende seiner polit. Laufbahn bildete die in diesem Jahr von ihm angeführte ung. Pilgerfahrt nach Rom. Sein Interesse an Wirtschaftsfragen schlug sich in einer umfangreichen einschlägigen publizist. Tätigkeit nieder. Im Ung. Landeswirtschaftsver. wurde er 1864 sowohl in der Fachsektion für Ökonomie und Statistik als auch in jener für Ackerbau und Viehzucht zum Vizepräs. bestellt. 1862–63 wirkte er bei der Errichtung der Ung. Bodenkreditanstalt mit, 1869 gründete er die Stuhlweißenburger Handelsbank und 1872 die Sparkasse des Kom. Fejér. Seine Beteiligung an Leitungsgremien von Versicherungen, Ind.unternehmen und Eisenbahnges. reichte von Budapest über Fünfkirchen bis Fiume. 1909–11 stand er der Ung. Allg. Kreditbank vor. Geh. Rat (1889) Z. war ab 1854 Kämmerer (Neuverleihung des Titels 1865) und bekleidete 1906–11 das Amt des Tavernicus. 1892 erhielt er den Orden vom Goldenen Vlies. Sein Sohn, der Politiker Aladár (Albert) Gf. Z. z. Z. u. V. (geb. Nagyláng, H, 4. 9. 1864; gest. Budapest, H, 16. 11. 1937; röm.-kath.), war ab 1893 in 1. Ehe mit Henriette Gfn. Z. z. Z. u. V., geb. Gfn. Hunyady v. Kéthely (1872–1910), und ab 1917 in 2. Ehe mit Ilona Gfn. Z. z. Z. u. V., geb. Gfn. v. Wenckheim (1885–1972), verheiratet. Er besuchte ab 1874 das Gymn. der Zisterzienser in Stuhlweißenburg und stud. anschließend Jus in Straßburg (1882/83), Innsbruck und Budapest sowie Landwirtschaft in Halle an der Saale. Ab 1893 war er erbl. Mitgl. des Magnatenhauses. Nach dem Rücktritt von János Gf. Z. z. Z. u. V. 1903 war Aladár Z., der 1896–1910 im AH saß, bis zur Auflösung der Volkspartei deren Vors. Er bemühte sich, die konservativ-monarchist. gesinnte Linie zu stärken und die staatsrechtl. Nationalisten in den Hintergrund zu drängen. 1904–06 fungierte er als einer der Oppositionsführer, hingegen unter →Sándor Wekerle 1906–10 als Minister am Allerhöchsten Hoflager. Dieselbe Funktion übte er 1917–18 erneut aus, nachdem er 1910–17 in die Oppositionsrolle zurückgekehrt war. Aladár Z. engag. sich in der parteiübergreifenden Agrargruppe der Großgrundbesitzer sowie in der Genossenschaftsbewegung. 1901 gründete er die Christl. Konsumgenossenschaftszentrale Transdanubiens, die v. a. den wirtschaftl.-sozialen Aufstieg und die Kreditversorgung der Kleinlandwirte im Auge hatte und bis 1918 fast 300 Genossenschaften ins Leben rief. 1918 fusionierte sie mit der Produktions-, Verwertungs- und Konsumgenossenschaft Hangya, der Aladár Z. 1925–34 vorstand. 1919 beteiligte er sich in Szeged an den Agitationen gegen die Räterepublik, arbeitete im Auftrag Frankreichs die konstitutionellen Grundlagen der Regierung von Szeged aus und leitete 1919 das Ung. Nationalkomitee. I. d. F. zog er sich aus der Politik zurück und widmete sich privaten Stud. sowie dem Familiengut in Vajta. 1905–18 fungierte er als Vors. des Ung. Landesver. für Bienenzucht und ab 1925 bis zu seinem Tod als Präs. der St. Stephans-Ges. Nach Wiedererrichtung des Oberhauses 1927 gehörte er diesem erneut an und wirkte dort als Wortführer der Legitimisten. Geh. Rat (1907) Aladár Z. war ab 1893 Kämmerer. Z.s Neffe, der Großgrundbesitzer und Politiker János (Johann) Gf. Z. z. Z. u. V. (geb. Nagyláng, 30. 5. 1868; gest. ebd., 6. 1. 1944; röm.-kath.), war ab 1893 mit Margit Gfn. Z. z. Z. u. V. (1874–1963) verheiratet. Er besuchte das Jesuitenkolleg in Kalksburg sowie das Zisterziensergymn. in Stuhlweißenburg. 1887–88 stud. er Jus in Berlin, anschließend in Budapest; 1892 Dr. iur. In dieser Zeit gründete und leitete er den St. Emmerich-Kreis, der sich später zum St. Emmerich-Internat entwickelte. Ab 1894 erbl. Mitgl. des Magnatenhauses, saß er 1896–1918 auch im AH des ung. RT. Der als Vertrauter von Erzhg. →Franz Ferdinand geltende János Z. war 1900–03 Vors. der Kath. Volkspartei. 1904 trat er jedoch aus, weil er die Unterstützung der Obstruktion der oppositionellen 48er-Partei missbilligte und die von →István Gf. Tisza v. Borosjenő u. Szeged 1904 unterbreitete Initiative zur Verschärfung der Geschäftsordnung des Hauses befürwortete. 1906 schloss er sich der liberal-konservativen Verfassungspartei von →Julius Gf. Andrássy d. J. an. 1910–18 war er Mitgl. der Regierungspartei Tiszas und fungierte 1910–13 als Kultusminister. Ab 1918 Mitgl. der 48er-Partei, übte er dieses Amt neuerl. kurzfristig aus. Während der Räterepublik engag. sich János Z. im Antibolschewist. Komitee in Wien. 1922 etablierte er den gemäßigt legitimist. Klub des Nationalen Zusammenhalts und saß als unabhängiger Abg. in der 2. Nationalversmlg. (1922–27). 1923 war er an der Gründung der Christl.-Nationalen Wirtschaftspartei beteiligt, die nach einer Fusion mit anderen christl. Parteien in Christl. Partei für Wirtschaft und Soziales umbenannt wurde und der er 1926–37 vorstand. Ab 1932 geriet er innerparteil. jedoch immer mehr in eine oppositionelle Rolle. 1937 gründete er die Christl. Volkspartei für Wirtschaft und Soziales (kurz Vereinigte Christl. Partei, ab 1943 Volkspartei). Daneben war János Z. u. a. Vors. des einflussreichen Budapester Kath. Kreises (ab 1900), des Kath. Landesbunds (ab 1898) bzw. des Kath. Landes-Volksbunds (ab den 1920er-Jahren) sowie ab 1933 der Kath. Aktion. Zudem engag. er sich im Landesver. der Kindersanatorien, der St. Stephans-Ges. sowie der St. Stephans-Akad. und hatte Funktionen in Banken und Versicherungsunternehmen inne (Ung. Bodenkreditanstalt, Erste Ung. Allg. Versicherungsges., Pester Ung. Handelsbank). Auch gehörte er ab 1925 dem Direktorium der MTA an. Geh. Rat (1908) János Z. wurde 1893 Kämmerer und erhielt 1934 den Orden vom Goldenen Vlies. Ein weiterer Neffe Z.s war Bischof Gyula (Julius) Gf. Z. z. Z. u. V. (geb. Nagyláng, 7. 11. 1871; gest. Kalocsa, H, 20. 5. 1942; röm.-kath.), der das Jesuitenkolleg in Kalksburg sowie das Zisterziensergymn. in Stuhlweißenburg besuchte. 1891–96 stud. er Theol. in Innsbruck und erhielt zudem eine diplomat. Ausbildung an der Accad. dei Nobili Ecclesiastici in Rom. 1895 zum Priester geweiht, wirkte Gyula Z. 1896–97 als Kaplan in Wudigeß. Nach einer Stud.reise setzte er seine Ausbildung in Rom fort; 1901 Dr. theol. 1905 weihte ihn Papst Pius X. zum Bischof von Fünfkirchen; Inauguration 1906. Während seines Episkopats förderte er die kath. Erneuerung und den christl.sozialen Gedanken. Nach dem 1. Weltkrieg unterstützte er als Legitimist die Ansprüche Kg. →Karls. Er spielte weiters eine wesentl. Rolle bei der Verlegung der 1912 gegr. Elisabeth-Univ. in Pressburg nach Fünfkirchen, der er die Diözesanbibl. übergab. Ab 1923 fungierte Gyula Z. als apostol. Administrator des Erzbistums Kalocsa, ab 1925 als Erzbischof von Kalocsa-Bács. I. d. F. versah er für kurze Zeit auch das Amt des Administrators des Bistums Fünfkirchen. Während seiner Amtszeit als Erzbischof wurde die Diözesan-Sparkasse Kalocsa gegr. sowie das Hl.-Kreuz-Spital erneuert. Die Schaffung neuer Pfarren, Kirchen, Klöster und Schulen geht ebenfalls auf ihn zurück (1937 Weihe der Pécser Ordenskirche der aus Tschenstochau nach Ungarn zurückgekehrten Pauliner). 1928 organisierte er eine Diözesansynode, 1929 und 1931 nationale Wallfahrten ins Hl. Land. Gyula Z., der 1901–18 dem Magnaten- und 1927–42 dem Oberhaus des RT angehörte, war ab 1929 Direktoriumsmitgl. der MTA. Im Oktober 1939 beauftragte ihn der ung. Episkopat mit der Leitung des Hl.-Kreuz-Ver. zum Schutz der von den Rassengesetzen betroffenen Katholiken. Geh. Rat (1917) Gyula Z. erhielt 1901 den Orden der Eisernen Krone II. Kl. und wurde im selben Jahr zum w. päpstl. Kämmerer ernannt; 1902 Tit.abt der Marienabtei von Bulcs, 1926 päpstl. Thronass.

W. (s. auch J. Szinnyei, Hazai és külföldi folyóiratok magyar tudományos repertóriuma 1–2, 1874–85): Alapkérdéseink, in: A Hon, 2. 2. 1863; Közgazdászati fejlődésünk pénzügyi alapja és iránya, 1868; A közigazgatási bizottság, 1876; Észlelések, 1882. – János Z. z. Z. u. V. (s. auch Katolikus Lex.): A szocializmusról, 1897; Nyílt levél a 67-es alapon állókhoz, 1907; Andrássy emlékezete, 1930; A gr. Z. nemzetség senioratusa körül támadt vita, 1931. – Gyula Z. z. Z. u. V.: Zichy és vásonkeői Z. Gy. gróf Isten irgalmából és az apostoli Szentszék kegyelméből pécsi püspöknek egyházmegyéje összes hiveihez intézett pásztorlevele, 1906; Rendszabályok a hitoktatásra és felügyeletére nézve Pécsett, 1913.
L. (tw. auch für Aladár, János und Gyula Z. z. Z. u. V.): Biograph. Lex. Südosteuropas; Katolikus Lex.; M. Életr. Lex.; Pallas; Szinnyei; ÚMÉL; Wurzbach; A Szent-István-Társulat … Z. N. … nyolcvanadik születésnapja alkalmából ..., (1909); I. Domonkos, Z. N. gróf élete, 1912; F. Bonitz, Gróf Z. N. Élet- és jellemrajz, 1912; F. Bonitz, Gf. F. Z., 1913; Emlékkönyv Z. N. gróf születésének századik évfordulójára, 1829–1929, ed. B. Turi, 1929; M. Csáky, Der Kulturkampf in Ungarn, 1967, s. Reg.; G. Salacz, Egyház és állam Magyarországon a dualizmus korában 1867–1918, 1974, s. Reg.; G. Adriányi, Fünfzig Jahre ung. Kirchengeschichte 1895–1945, 1974, s. Reg.; D. Szabó, in: Történelmi Szemle 20, 1977, S. 169ff.; Cs. Csapodi, Gróf Z. N. élete és politikája (1828–1911), 1993; S. Vaikné Kabay, Egy konzervatív politikus a XIX. század második felében. Gróf Z. N., 2011; A. Gianone – T. Klestenitz, Katolikus nagygyűlések Magyarországon, 2017; N. Csibi, in: A modern magyar katolikus politizálás arcképcsarnoka, ed. É. Petrás, 2019, S. 9ff. – Aladár Z. z. Z. u. V. (tw. auch für János und Gyula Z. z. Z. u. V.): Magyar Politikai Lex. Politikai Magyarország 1–2, ed. E. Madarász, 1929–35; K. Erdősi, in: Katolikus Szemle 51, 1937, S. 705f.; I. Haeffler, Országgyűlési almanach ... 1935–40 ..., 1940, S. 75 (m. B.); Magyarországi politikai pártok lex. (1846–2010), ed. I. Vida, 2011. – János Z. z. Z. u. V.: Jövőnk, 4. 1. 1944; I. Haeffler, Országgyűlési almanach ... 1939–44 ..., 1940, S. 372f., 406f. (jeweils m. B.); J. Gergely, A keresztényszocializmus Magyarországon, 1924–44, 1993; L. Felkai, in: Magyar Pedagógia 100, 2000, Nr. 1, S. 53ff. – Gyula Z. z. Z. u. V.: Das geistige Ungarn; Emlékkötet Z. Gy. tiszteletére, ed. I. Horváth – A. Kikindai, 2007; A. Tengely – Z. Kovács, in: A Pécsi Egyházmegye ezer éve, ed. J. Sümegi, 2008, S. 169ff.; Die Bischöfe der Donaumonarchie 1804 bis 1918, 1, ed. R. Klieber, 2020, S. 159ff.
(N. Csibi)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 513ff.
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