Ziegler, Johann Anton (1801–1865), Großindustrieller

Ziegler Johann Anton, Großindustrieller. Geb. Eisendorf, Böhmen (Železná, CZ), 5. 2. 1801; gest. Friedrichshütten, Böhmen (Nová Hut’, CZ), 10. 10. 1865; röm.-kath. Sohn des Landwirts und Glasfabrikanten Wolfgang Z. und der Dorothea Theresia Z., geb. Retzer, verwitwete Wild, Bruder von Andreas Z. (geb. Eisendorf, 16. 4. 1796; gest. Wostratschin, Böhmen / Osvračín, CZ, 7. 5. 1875), Cousin und Schwager von Peter Z. (geb. Eisendorf, 1812; gest. 30. 4. 1870), beide namhafte Glas- und Spiegelfabrikanten, Vater u. a. von Adolf Z. (geb. Franzbrunnhütte, Böhmen/CZ, 11. 3. 1826; gest. Bad Neudorf, Böhmen / Konstantinovy Lázně, CZ, 19. 8. 1898), Paul Z. (geb. Kreuzhütte, Böhmen/CZ, 19. 7. 1830; gest. Wanghausen, OÖ, 25. 10. 1913), Anton Z. (geb. Friedrichshütten, 2. 10. 1835; gest. Haselbach, Böhmen / Lísková, CZ, 2. 3. 1887), Johann (Hans) Z. (geb. Friedrichshütten, 19. 2. 1837; gest. München, Dt. Reich/D, 1. 9. 1895) und August Z. (geb. Friedrichshütten, 18. 4. 1839; gest. Unterteschau, Böhmen / Dolejší Těšov, CZ, 4. 3. 1908); ab 1825 verheiratet mit Elisa Z., Tochter des Erlanger Spiegelfabrikanten und Geschäftspartners von Z.s Vater, Johann Jakob Zephanias Fischer (evang.). – Nach dem Besuch des Gymn. in Pilsen sammelte Z. ab 1820 zunächst im nordwestböhm. Hartenberg, später in der von seinem Vater ab 1819 gepachteten Franzbrunnhütte Erfahrungen mit der Produktion von Tafelglas und Spiegeln. 1828 pachtete er die von seinem Vater ab 1814 betriebene Kreuzhütte, wo er v. a. Spiegel produzierte. Seine Heirat über die Landes- und Konfessionsgrenzen hinweg wirkte sich positiv auf die Geschäftskontakte nach Bayern aus. 1825 errichtete Z.s Schwiegervater bei Wassersuppen und somit in der Nähe der Z.ʼschen Glashütten den Zinnfolienhammer Wilhelmshof in der Absicht, die Einfuhrzölle für den Absatz nach Böhmen zu umgehen und die in Planung befindl. weiteren Spiegelglasfabriken Z.s direkt zu beliefern. Weiters pachteten Z. und Fischer 1837 die Rabensteinhütte bei Zwiesel und 1845 trat Z. als Pachtnachfolger Fischers in der gleichfalls grenznahen Oberpfälzer Glashütte Voithenberg Öd auf. Auf Dauer erfolgreicher waren jedoch Z.s Initiativen in Böhmen. Er pachtete bzw. kaufte in unmittelbarer Grenznähe zu Bayern nach und nach die Friedrichshütte (1831), wo er ein Herrenhaus errichtete, die Osserhütte bei Neuern (spätestens 1845), mehrere Schleifwerke, u. a. jene von Haselbach und Angelwehr bei Neuern, sowie die Zinnfolienfabrik Wilhelmshof. 1851–52 kamen die wichtigen Glashütten von Deffernik und Ferdinandsthal mit dem Waldgut und dem Schloss Deffernik bei Eisenstein hinzu. Geblasenes Spiegelglas wurde in der Friedrichshütte und in der Kreuzhütte erzeugt. In der Friedrichshütte und der Osserhütte wurden sog. jüd. Spiegelchen (in Letzterer auch Tafelglas) und in Deffernik sowohl Hohl- als auch Tafelglas produziert. V. a. für die Herstellung seiner preisgünstigen sog. halbweißen Spiegelchen wurde Z. 1845 mit der silbernen Ind.medaille ausgez. Zwecks besserer internationaler Vermarktung richtete er in Wien eine Firmenniederlassung ein. Mit dem Bau der Eisenbahnlinie von Prag über Pilsen nach Bayern 1861/62 eröffneten sich neue Möglichkeiten, denn das Pilsner Becken war reich an Steinkohle. Der techn. Fortschritt ebnete nun den Weg weg von den von hochwertigem Holz abhängigen, teils tief im Böhmerwald liegenden Herstellungsbetrieben. Z. errichtete bei Nürschan nahe Pilsen eine auf Steinkohleheizung basierende Spiegelfabrik, deren Inbetriebnahme erst 1866 erfolgte. Mit seinem Bruder Andreas (Begründer der Sophienhütter Linie) betrieb er bereits ab den 1840er-Jahren in Wittuna bei Stankau ein Steinkohlebergwerk und ein Chemiewerk. Die Teufung des Zieglerschachts der Blattnitzer Bergwerksgewerkschaft in dem von ihm und Andreas Z. erworbenen Kohlerevier bei Nürschan 1870 erlebte er nicht mehr. Dieses Steinkohlebergwerk wurde zu einem der bedeutendsten im Pilsner Becken. Bereits im Dezember 1863 schloss Z. mit seinen Söhnen Adolf, Paul, Anton, Hans und August einen Ges.vertrag ab, auf dessen Grundlage seine Unternehmen zur öff. privilegierten Handelsges. mit dem Namen Johann Anton Ziegler wurden. Nach seinem Tod gingen die Betriebe an seine Söhne über, die 1866 eine neue privilegierte Handelsges. unter dem Namen Johann Anton Zieglerʼs Söhne gründeten.

L.: NFP, 22. 10. 1865; Wurzbach; Ber. über die dritte allg. österr. Gewerbe-Ausst. in Wien 1845, 1846, S. 111; B. Štiess, in: Život Plzeňska 9–12, 1951, S. 131ff., 140ff., 160ff., 180ff.; T. Engelhardt, Die Spiegelfabrik auf den Werkern, 1990, S. 9ff.; G. Krapf, in: Fürther Geschichtsbll. 1, 2006, S. 3ff.; Z. Procházka, Wanderungen durch die verschwundenen Ortschaften des Böhm. Waldes 1, 2007, S. 119ff., 125ff. (m. B.); Z. Procházka, Glasind. im Böhm. Wald, in der Tauser und Tachauer Region, 3. Aufl. 2009, S. 77ff., 85ff., 98ff., 129ff. (m. B.).
(R. Ziegler)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 523
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